EU-Kommission / Brüssel droht Amazon & Co. mit Rekordstrafen
Die Europäische Union will Amazon, Facebook & Co. ein enges rechtliches Korsett anlegen. Zwanzig Jahre nach der ersten Richtlinie zum „E-Commerce“ legte die EU-Kommission gestern in Brüssel ein umfangreiches Gesetzespaket vor.
Mit dem neuen Regelwerk sollen die vorwiegend amerikanischen Internet-Giganten gezwungen werden, sich dem Wettbewerb zu stellen und „illegale“ Inhalte zu löschen. Bei Zuwiderhandlung drohen Milliarden-Strafen bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes oder eine Abspaltung von Geschäftsfeldern. Eine Zerschlagung der Online-Monopolisten, wie sie in den USA diskutiert wird, fordert die EU jedoch nicht. Die Konzerne sollen auch nicht strafrechtlich für unerwünschte Inhalte – Terror-Propaganda, Fake News oder illegale Kaufangebote – haftbar gemacht werden. Dies enttäuscht Verbraucherschützer. Demgegenüber warnen Internet-Aktivisten, dass die EU eine Zensur durch die Hintertür einführen könne und die umstrittenen Uploadfilter weiter vorantreibe.
„Unser Vorschlag richtet sich gegen niemanden“, sagte ein Kommissionsexperte. Man ziele nicht auf Amazon oder Facebook, sondern wolle dem Wohl der Verbraucher und der europäischen Wirtschaft dienen. Für Internet-Firmen aus der EU sollen die neuen Regeln genauso gelten wie für dominante US-Anbieter oder chinesische Newcomer. „Hier geht es nicht darum, Dominanz zu bewerten“, fügte der Experte hinzu. Dabei wurde genau um diese Frage bis zuletzt heftig gerungen.
Der französische Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton wollte die Vormacht der US-Giganten brechen und europäische Mitbewerber fördern – nach dem Motto „Europe first“. Demgegenüber setzt die dänische Wettbewerbs-Kommissarin Margrethe Vestager auf Fairness und Transparenz. Die Macht der digitalen Unternehmen bedrohe „unsere Freiheiten, unsere Chancen, sogar unsere Demokratie“, so Vestager – doch mit einer Zerschlagung sei keinem geholfen.
Das nun vorgelegte Gesetzespaket ist ein Kompromiss aus beiden Ansätzen. Es besteht aus zwei Teilen: dem Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) und dem Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA). Im DSA geht es vor allem um gesellschaftliche Fragen, im DMA ums Geschäft. Beide Gesetze sollen die nächste Dekade prägen – ähnlich wie die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) von 2016, die globale Standards gesetzt hat.
Konkret schlägt die EU-Kommission vor, dass die Plattformen ihre eigenen Produkte bzw. Apps nicht gegenüber anderen bevorzugen dürfen, etwa auf dem Android-Smartphone. Die bisher gängige Praxis, das Deinstallieren von vorinstallierten Apps oder Software unmöglich zu machen, soll verboten werden.
Es droht die größte Lobbyschlacht aller Zeiten
Verstöße gegen die neuen Regeln sollen mit drastischen Sanktionen geahndet werden. Diese sollen laut Entwurf bis zu 10 Prozent des weltweiten Umsatzes ausmachen, was bei Amazon oder Google mehrere Milliarden Euro wären. Zudem soll Brüssel die Möglichkeit erhalten, einige Geschäftsfelder der „Gatekeeper“ abzuspalten oder zu veräußern, falls diese andersweitig nicht zum Einlenken bewegt werden können.
Das Europaparlament äußerte sich skeptisch. „Die neuen Regeln müssen dazu beitragen, die Verbreitung illegaler Inhalte und Hass im Netz zu stoppen“, sagte der EVP-Politiker Axel Voss. Dies sei noch nicht hinreichend gesichert. Nötig seien EU-weite Standards dafür, wie Facebook oder Twitter mit illegalen Inhalten umgehen.
Es gehe darum, „die Marktmacht der Monopole zu brechen und deren Geschäftsmodell zu ändern“, fordert dagegen Linken-Fraktionschef Martin Schirdewan. Für den Piraten Patrick Breyer fällt der Vorschlag viel zu „industrienah“ aus. Die EU müsse ihre Bürger „vor Überwachungskapitalismus und Internetzensur schützen“.
Das Parlament wird den Vorschlag der Kommission im kommenden Jahr ausführlich diskutieren und Änderungen vornehmen. Die Lobbyisten von Google und anderen US-Konzernen laufen sich schon warm, um die Europaabgeordneten in ihrem Sinne zu beeinflussen. 2021 drohe die größte Lobbyschlacht aller Zeiten, heißt es in Brüssel.
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Wird mal wieder ein Schuss in den Ofen. Amazon schmeißt dann lieber alle Drittanbieter raus.