Chinas Grenzprovinz spürt die Gefahr

Chinas Grenzprovinz spürt die Gefahr
Bedrohte Idylle in Yanji (Foto: Pixabay)

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In der chinesischen Grenzstadt Yanji zeigen Erdbeben an, wenn der Nachbar Nordkorea wieder Atomwaffen testet.

Auch wenn auf der Koreanischen Halbinsel erste Anzeichen auf Entspannung sichtbar werden, so schaut man in Yanji doch besorgt über die Grenze. In der chinesischen Grenzstadt zeigen Erdbeben an, wenn der Nachbar wieder Atomwaffen testet.

Von unserer Korrespondentin Violet Law

Che Yong hat schon immer die Angst vor einem nuklearen Angriff gespürt. „Ich habe mit dieser Bedrohung gelebt, schon als ich noch auf dem Gymnasium war“, sagt der 27-Jährige, der derzeit eine Doktorarbeit über koreanische Literatur schreibt. In den letzten Jahren sei es wieder schlimmer geworden. „Wo soll ich mich verstecken, wenn die Atombombe explodiert?“

Nahes Testgelände

Che spürt wie die anderen Einwohner der Stadt an der chinesischen Grenze zu Nordkorea die Spannungen auf der Koreanischen Halbinsel – und zwar buchstäblich. Wenn Nordkorea Atomwaffen testet, bebt in Yanji die Erde. Und wenn sich wie Anfang des Jahres der Krieg der Worte zwischen Washington und Pjöngjang wieder zuspitzt, dann bereiten sich die Einwohner Yanjis entsprechend vor.

So brachte die von der Kommunistischen Partei kontrollierte Tageszeitung Yanjis und der Provinz Jilin eine ganze Seite mit Tipps, wie man sich im Falle eines Atomangriffs verhalten sollte: „Schauen Sie nicht auf die Explosion, sondern suchen Sie nach einem Schutzobjekt, um sich dahinter zu verstecken“, empfahl die Zeitung. „Springen Sie in einen Fluss oder See und tauchen Sie unter Wasser.“

Letzteres ist schwierig in Yanji: In dieser eisigen Ecke im Nordosten Chinas frieren Flüsse und Seen den größten Teil des Winters über zu. Nordkoreanische Überläufer gehen über die zugefrorene Flussgrenze, um chinesischen Boden zu erreichen. Die Behörden hier führen sie routinemäßig in ihre Heimat zurück.

Schlecht auf den Ernstfall vorbereitet

Wenn aus dem Krieg der Worte ein echter wird, dann ist für die Bewohner Yanjis die Gefahr von Kollateralschäden groß. Das nächste unterirdische Testgelände für nordkoreanische Atomwaffen liegt gerade mal 100 Kilometer entfernt. In sozialen Medien in China wird bereits diskutiert, ob ein Atomkrieg in Korea zum Ausbruch eines aktiven Vulkans an der Grenze führen könnte. „Ich spüre, wie die Erde unter meinen Füßen bebt“, sagt Wang Li, die in einem Buchladen arbeitet. „Aber was soll ich tun? Ich kann die Stadt nicht verlassen. Meine ganze Familie ist hier.“

Die chinesische Regierung soll bereits vorsorglich mehrere „Flüchtlingssiedlungen“ entlang der Grenze errichtet haben. Aber womöglich kann sie im Ernstfall kaum helfen. „Die Behörden sind wahrscheinlich schlecht vorbereitet auf das, was nach der Explosion folgt“, sagt Robert Jacobs. Der Historiker und Spezialist für Nukleartechnologien an der japanischen Universität Hiroshima forscht daran, wie es den Überlebenden der beiden bisher einzigen Atombombenabwürfe ergangen ist. Das eigentliche Problem sei der radioaktive Niederschlag und das, was danach komme, sagt Jacobs.

Regierung will nicht über Gefahr reden

Die Grenzregion zu Nordkorea kennt Kriege zur Genüge. Nach der Besetzung durch das zaristische Russland kam die japanische Invasion; die Japaner zogen erst am Ende des Zweiten Weltkrieges ab. Aber ein Atompilz am Horizont, das ist etwas, worüber viele Chinesen nur ungern sprechen. „Die Regierung will nicht, dass wir darüber reden“, sagt Liu Xiaolong. „Es gibt nichts, was ich tun kann“, so der 65-Jährige.

Che will sich nicht damit zufriedengeben. Er nutzt andere Quellen, um sich über die nukleare Bedrohung zu informieren. Yanji gehört zur Autonomen Region der Koreaner in Nordchina. Ethnische Koreaner wie Che machen hier mehr als ein Drittel der lokalen Bevölkerung aus. Und wie die meisten Koreaner in der Gegend informiert auch er sich über Südkoreas Fernsehkanäle. „Damit haben wir einen besseren Zugang zu den Tatsachen“, sagt Che. „Nordkorea ist eine große Bedrohung für unsere Sicherheit.“