Deutschland / Analyse: Pandemiebekämpfung im Gewirr der Zuständigkeiten

Maisfeld-Labyrinth in Form eines Coronavirus in der Nähe von Dortmund: Um aus dem Gewirr der Zuständigkeiten in der Pandemiebekämpfung herauszufinden, bräuchte es einen Krisenstab
Wer seinen Dienst in einer öffentlichen Verwaltung aufnimmt, bekommt zu Beginn meist zwei wichtige Papiere in die Hand gedrückt: ein Organigramm mit vielen Schächtelchen. Und eine Aufgabenbeschreibung für den eigenen Bereich. Nichts ist der deutschen Verwaltung heiliger als die Zuständigkeit. Bei der Pandemiebekämpfung zeigt sich die Kehrseite dieser Methode in voller Schönheit. Es fehlt sowohl an koordiniertem als auch an vorausschauendem Handeln.
Nicht nur, dass es den Bund und die 16 Länder gibt, die sich um Zuständigkeiten streiten, auf jeder dieser Ebenen gibt es noch Gesundheits-, Innen-, Bildungs-, Finanz- und andere Ministerien, die alle eine wichtige Rolle spielen. Aber eben jeder für sich. Wenn die eine Ebene zum Beispiel Maskenpflicht empfiehlt, hat die andere Ebene die Masken noch lange nicht besorgt und die dritte keine Vorkehrungen getroffen, die Pflicht auch durchzusetzen. Und dann sind da noch Tausende Verwaltungen von Landkreisen und Kommunen, die alle ebenfalls unterschiedlich handeln können.
„Was wir schon jetzt dringend brauchen, ist ein Pandemierat“, sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt am Wochenende. Man könnte ihn auch Krisenstab nennen. Ein Gremium aus Vertretern der wichtigsten Ministerien, dazu Epidemiologen und Kommunikationsexperten, die die Lage ständig beobachten, analysieren und der Regierung Empfehlungen geben. Dieser Pandemierat müsste direkt in der Entscheidungszentrale, beim Kanzleramt, angesiedelt sein.
Viel hätte sich voraussehen lassen
Im Bund gibt es zwar das „Corona-Kabinett“ unter Vorsitz von Angela Merkel, das jedoch nur in der Lockdown-Phase regelmäßig getagt hat. Seit Mai ist man nicht mehr zusammengekommen. Überhaupt sind die zu Beginn der Pandemie geschaffenen Arbeitsstrukturen nie verändert und mit den Erfahrungen angepasst worden. Ein im Februar ernannter Krisenstab von Innen- und Gesundheitsministerium hat eher die Aufgabe, Beschlüsse des Kabinetts umzusetzen, als es zu beraten. Hier telefonieren Beamte beider Ressorts gelegentlich miteinander und informieren sich gegenseitig.
Effektive, ständig tagende Krisenstäbe in Bund und Ländern könnten zwar keine Entscheidungen treffen, wohl aber Empfehlungen geben, die dann auch Gewicht hätten. Und sie könnten, das ist das Wichtigste, auch vorausschauend handeln, wie eine Art Frühwarnsystem. Daran mangelt es.
Dass der Sommer kommt, dass gereist werden wird, dass es vermehrt Familientreffen und Partys gibt, dass viele Migranten in ihre Heimatländer fahren, all das hätte man vorher wissen können. Und sich entsprechend vorbereiten. Mancher Kommunikationsfehler ließe sich so vermeiden, die Akzeptanz von Entscheidungen erhöhen. An dieser Stelle ein Tipp: Herbst und Winter stehen vor der Tür. Und mit ihnen mehr Treffen in geschlossenen Räumen. Weihnachtsmärkte, Skiurlaube, eine Grippesaison.
Teilweise in Routine erstarrt
Für die Länder gilt das Gleiche. Auch dort murkst weitgehend jede Ebene vor sich hin, teilweise in Routine erstarrt. Dass nach dem Sommer wieder die Schule anfangen würde, hatten einige Bildungsminister nicht wirklich auf dem Schirm. Erst wenn die Infektionszahlen hochschießen, gibt es hektisch Telefonschaltkonferenzen und Sondersitzungen. So wie am letzten Donnerstag mit der Kanzlerin.
Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder dämmerte jüngst – mehr als ein halbes Jahr nach dem Ausbruch von Corona und mitten im Ärger um die Testung von Reiserückkehrern –, dass es so nicht weitergeht: „Es wäre mal gut, wenn wir versuchen, jetzt ein langfristiges Management zu entwickeln“, sagte er letzte Woche. Es würde jedenfalls nicht schaden.
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