Auch Scheidungen können gefeiert werden

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Von unserem Korrespondenten Thomas Roser

Nicht nur in westeuropäischen Breiten, sondern auch auf dem eher traditionellen Balkan verliert die Institution der Ehe zunehmend an Strahlkraft. Mit einem rauschenden Fest hat eine serbische Großmutter ihre „Perlenscheidung“ nun als Tag ihrer Befreiung gefeiert.

Die munteren Bläser dürfen bei keiner serbischen Hochzeit fehlen. Doch Passanten und geladene Gäste staunten nicht schlecht, als die serbische Frührentnerin Mijrana Milovanic am Wochenende ganz in Weiß und zu scheppernden Blechklängen im zentralserbischen Jagodina zur ausgelassenen Feier des 30. Jahrestags ihrer Scheidung bat.

„Leute, ich feiere 30 Jahre Freiheit!“, krähte die in einem weißen Oldtimer-Cabriolet vorgefahrene Jubilarin fröhlich, bevor sie im Blitzlichtgewitter der Fotografen ihr weißes Blumenbouquet ausgelassen über ihren Kopf in die Schar vermeintlicher Scheidungsaspiranten warf. Ihre Ehe sei jahrelang „chaotisch und nicht gut“ gewesen, bekannte die 63-jährige Großmutter am bis in die Nacht gefeierten Tag ihrer „Perlenscheidung“ den Berichterstattern der heimischen Medien: „Ohne Ehe geht es mir super. Für mich sind das 30 Jahre der Befreiung. Und das will ich feiern.“

Vucic warnt vor Aussterben der Serben

Nicht nur in westeuropäischen Breiten, sondern auch auf dem eher traditionellen Balkan verliert die Institution der Ehe zunehmend an Strahlkraft. Während Serbiens zum zweiten Mal verheirateter Präsident Aleksandar Vucic angesichts stark rückläufiger Geburtenraten die Nation eindringlich vor dem drohenden Aussterben warnt und seine Landsfrauen zum verstärkten Gebären gemahnt, sprechen die Bevölkerungsstatistiken eine sehr deutliche Sprache. Der Trend geht zu den – allerdings immer weniger geschlossenen – Lebensabschnittsehen: Auch in Serbien ist die Zahl der Scheidungen kräftig am Steigen.

Seit den 50er Jahren hat sich die Zahl der jährlich geschlossenen Ehen laut den Erkenntnissen des nationalen Statistikamts mehr als halbiert. Gleichzeitig ist die Haltbarkeitszeit der serbischen Ehen auf durchschnittlich 13,3 Jahre geschrumpft. Auf 1.000 neu geschlossene Ehen kommen mittlerweile bereits 250 Scheidungen – genau ein Viertel. Während die Gazetten fast täglich über blutige Familiendramen und Amokläufe gewalttätiger (Ex-) Ehemänner berichten, nehmen stets mehr ehemüde Serbinnen ihr Schicksal selbst in die Hand: Deutlich mehr Scheidungsanträge werden von Frauen als von Männern gestellt.

Scheidungsfest war schöner als die Hochzeit

Auf Mirjanas Festtagstorte zur „Perlenscheidung“ steckte die Figur des Bräutigams kopfüber mit dem Haupt in der Sahne. Auch dieser segelte über den Rücken der 30 Jahre glücklich Geschiedenen in die johlende Gästeschar. „Es ist besser, sich zu trennen, als in einer schlechten Ehe zu sein, denn darunter leiden auch die Kinder“, so der Ratschlag der Erfahrungsexpertin.

Nein, ihren Ex-Mann habe sie nicht eingeladen, obwohl der gerne gekommen wäre und das späte Scheidungsfest gar finanzieren wollte, so die Mutter zweier erwachsener Söhne: Doch bewusst haben sie den Tag ihrer Befreiung nur mit ihrer Familie und ihren Freunden feiern wollen. Statt Geschenke hatte die Jubilarin um Spenden zur Unterstützung notleidender Familien gebeten. Das rauschende Scheidungsfest sei merklich besser als ihre eiskalte Hochzeit gewesen, berichtete die Gastgeberin hernach zufrieden: „Wir feierten damals im Winter im Zelt: Schon die Hochzeitsfeier war ein wahre Katastrophe.“