KommentarDas Dilemma der FDP – Wer heftig begehrt wird, kann auch viele nachhaltig enttäuschen

Kommentar / Das Dilemma der FDP – Wer heftig begehrt wird, kann auch viele nachhaltig enttäuschen
Christian Lindners FDP liegt in Umfragen bei soliden zwölf Prozent Foto: dpa/Sebastian Kahnert

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Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner verfolgt die Umfragen derzeit mit entspannter Miene. Seine Partei liegt in den Umfragen über die Institute hinweg um die zwölf Prozent. Die freien Demokraten sind derzeit, wie man es auch dreht und wendet, das Zünglein an der Waage.

Viele Koalitionsoptionen könnten nach dem 26. September möglich sein, der FDP-Chef zum Königsmacher werden. Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet könnte auf ihn für eine Jamaika-Koalition genauso angewiesen sein wie  SPD-Kanzlerkandidat  Olaf Scholz für eine Ampel aus SPD, Grünen und FDP. Und auch eine sogenannte Deutschlandkoalition aus Union, SPD und FDP wäre zumindest in der Theorie eine Option für den Bund.

Doch die Hochstimmung bei den Liberalen täuscht ein wenig darüber hinweg, dass der Tag nach der Wahl auch der Beginn einer verzwickten Lage sein könnte. Wer heftig begehrt wird, kann auch viele nachhaltig enttäuschen – und sich womöglich für die falsche Option entscheiden.

Der FDP-Chef könnte Königsmacher werden

Lindner und Laschet sind persönlich eng verbunden, sie schätzen und mögen sich. Die NRW-Koalition aus CDU und FDP mit nur einer Stimme Mehrheit, sie funktioniert reibungslos. Und doch: Christian Lindner wird sehr sorgfältig vorgehen müssen. Gelingt es der Union auf den letzten Metern doch noch, das Gespenst des Linksbündnisses glaubhaft an die Wand zu werfen, könnte das auch zulasten der FDP gehen. Weil man sich dann doch für die Union entscheidet. Der FDP-Chef hat sich früh auf einen Kanzler Laschet festgelegt, sieht zu Recht die meisten Übereinstimmungen mit der Union.

Doch es gibt andere Beispiele. In Rheinland-Pfalz etwa, wo die FDP mit der populären Ministerpräsidentin der SPD, Malu Dreyer, eine Ampel-Koalition eingegangen ist. FDP-Generalsekretär Volker Wissing, von Lindner geholt, ist dort Minister. Das wäre auch im Bund möglich, warnte jüngst etwa CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak.

„Lieber nicht als schlecht regieren“, sagte Lindner einst. Nochmal wird er sich und seiner Partei dieses Mantra nicht antun können. Dass er danach die FDP überhaupt wieder in eine Region über zehn Prozent geführt hat, ist ein großes Verdienst. Von ihm selbst, aber auch von einer guten Truppe in Partei und Fraktion. Und von einem Kurs in der Corona-Krise, der den Freiheitsgedanken konsequent verfolgte – meist ohne ins Populäre abzurutschen. „Mit der FDP sind und bleiben Steuererhöhungen ausgeschlossen“, hatte Lindner beim FDP-Parteitag gesagt. Wird er dieses Versprechen halten können? Daran gemessen werden – auch um den Preis, erneut in der Opposition zu landen?

Noch redet Lindner vom „theoretischen Konstrukt“ der Ampel. Was soll er gerade auch anderes sagen? Doch es könnte schnell eine sehr praktische Frage werden. Die für ihn und seine Partei zur Schicksalsfrage werden könnte.