IndopazifikAsia Power Index zerstreut den Mythos des dominanten Chinas

Indopazifik / Asia Power Index zerstreut den Mythos des dominanten Chinas
Ende der Neujahr-Feierlichkeiten in Schanghai: China ist vor allem auch viel Repression Foto: AFP/Hector Retamal

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Im Asia Power Index bewertet das australische Lowy Institut die Macht von 26 Ländern und Territorien in der indopazifischen Region. Das Ergebnis der diesjährigen Auswertung überraschte sogar die Analysten: Chinas Macht hat durch die selbstgewählte Isolation abgenommen, die USA gewinnen auf voller Länge. Doch auch andere Länder überraschen.

Der Aufstieg Chinas, die Neuordnung der Welt – unzählige Artikel wurden in den vergangenen Jahren über das Reich der Mitte und seinen enormen wirtschaftlichen Erfolg geschrieben. Auf Wikipedia ist „chinesisches Jahrhundert“ bereits ein eingetragener Begriff und bezeichnet „die Vorstellung, dass das 21. Jahrhundert geopolitisch und wirtschaftlich von der Volksrepublik China als Supermacht dominiert sein wird“. Doch der aktuelle Asia Power Index, der zum inzwischen fünften Mal vom Lowy Institut, einem in Sydney ansässigen Thinktank, herausgegeben wird, liefert ein überraschendes Ergebnis. Demnach forderte Chinas selbst auferlegte Isolation und die Null-Covid-Politik einen hohen Tribut, wie es vonseiten des Lowy Instituts heißt. „Angetrieben von Chinas Konnektivitätsverlust haben die Vereinigten Staaten den ersten Platz in der Messung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zurückerobert.“

Auch insgesamt geht der Top-Spot in diesem Jahr erneut an die USA. „Seit der Einführung des Power-Index im Jahr 2018 stehen die USA jedes Jahr an der Spitze des Index“, sagte Susannah Patton, die Projektleiterin des Index. „Ich denke, das überrascht viele Leute, weil sie davon ausgegangen sind, dass China die Vereinigten Staaten bereits überholt hat.“ Doch die Wirklichkeit sieht laut der Expertin anders aus: Demnach haben die USA in Asien immer noch viele Vorteile, die China zum Beispiel nicht hat. Die US-amerikanischen militärischen Fähigkeiten würden immer noch die von China übertreffen, erklärte Patton. „Die US-Verteidigungsnetzwerke, ihre Beziehungen zu Verbündeten und Partnern gehen immer noch weit über das hinaus, was China aufweisen kann.“

Keine Entwarnung für Taiwan

Chinas Vorteil konzentriere sich auf den Bereich der wirtschaftlichen Beziehungen mit der Region, auf Handel und Investitionen. „Das ist sicherlich ein Vorteil, aber nicht genug, um China insgesamt vor die USA zu bringen“, schlussfolgerte Patton. Allerdings glaube sie nicht, dass man aus den Ergebnissen des Machtindex schließen dürfe, dass China nicht alles tun werde, was es für notwendig halte, um seine Interessen in Taiwan zu schützen. Letzteres habe auch die russische Invasion in der Ukraine bereits gezeigt.

Trotzdem zeigt der Machtindex laut Patton, dass China in Asien nicht so dominant sein wird, wie vielleicht einige einst befürchtet haben. Die Idee, dass China weiterhin um sieben Prozent pro Jahr wachsen und eine Wirtschaft werden würde, die größer sei als die Vereinigten Staaten, Europa und die US-Verbündeten zusammen, dieser „Mythos“ könne zerstreut werden. „Chinas Wirtschaftswachstum hat sich verlangsamt, es steht vor einigen sehr grundlegenden strukturellen Herausforderungen“, sagte Patton. Zu diesen Herausforderungen gehören der Bevölkerungsrückgang, aber auch eine geringere Produktivität und eine weniger günstige Demografie als die USA sie beispielsweise haben.

Auch Indien und Japan enttäuschen

Der Asia Power Index wurde erstmals 2018 veröffentlicht. Er bewertet das Machtgleichgewicht in Asien anhand von 133 Indikatoren in acht thematischen Maßnahmen: militärische Fähigkeiten und Verteidigungsnetzwerke, wirtschaftliche Fähigkeiten und Beziehungen, diplomatischer und kultureller Einfluss sowie Resilienz und zukünftige Ressourcen.

Neben dem unerwarteten Machtverlust Chinas kam der Index auch zu dem Ergebnis, dass Indien „einen lückenhaften Beitrag zum regionalen Gleichgewicht“ leistet. „Es ist diplomatisch einflussreich und hat günstige demografische Aussichten“, hieß es in einem Bericht zum Index. Der Einfluss des Landes konzentriere sich jedoch auf seine unmittelbare Nachbarschaft, die Wirtschaftsbeziehungen zum Rest Asiens seien dagegen schwach. Auch Japans „Smart Power“-Einfluss nimmt demnach rapide ab, da strukturelle Faktoren den relativen regionalen wirtschaftlichen Einfluss des Landes sowohl in Bezug auf Handel als auch auf Investitionen untergraben. Deswegen würde sich Japan deutlich langsamer als gedacht zu einem wichtigen Verteidigungs- und Sicherheitsakteur in Asien entwickeln.

Indonesien als aktivster diplomatischer Akteur

Die Covid-19-Pandemie hat fast allen Ländern in der Region einen schweren Schlag versetzt, wie die Auswertung des Lowy Instituts ergab. Die Mittelmacht Australien sei als eines der wenigen Länder relativ „unbeschadet aus den drei Pandemiejahren“ hervorgegangen. Auch Südostasien ist – mit Ausnahme des von Konflikten zerrissenen Myanmars – laut des Index „dynamischer als je zuvor“. Indonesien, das zuletzt Gastgeber des G20-Gipfels war und sich auch als Friedensstifter im Ukraine-Krieg versucht hat, würde zu den aktivsten diplomatischen Akteuren der Region gehören, hieß es. Auch kleinere Länder wie Kambodscha und Brunei würden durch den erfolgreichen ASEAN-Vorsitz – Letzteres ist der Verband südostasiatischer Nationen – ein verbessertes Ansehen genießen.

Überraschend ist vielleicht, dass Russland nach wie vor als fünftwichtigste Macht Asiens im Index rangiert. Allerdings verzeichnet das Land – aufgrund des Angriffskrieges in der Ukraine – bei sieben von acht Indexmesswerten rückläufige Werte, insbesondere in der Kategorie „Diplomatischer Einfluss“. Deswegen kommen die Experten des Lowy Instituts zu dem Schluss, dass Russland trotz seiner alten Verteidigungsbeziehungen mit Asien riskiert, in den kommenden Jahren in zunehmende Bedeutungslosigkeit zu verfallen.