Regierungsbildung gescheitertBulgarien droht dritte Parlamentswahl des Jahres

Regierungsbildung gescheitert / Bulgarien droht dritte Parlamentswahl des Jahres
Der Chef der populistischen Protestpartei Slawi Trifonow schaffte es nicht eine Regierung zu bilden Foto: Handout/ 7/8 TV /AFP

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Erneut ist in Bulgarien eine Regierungsbildung gescheitert. Nachdem die populistische Protestpartei ITN im letzten Moment ihr Schattenkabinett zurückgezogen hat, droht dem Balkanstaat die dritte Parlamentswahl des Jahres: Der Urnengang könnte mit den Präsidentschaftswahlen im Herbst steigen.

Für die selbst verursachte Not sind auch beim EU-Sorgenkind Bulgarien immer die anderen schuld. Die Entscheidung der potenziellen Partner, das von ihm vorgeschlagene Kabinett nicht zu unterstützen, sei ein „Verrat“, polterte in dieser Woche Bulgariens selbst ernannter Staatserneuerer Slawi Trifonow, der Chef der populistischen Protestpartei ITN: „Wir werden keinerlei Schattenkabinett zur Wahl stellen, sondern in neue Wahlen ziehen.“

Mehrheitlich hat das Parlament den ungewöhnlichen Rücktritt des designierten ITN-Premiers Plamen Nikolow von seinem Regierungsauftrag am Donnerstag abgesegnet. Ansonsten sind in Sofia weiter keine Mehrheiten in Sicht. Die dritte Parlamentswahl des Jahres wird immer wahrscheinlicher.

„Persönliche Gründe“ führte Ex-Schattenpremier Nikolow für seinen Abtritt noch vor dem anvisierten Antritt an. Tatsächlich sind es politische Gründe und das merkwürdige Demokratie-Verständnis des eigenwilligen Trifonow, die den zweiten ITN-Versuch einer Regierungsbildung kläglich haben scheitern lassen: Obwohl die ITN als stärkste Partei nur ein Viertel der Abgeordneten im 240 Abgeordneten zählenden Parlament stellt, wollte sich bei der Bildung einer Minderheitsregierung von den etwaigen Partnern nicht reinreden lassen.

Sowohl bei der Parlamentswahl im April als auch beim erneuten Urnengang im Juli hatte die langjährige Regierungspartei GERB des rechtspopulistischen Ex-Premiers Bojko Borissow eine schmerzhafte Wählerquittung für die florierende Korruption im Balkanstaat erhalten. Gleichzeitig rutschten mit der ITN, der liberalen DB und der linkspopulistischen „Aufstehen“ gleich drei Protestparteien ins Parlament. Logisch wäre eine Minderheitsregierung der Protestparteien mit Tolerierung der sozialistischen BSP. Doch so klar der Wählerwille nach Veränderung scheint, so undeutlich ist der Weg zum Ziel: Die beiden kleineren Protestparteien können mit Entertainer Trifonow einfach auf keinen Nenner kommen.

Intransparente, im Hinterzimmer ersonnene „Einmann-Entscheidungen“ werfen DB und „Aufstehen“ dem ITN-Chef vor. Tatsächlich hatte der Sänger schon vor der Präsentation seines ersten, aber rasch von ihm wieder verworfenen Schattenkabinetts im Juli die potenziellen Partner nicht konsultiert. Erschwerend kommt hinzu, dass er die direkte Kommunikation mit den potenziellen Partnern, aber auch mit den Journalisten seinem Stellvertreter Toschko Jordanov überlässt: Mit der Öffentlichkeit kommuniziert der selbsterklärte Staatserneuerer, der selbst kein Regierungsamt anstrebt, ausschließlich über die sozialen Medien und seinen eigenen TV-Kanal.

Konservative GERB findet keine Partner

Nicht nur zweifelhafte Minister-Nominierungen wie einen mit Offshore-Projekten auf den Bahamas beschäftigten Anwalt oder einen bekennenden Soros-Gegner ließen DB, „Aufstehen“ und die BSP schon früh die Ablehnung der von Trifonow präsentierten Ministerriege signalisieren.

Das ITN-Kabinett wäre die „schwächste“ Regierung, die Bulgarien jemals gehabt habe, so DB-Chef Hristo Iwanow: „Das Beste, was wir sagen können, ist, dass wir diese Leute einfach nicht kennen.“ Es habe dem Schattenkabinett nicht nur an „respektablen“ Ministerkandidaten und einer klaren Prioritätenliste gemangelt, sondern auch an Garantien gefehlt, dass die neue ITN-Regierung nicht nur ein Deckmantel für die GERB und die als Oligarchenpartei verrufene DPS sei, begründete „Aufstehen“ seine Ablehnung.

Nach der gescheiterten Regierungsbildung der ITN wäre als zweitstärkste Partei nun eigentlich die GERB am Zug, die aber kaum Partner finden dürfte und in die Opposition will. Die Sozialisten wollen als drittstärkste Partei vorschlagen, die von Präsident Rumen Radew im Mai eingesetzte Übergangsregierung von Premier Stefan Janew dauerhaft die Amtsgeschäfte übernehmen zu lassen. Zwar soll dieser Vorschlag auch bei „Aufstehen“ Anklang finden. Doch vermutlich wird den ermatteten Bulgaren die erneute Neuwahl nicht erspart bleiben: Der eigentlich von niemandem gewollte Urnengang könnte zeitgleich mit den anstehenden Präsidentschaftswahlen im September steigen.