NahostAlle zeigen Härte: Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern am Siedepunkt

Nahost / Alle zeigen Härte: Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern am Siedepunkt
Schutzsuchende in Israel  Foto: AFP/Jack Guez

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Tote auf beiden Seiten und Ankündigungen von mehr Härte. Ein Ende der Gewalt ist nicht in Sicht im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern.

Raketen auf Israel, israelische Luftangriffe im Gazastreifen, Tote auf beiden Seiten: Allen internationalen Aufrufen zur Mäßigung zum Trotz ist der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern am Dienstag weiter eskaliert. Nach dem Tod zweier Israelinnen durch Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen kündigte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu noch mehr Härte an, die Hamas antwortete wiederum mit Raketen auf Tel Aviv. Ein Ende der Gewalt ist nicht in Sicht.

In einer Videobotschaft kündigte Netanjahu an, die Angriffe auf das Palästinensergebiet weiter zu verstärken. Seit Montag habe die israelische Armee schon hunderte Angriffe gegen die militanten Palästinenserorganisationen Hamas und Islamischer Dschihad gestartet, sagte Netanjahu.

Nun werde die Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert, „in einer Art und Weise getroffen werden, die sie nicht erwartet“. „Wir haben Kommandeure ausgeschaltet, viele wichtige Ziele getroffen, und wir haben beschlossen, härter anzugreifen und das Tempo der Angriffe zu erhöhen“, drohte Netanjahu. Bereits zuvor hatte Verteidigungsminister Benny Gantz der Armee erlaubt, falls nötig 5.000 Reservisten zu mobilisieren.

Hochhaus zerstört

Am Abend wurde bei einem israelischen Luftangriff im Gazastreifen ein Hochhaus zerstört. Das zwölfstöckige Haus im Stadtzentrum von Gaza, in dem sich auch mehrere Büros der radikalislamischen Hamas befanden, stürzte vollständig ein. Auch mehrere benachbarte Gebäude wurden beschädigt. Über Tote oder Verletzte lagen zunächst keine Angaben vor.

Und Schutzsuchende im Gazastreifen
Und Schutzsuchende im Gazastreifen Foto: AFP/Mahmud Hamas

Die Antwort kam umgehend. Die Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert, feuerte zur Vergeltung nach eigenen Angaben 130 Raketen auf die israelische Großstadt Tel Aviv ab. Der Flugbetrieb am internationalen Flughafen Ben Gurion wurde vorsorglich eingestellt. In der Umgebung der Stadt sind zwei Menschen ums Leben gekommen. Nach Medienberichten kam in der Stadt Rischon Lezion eine Frau bei einem direkten Einschlag der Rakete ums Leben. Die Rettungsorganisation Zaka bestätigte den Todesfall.

In der Stadt Cholon südlich von Tel Aviv wurde am Dienstagabend ein Bus getroffen, er brannte aus. Erste Berichte über den Tod einer Frau bei diesem Zwischenfall wurden später nicht bestätigt. Mindestens sechs Menschen wurden bei dem Raketenangriff verletzt, wie die die Zeitung Times of Israel unter Berufung auf Rettungsdienste berichtete. Medienberichten zufolge ist später am Abend auch eine wichtige Ölpipeline im Süden Israels getroffen worden. Fernsehbilder zeigten einen großen Behälter, der in Flammen aufging. Die Leitung verläuft zwischen den Städten Aschkelon und Eilat.

Bereits zuvor waren nach Angaben der israelischen Armee mehr als 300 Raketen seit Montag aus dem Gazastreifen in Richtung Israel abfeuert worden. Etwa 90 Prozent von ihnen fing das israelische Abwehrsystem „Eiserne Kuppel“ ab. In der südisraelischen Stadt Aschkelon wurden aber zwei 65 und 40 Jahre alte Frauen durch den Raketenbeschuss getötet. Etwa 30 Menschen, darunter fünf Kinder, wurden verletzt.

Die radikalislamische Hamas hatte gedroht, in der rund 150.000 Einwohner zählenden Stadt ein „Inferno“ anzurichten, sollten bei israelischen Angriffen auf den Gazastreifen weitere Zivilisten getötet werden. In Aschkelon waren am Morgen laute Explosionen zu hören. Nach Angaben der Gemeinde trafen insgesamt fünf Geschosse bewohnte Gebiete. „Wir mussten uns im Schrank verstecken, weil es bei uns keine Schutzräume gibt“, berichtete die Shelly Belayev, deren Haus schwer beschädigt wurde.

Bei israelischen Angriffen auf Ziele im Gazastreifen wurden bis zum Nachmittag palästinensischen Angaben zufolge 28 Menschen getötet, darunter zehn Kinder. Rund 150 Menschen wurden demnach verletzt. Die israelischen Behörden betonten, die Angriffe richteten sich vor allem gegen militärische Ziele im Gazastreifen. Dabei seien 17 ranghohe Mitglieder militanter Palästinensergruppen getötet worden.

Verhallende Appelle

Im von Israel besetzten Westjordanland wurde nach palästinensischen Angaben ein Palästinenser von der israelischen Armee erschossen. Ein weiterer Palästinenser wurde demnach verwundet. Bei den Männern soll es um Mitglieder des palästinensischen Geheimdienstes gehandelt haben.

Trotz der schlimmsten Angriffe seit Jahren verhallten alle Appelle zur Zurückhaltung bislang ungehört. Auch Ägypten und Katar, die bereits in früheren Konflikten zwischen Israel und der Hamas vermittelt hatten, bemühten sich diplomatischen Quellen zufolge um eine Beruhigung der Lage. Der ägyptische Außenminister Sameh Schukri sagte jedoch bei einem Treffen der Arabischen Liga, Kairo habe sich intensiv bemüht, aber nicht die erwünschte Antwort erhalten.

In der Jerusalemer Altstadt wurde ebenfalls mit neuen Auseinandersetzungen gerechnet. Bei den heftigsten Zusammenstößen seit Jahren zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern in Ost-Jerusalem waren am Vortag etwa 520 Palästinenser und 32 Polizisten verletzt worden. Die Polizei erklärte, dass sie Unruhe oder Aufrufe zu Gewalt nicht zulassen werde. Polizeipräsident Kobi Schabtai sagte dem Senter N12 TV am Montag, die Beamten hätten bisher „zu viel Zurückhaltung gezeigt“. „Wir sind jetzt in der Phase, in der wir die Handschuhe ausziehen“. (AFP)