KroatienDelta-Schatten über der Adria: Auch Kroatien bangt zum Auftakt der Sommersaison

Kroatien / Delta-Schatten über der Adria: Auch Kroatien bangt zum Auftakt der Sommersaison
Statue auf Opatija Foto: Pixabay

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Die Touristen sind an Kroatiens Küste zurückgekehrt, doch Corona-Sorgen überschatten auch an der Adria die Hoffnung auf eine gute Saison.

Hell gleißt die Sonne über den strahlend blauen Fluten. Die Dächer von Split verschwinden allmählich am Horizont. Fische springen. Eine einsame Möwe kreischt, während das Fährschiff von Kroatiens staatlicher „Jadrolinija“ gemächlich durch Dalmatiens malerische Inselwelt in Richtung Süden tuckert.

Corona scheint weit weg, doch ist auch an Bord der „Petar Hektarovic“ allgegenwärtig. „Tragen Sie Masken, schützen Sie sich und andere“, so die halbstündig wiederholte Botschaft aus den knarrenden Schiffslautsprechern. Die Kunde wird von den fröhlich schwatzenden Passagieren vernommen, aber kaum erhört. Ob auf dem Sonnendeck oder unter Deck in der Schiffskantine: Außer dem Personal haben sich nur wenige den lästigen Gesichtsschutz übergestreift.

„Willkommen!“: Lächelnd wuchtet der Taxifahrer im Hafen von Vis das Gepäck in seinen Kombi. Maske trägt der Mann im blau-weiß gestreiften T-Shirt zwar nicht. Doch dafür steuert er sein Gefährt in der flirrenden Mittagshitze mit geöffneten Fenstern über die Anhöhen der Insel.

Dubrovnik
Dubrovnik Foto: Pixabay

Weniger als das Virus beschäftigen den freundlichen Chauffeur die Aussichten für die begonnene Sommersaison. „Wir haben mehr Besucher als im letzten Jahr“, berichtet er, während er gekonnt durch die Haarnadelkurven der Serpentinen hinab zum Fischerstädtchen Komiza kurvt: „Aber so viele Touristen wie vor Corona werden auch in diesem Sommer nicht kommen.“

Wichtiger Fremdenverkehr

Fast jede vierte Kuna wird im Adria-Staat mit dem Fremdenverkehr verdient. Die Epidemie hatte Kroatiens Tourismussektor im letzten Jahr denn auch sehr hart gebeutelt. Gegenüber dem Rekordjahr 2019 schrumpfte der Umsatz der Branche im ersten Corona-Jahr um satte 54 Prozent, die Zahl der Gäste sank gar um fast zwei Drittel: Nicht zuletzt wegen der Einbrüche im Tourismus wurde der EU-Neuling 2020 von einem Minuswachstum von 8,4 Prozent gebeutelt.

Der Auftakt der diesjährigen Sommersaison lässt Kroatiens Gastronomen erneut Morgenluft wittern und auf bessere Zeiten hoffen. Über 700.000 ausländische Sonnensucher sind bereits wieder im Land, fast doppelt so viele wie vor Jahresfrist – die meisten kommen aus Deutschland, Slowenien, Tschechien, Polen und Österreich. Wenn sich der Trend fortsetze, sei in diesem Jahr wieder mit 60 Prozent des Vorkrisenumsatzes von 2019 zu rechnen, sagt in Zagreb Tourismusministerin Nikolina Brnjac dem Tageblatt: „Wir sehen Grund zum Optimismus – sofern alle epidemiologischen Maßnahmen befolgt werden.“

Strand in Komiza: Auch in der zweiten Corona-Saison herrscht kaum Gedränge an der Adria
Strand in Komiza: Auch in der zweiten Corona-Saison herrscht kaum Gedränge an der Adria Foto: Thomas Roser

Unablässig zirpen im Geäst der hohen Pinien die Grillen. Leise plätschern seichte Wellen an das steinige Gestade. Kinderlachen schallt über den in Komiza keineswegs überfüllten Strand. Den Widerspruch zwischen dem mäßigen Gästeandrang und den fast ausgebuchten Herbergen in Komiza erklärt Olivenölverkäuferin Ivenka mit den großzügigen Corona-Regelungen der Vermieter, die oft unverbindliche Reservierungen ohne die übliche Anzahlung anbieten: „Viele haben zwar reserviert. Doch selbst Engländer warten oft noch die Entwicklung ab – und stornieren ihre Buchung erst im letzten Moment.“

Noch im Frühjahr wusste niemand, ob die Saison überhaupt kommt. Und jetzt weiß niemand, wie sie wird.

Wirt Boris auf der Insel Vis

Nicht nur in Spanien und Portugal, sondern auch in der Türkei, Zypern und in immer mehr Regionen Griechenlands schlagen die Epidemiologen angesichts steil steigender Infektionszahlen wieder besorgt Alarm. In Kroatien ist die Sieben-Tage-Inzidenz mit derzeit 14,4 zwar weiterhin niedrig. Doch trotz der Rückkehr der Touristen wird die Hoffnung auf eine Erholung der Branche auch von Sorgen getrübt: Delta-Ängste überschatten den Auftakt der Sommersaison.

Die Corona-Sorgen der Konkurrenz erfüllen Kroatiens Tourismusbranche keineswegs mit klammheimlicher Freude, im Gegenteil. Spanien und Portugal müssten für Kroatien „eine Warnung“ sein, mahnt Kristijan Stanisic, der Direktor vom Tourismusverband HTZ, die strikte Einhaltung der Präventivmaßnahmen an: „Die Lage kann sich auch bei uns ändern.“

Es ist vor allem das erlahmte Interesse an den Impfungen, das Zagreb mit Sorgen erfüllt. Erst 37 Prozent der Kroaten sind zumindest einmal geimpft: Die Impfquote liegt damit deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 53 Prozent. Tourismusministerin Brnjac verweist indes nicht nur auf die umfassenden Präventivvorkehrungen, sondern auch auf Prioritätsimpfungen für die Branche in allen Küstenregionen. So seien im Hotelgewerbe bereits 80 Prozent das Beschäftigen geimpft: „Besucher können sich in Kroatien absolut sicher fühlen.“

Wenn Wochen über Millionen entscheiden

Tatsächlich sind die Infektionszahlen in dem bei Besuchern besonders beliebten Istrien mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von 1,4 weiter extrem niedrig. In Rovinj haben sich gar über 80 Prozent der Bevölkerung impfen lassen – die höchste Rate im Adriastaat.

Doch das Virus kennt kaum Grenzen. Und auf Dauer gehen Tourismus und soziale Distanz selten Hand in Hand. Spätestens im Herbst wird auch in Kroatien mit einem Wiederaufflackern der Epidemie gerechnet. Wenige Wochen früher oder später können über Millionenbeträge entscheiden. Nur wenn die Hauptsaison ohne ein Abrutschen in die rote Zone über die Bühne geht, sind die optimistischen Wachstumsprognosen der Regierung zu halten.

Die letzten Gläser werden geleert, die leeren Teller sind bereits abgeräumt. Schon vor Mitternacht macht Wirt Boris in der „Konoba Koluna“ Kassensturz. Im letzten Corona-Jahr hatte der gelernte Sportpädagoge sein Freiluftrestaurant erst gar nicht geöffnet. Nun hat er sich vor dem Sommer genauso wie seine in der Küche arbeitende Mutter zwar impfen lassen. Dennoch blickt der Gastronom der zweiten Corona-Saison auf Vis eher zweifelnd entgegen.

Erst sehr spät habe er im benachbarten Bosnien Saisonkräfte anheuern können und ob sich das auszahlen werde, wisse er nicht, berichtet er mit einem Achselzucken: „Noch im Frühjahr wusste niemand, ob die Saison überhaupt kommt. Und jetzt weiß niemand, wie sie wird.“