Politischer Islam„Befreiungstheologe“ Khorchide predigt unbeirrt einen barmherzigen Islam

Politischer Islam / „Befreiungstheologe“ Khorchide predigt unbeirrt einen barmherzigen Islam
Der Islam-Wissenschaftler Mouhanad Khorchide

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Der unter Polizeischutz lebende Münsterer Islam-Wissenschaftler Mouhanad Khorchide lässt sich auch durch Morddrohungen nicht vom Streben nach einer Befreiung seiner Religion von „politischen Unterwerfungsstrukturen“ abhalten.

„Bei meiner Wohnung geht stündlich eine Polizeistreife vorbei, aber ich habe mich daran gewöhnt, so zu leben“, sagt der aus Beirut stammende Leiter des Zentrums für Islamische Theologie der Universität Münster. Der Österreicher ortet sogar eine positive Entwicklung. Die Zahl der Morddrohungen hat etwas abgenommen. „Es gab Zeiten, da bekam ich bis zu 50 am Tag. Jetzt sind es weniger, weil es sich herumgesprochen hat, dass die Polizei bei Drohungen in sozialen Medien automatisch Anzeige erstattet.“

Die nach wie vor bestehende Drohkulisse schreckt den 49-Jährigen nicht. Im Gegenteil: „Es macht Mut, weiterzumachen. Ich sag’ mir: Jetzt erst recht.“ Und, so Khorchide zum Tageblatt: „Die Wahrscheinlichkeit, dass man sich mit Corona infiziert, ist höher, als dass ein Verrückter etwas anstellt.“

Die Probleme handelte sich Khorchide mit seinen Plädoyers für einen aufgeklärten Islam ein. 2012 sorgte sein Buch „Islam ist Barmherzigkeit. Grundzüge einer modernen Religion“ für heftige Proteste offizieller, oft stockkonservativer Muslimverbände wie dem Koordinationsrat der Muslime in Deutschland oder der türkischen Religionsbehörde Diyanet. Seither steht Khorchide unter Polizeischutz.

Kürzlich präsentierte er mit dem Buch „Gottes falsche Anwälte. Der Verrat am Islam“ (Herder-Verlag) sein nach eigener Einschätzung „wichtigstes Werk, weil es die politischen Unterwerfungsstrukturen im Islam sachlich analysiert und dekonstruiert“.

Manipulierte Islam-Version

Denn beim Islam, wie er sich heute präsentiere, „handelt es sich um eine manipulierte Version dieser Religion“. Khorchides Ziel ist „die Befreiung des Religiösen von den politischen Machtansprüchen und des Politischen von den religiösen Machtansprüchen“, einer im politischen Islam gipfelnden Vermischung. Diesen definiert Khorchide als „Versuch, unsere Gesellschaft umzustrukturieren nach Werten, die im Widerspruch zur freiheitlich-demokratischen Ordnung stehen“. Das sei langfristig gefährlicher als gewalttätige Extremisten: Denn der politische Islam arbeite „subtiler als Salafismus, weil er nicht so sichtbar ist“. Es gehe nicht um Gewaltaktionen, sondern etwa um die Wiedereinführung patriarchalischer Strukturen oder das Infragestellen der Gleichberechtigung. Khorchide: „Unsere Werte werden ausgehöhlt, unsere Gesellschaft wird polarisiert.“ Konkret nennt er die Muslimbruderschaft, die sich subtil in der Gesellschaft zu etablieren versuche. Es gehe hier um „eine vergleichsweise kleinen Gruppe, die aber oft auch als Ansprechpartner für den Staat dient“. Das mache sie gefährlich.

Neue Konfrontationen mit offiziellen Muslimverbänden sind programmiert. Denn Khorchide leitet seit Kurzem den wissenschaftlichen Beirat der österreichischen Dokumentationsstelle Politischer Islam. Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) verweigert nicht zuletzt wegen seiner Berufung jegliche Kooperation mit dieser beim Integrationsministerium angesiedelten Institution. Für die IGGÖ ist Khorchide ein rotes Tuch, seit er 2008 für seine Dissertation an der Uni Wien 200 islamische Religionslehrer befragt und herausgefunden hatte, dass jeder Fünfte Demokratie für unvereinbar mit dem Islam hielt. Khorchide hat den „Verdacht, dass die Glaubensgemeinschaft vermutet, manche ihrer Institutionen seien auch von der Dokumentationsstelle betroffen“. Denn man wisse, „dass etwa die (rechtsextremen, Anm.) Grauen Wölfe durch die Türkische Föderation in der IGGÖ vertreten sind“.

Khorchides neuer Wiener Nebenjob erregt auch in Berlin Aufmerksamkeit. Trotz coronabedingt engem Terminkalender als Gesundheitsminister hat CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn den Münsterer Theologen eingeladen, um sich aus erster Hand zu informieren. Der Islam-„Befreiungstheologe“ sieht in der Dokumentationsstelle „eine Pionierarbeit für ganz Europa“. Seine Chancen auf künftig wieder mehr „Mutmacher“-Botschaften aus der islamischen Fundi-Ecke stehen also gut.

HTK
1. Oktober 2020 - 14.04

Ein "Befreiungstheologe" wäre für mich ein Mensch der die Welt von der Theologie befreit. Sowie die "Säulen" des Atheismus Dawkins,Harris,Hitchens usw. nicht Religionsfreiheit fordern,sondern Freiheit von Religion. Die drei Buchreligionen(aber auch viele andere) sind nun einmal nicht "friedlich",ja sie sind sich noch nicht einmal einig unter Glaubensgenossen. Die Geschichte lügt nicht und auch heute schlagen die Friedensbrüder sich gegenseitig die Köpfe ein. Gott sieht alles.