CoronaAuf dem Balkan sind Impfmuffel selbst mit Prämien kaum zum Nadelgang zu bewegen

Corona / Auf dem Balkan sind Impfmuffel selbst mit Prämien kaum zum Nadelgang zu bewegen
Impfung in einem Einkaufszentrum in Belgrad Foto: Vladimir Zivojinovic/STR/AFP

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Wilde Verschwörungstheorien und Quacksalber haben in Südosteuropa stets Konjunktur. Doch auch wegen des tief sitzenden Misstrauens gegen Behörden und Staat ist der Balkan seit Jahren zu einer Hochburg der Impfgegner avanciert.

Das Impfstoff-Angebot übertrifft in Serbien die immer schwächere Nachfrage. 3.000 Dinar (25 Euro) hat der allgewaltige Präsident Aleksandar Vucic all denjenigen Landeskindern gelobt, die sich mindestens einmal impfen lassen. Doch weder durch Prämien noch durch angedrohte Krankengeldstreichungen lassen sich die Impfmuffel locken: Das Impftempo beim einstigen Impfvorreiter flacht immer stärker ab.

Serum gibt es dank der Impfbruderhilfe von China und Moskau zwar genug. Doch die Willigen sind längst geimpft. Und die Skeptiker sehen angesichts sinkender Infektionsraten erst recht keine Notwendigkeit zum Nadelgang.

Wies der EU-Anwärter im März noch die zweithöchste Impfquote Europas auf, liegt der Anteil derjenigen, die mindestens einmal geimpft worden sind, inzwischen unter dem EU-Mittel. „Die Zahl der Impfungen ist im Fall“, titelt besorgt die Zeitung Danas. Tatsächlich sitzt die schon vor der Corona-Epidemie sehr ausgeprägte Impfskepsis gerade bei jüngeren Serben besonders tief: Nur 12 Prozent der 18- bis 30-Jährigen haben sich bisher impfen lassen.

Faktencheck kaum verbreitet

Verschwörungstheorien haben im Südosten stets Konjunktur. Aber auch wegen des tief sitzenden Misstrauens gegenüber dem eigenen Staat ist der Balkan zu einer Hochburg der Impfgegner avanciert. Faktencheck-Initiativen zur Überprüfung von Falschinformationen sind in den kleineren Staaten Ost- und Südosteuropas kaum verbreitet. In Bulgarien, in Serbien oder Nordmazedonien erschweren zudem die kyrillischen Lettern die Nutzung von den meist für lateinische Schriftzeichen entwickelten Programmen zum Facebook-Check.

Laut einer schon vor Corona verfassten Studie von 2018 ist das Vertrauen in Impfungen nirgendwo in der EU so gering wie beim jetzigen Impfschlusslicht Bulgarien. Auch wieder vermehrt auftretende Masernepidemien in der Region zeugen vom schwindenden Impfschutz – und dem Vormarsch der Impfskeptiker.

Nicht nur sozial schwache Bevölkerungsgruppen wie die Roma weisen einen sinkenden Immunisierungsgrad auf. Misstrauisch stehen auch akademische Anhänger der sogenannten alternativen Medizin den Schutzimpfungen gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) gegenüber: Vor allem in Serbiens Großstädten lassen junge Eltern ihre Kinder zunehmend nachlässiger impfen.