DeutschlandAnnelies Blom erforscht den Einfluss der Corona-Krise auf die Menschen

Deutschland / Annelies Blom erforscht den Einfluss der Corona-Krise auf die Menschen
Annelies Blom sagt, das subjektive Ansteckungsrisiko sei „deutlich zurückgegangen“ Foto: Uni Mannheim/Leah Kratschmann

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Die Mannheimer Wissenschaftlerin Annelies Blom leitet ein Forschungsprojekt zum Einfluss der Corona-Krise auf den Menschen. Jede Woche nehmen über 3.500 Personen an der Studie teil. Erste Ergebnisse zeigten, so die Professorin zu unserer Redaktion, dass die Bereitschaft sinke, sich an Einschränkungen zu halten.

Tageblatt: Frau Blom, lässt die Bereitschaft der Bürger nach, sich an die Corona-Regeln zu halten?

Annelies Blom: In der Tat sehen wir, dass die Menschen sich inzwischen deutlich anders verhalten. Sie schränken sich weniger ein. So haben wir zu Beginn unserer Studie am 20. März und in den Wochen danach eine deutliche Abnahme der persönlichen Kontakte registriert. Seit Ostern ist das klar anders.

Danach gab es erste Lockerungen.

Richtig. Aber nicht nur sie spielen eine Rolle. Schon als die Politik damit begann, über Lockerungen zu debattieren, ging zugleich die Bereitschaft zurück, sich an Einschränkungen zu halten. Seit Ostern sehen wir dann, dass von Tag zu Tag und Woche zu Woche die Anzahl der persönlichen Kontakte trotz Kontaktbeschränkungen zunimmt.

Hat sich auch die Akzeptanz von anderen Maßnahmen verändert?

Eindeutig. Bei der Schließung von Schulen, Kitas und Universitäten war die Akzeptanz anfänglich bei über 90 Prozent. Auch hier hat sich das mit Beginn der Diskussionen in der Politik und in den Medien klar verändert. Was wir noch festgestellt haben: Die Angst der Menschen hat deutlich abgenommen – und das in allen Bevölkerungsschichten. Auch das Gefühl der Bedrohung durch Corona, was ja noch mal etwas anderes ist.

Die Infektionsraten sinken. Damit dann auch die Ängste?

Das ist Spekulation. Es könnte auch sein, dass wir uns mehr und mehr an die Situation gewöhnen und sie als weniger bedrohlich wahrnehmen. Falls in ein paar Wochen die Infektionszahlen wieder steigen, werden wir sehen, ob auch Ängste und das Bedrohungsgefühl wieder anwachsen.

Welche Maßnahmen treffen nach wie vor auf große Zustimmung?

Es wird zwar viel darüber berichtet, ob die Bundesliga wieder starten soll, aber was Großveranstaltungen ab 100 Teilnehmern angeht, haben die Bürger eine eindeutige Meinung: Nach wie vor ist die Zustimmung zum Verbot konstant und mit 90 Prozent extrem hoch.

Wie steht es um die Hygieneregeln?

Direkt dazu haben wir keine Erkenntnisse. Aber wir untersuchen, für wie wahrscheinlich es die Menschen halten, dass jemand wie sie sich in den nächsten sieben Tagen anstecken wird. Wir sehen, dass dieses subjektive Ansteckungsrisiko, das vor zwei Monaten noch stark überschätzt wurde, inzwischen deutlich zurückgegangen ist. Interessanterweise ist die Sorge, im Krankenhaus behandelt werden zu müssen, wenn man sich ansteckt, konstant geblieben. Menschen scheinen gut zu wissen, ob sie zur Risikogruppe gehören.

Viel ist ja über das Home-Office gesprochen worden. Wie begeistert sind die Deutschen davon?

Die Frage lässt sich so nicht beantworten. Ohnehin wird über dieses Thema viel berichtet, obwohl es nur etwa ein Viertel der Erwerbstätigen betrifft. Vielen Menschen ist es nicht möglich, im Home-Office zu arbeiten, bei ganzen Berufszweigen geht das gar nicht. Leider sehen wir hier starke soziale Ungleichheiten, denn nur etwa zehn Prozent der Erwerbstätigen mit niedriger Schulbildung, aber 40 Prozent derer mit Abitur arbeiten derzeit im Home-Office.