Frankreich216.000 Missbrauchsopfer in der katholischen Kirche

Frankreich / 216.000 Missbrauchsopfer in der katholischen Kirche
Der Kommissionsleiter Jean-Marc Sauvé geht davon aus, dass es weiteren Missbrauch von Minderjährigen in der katholischen Kirche in Frankreich gibt Foto: Thomas Coex/various sources/AFP

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Das Ausmaß sexueller Gewalt in der katholischen Kirche Frankreichs hat über die Landesgrenzen hinaus für Erschütterung gesorgt.

Etwa 216.000 Minderjährige wurden seit 1950 Opfer sexuellen Missbrauchs von Priestern und Ordensleuten, wie aus einem am Dienstag in Paris vorgestellten Bericht einer unabhängigen Untersuchungskommission hervorgeht. Die Zahl der Opfer steigt demnach auf 330.000, wenn Missbrauchstaten von Laien hinzugerechnet werden, die etwa in katholischen Schulen oder Jugendgruppen tätig waren. Der Papst zeigte sich bestürzt.

Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Eric de Moulins-Beaufort, nannte das Ausmaß der sexuellen Gewalt „unerträglich“. „Ich zeige hier meine Scham, mein Erschrecken und meine Entschlossenheit, zu handeln“, sagte er. „Ich möchte um Verzeihung bitten“, fügte er mit Blick auf die Opfer hinzu. Die Bischofskonferenz hatte den Bericht gemeinsam mit der Konferenz der Ordensleute in Auftrag gegeben und öffentlich in Empfang genommen.

Papst Franziskus sprach von einer „entsetzlichen Realität“. Er denke „mit unermesslichem Schmerz“ an das Leid der Opfer, erklärte sein Sprecher Matteo Bruni. Der Papst danke den Betroffenen für „ihren Mut“, über die Taten zu sprechen, und hoffe, dass die katholische Kirche in Frankreich „den Weg der Erlösung einschlagen kann“.

80 Prozent der Opfer waren Jungen

„Endlich verschaffen Sie den Opfern die institutionelle Anerkennung der Verantwortung der Kirche – wozu Bischöfe und Papst bislang nicht in der Lage waren“, würdigte François Devaux, Mitbegründer einer Opfervereinigung in Paris, die Ergebnisse der Untersuchungskommission. Die deutsche Betroffeneninitiative Eckiger Tisch begrüßte ebenfalls den Umfang der Recherchen. „Das fehlt uns in Deutschland dank des hinhaltenden Widerstands der deutschen Kirchen immer noch“, hieß es in einer Erklärung.

Die Untersuchungskommission verwies auf das bislang nicht bekannte Ausmaß des Missbrauchs. „Diese Zahlen sind erschreckend und dürfen auf keinen Fall folgenlos bleiben“, sagte Kommissionsleiter Jean-Marc Sauvé. Etwa 80 Prozent der Opfer seien Jungen gewesen, die meisten im Alter zwischen 10 und 13 Jahren. Sexuellen Missbrauch gebe es auch in anderen Institutionen. Aber die katholische Kirche sei nach Familien- und Freundeskreisen „das Milieu, wo sexuelle Gewalt am häufigsten vorkommt“, betonte Sauvé.

Aber man muss sich von der Idee verabschieden, dass das Problem beseitigt sei. Das Problem besteht fort.

Jean-Marc Sauvé, Kommissionsleiter

Die Kommission kritisierte den Umgang der katholischen Kirche mit den Opfern scharf. „Bis Anfang der 2000er Jahre gab es eine totale und grausame Gleichgültigkeit gegenüber den Opfern“, sagte Sauvé. Den Betroffenen sei nicht geglaubt oder ihnen unterstellt worden, selber beteiligt gewesen zu sein. Es sei nur in seltenen Fällen eine Entschädigung gezahlt worden – und dann auch nur, um das Schweigen zu erkaufen, sagte Sauvé. „Die Kirche hat es nicht sehen oder wissen wollen“, betonte er.

Bis zu 3.200 Täter

Mehr als die Hälfte der Fälle sei zwischen 1950 und 1969 passiert. Die Zahl der Übergriffe sei in den vergangenen Jahren zurückgegangen. „Aber man muss sich von der Idee verabschieden, dass das Problem beseitigt sei. Das Problem besteht fort“, betonte Sauvé.

Die Kommission geht von mindestens 2.900 bis 3.200 Tätern im Zeitraum von 1950 bis 2020 aus. Dies sei lediglich eine „minimale Schätzung“, da viele Fälle nicht bekannt geworden seien.

Die Untersuchungskommission empfiehlt der Kirche, alle Opfer als solche anzuerkennen, auch jene, deren Fälle verjährt sind. Es müsse Entschädigungen geben. Dies seien „Schulden, die gezahlt werden müssen“, sagte Sauvé, ohne Zahlen zu nennen. Zudem müssten das Kirchenrecht und die Ausbildung der Priester reformiert werden. Sie kritisiert die Überhöhung des Priesterbildes, das zu „Machtmissbrauch“ verleite. Die Kommission hatte in den vergangenen zweieinhalb Jahren zahlreiche Opfer und Angehörige befragt.

HTK
6. Oktober 2021 - 14.51

@T-Josy, es geht auch ohne die Worte Christi,Allahs oder Jawes. Dass man nicht töten,stehlen usw.soll kann man auch ohne Wundergeschichten lernen und lehren. Wenn aber durch die Dogmen und menschenfeindlichen Ansichten einer Religion Menschen(hier eben Priester) dazu verführt werden unter dem Druck ihrer sexuellen Begierden zusammenzubrechen und andere zu schänden,dann hört der Spaß auf und man sollte nicht mehr von Religionsfreiheit reden sonder von Freiheit von Religion. Und wir reden noch nicht einmal von den rituellen Gebräuchen wie Infibulation oder Beschneidung usw. Das kann kein Gott wollen der sich so nennen will. Wobei wir wieder beim Menschen wären.

Robert Hottua
6. Oktober 2021 - 12.09

"Die katholische Kirche und viele andere Institutionen, wie zum Beispiel Kinderheime, müssen sich nun aber den Fragen stellen und eine aktive Vergangenheitsbewältigung in ihrem eigenen Interesse betreiben", unterstrich Mill Majerus am Donnerstag. Das "Centre Hospitalier Neuro-Psychiatrique" in Ettelbrück (CHNP) will, laut Majerus, mit der Universität Luxemburg zusammen, eine Studie über mögliche Missbräuche in den eigenen Reihen erstellen. Die Kontaktstelle ist der Versuch einer moralischen Instanz, verloren gegangenes Vertrauen mühsam wiederzugewinnen. Dies mag begrüßenswert sein, ist aber nicht mehr als ein erster Schritt von einem langen Weg. (…) (Tageblatt, 01.04.2010) MfG Robert Hottua

trotinette josy
6. Oktober 2021 - 10.22

Und das nimmt kein Ende. Früher war es dank der Soutane wohl wesentlich einfacher. Doch den Beichtstuhl gibt es immer noch und die Sakristei auch. Ob es wohl anders wäre, wenn die Gottesdiener resp. Seelsorger ( beide Begriffe muss man sich in diesem Fall auf der Zunge zergehen lassen ) heiraten dürften ? Wohl kaum, wahrscheinlich fühlen sich viele zum Priesteramt berufen, weil sie ( laut dem falsch interpretierten Bibelspruch " Lasst die kleinen zu mir kommen " ) sich das Vertrauen der Kinder und Jugendlichen erschleichen und klammheimlich missbrauchen können. Schade um die Unschuldigen, die ihr Amt ernst nehmen und nach den Worten Christi leben und diese vorbildlich lehren. In ihrer jetzigen Form hat die Institution Kirche total versagt und ausgedient. Sie ist unglaubwürdig und überflüssig. " Allzu straff gespannt, zerspringt der Bogen " ( F. Schiller ).

HTK
6. Oktober 2021 - 10.00

"80% der Opfer waren Jungen." Aber Hallo.Das ist doch klar.Im Buch "Sodoma" wird dir Lage genau beschrieben.Ausgangspunkt ist das Mutterhaus im Vatikan. Die armen Teufel stolpern über ihre eigenen Dogmen von denen das Zölibat wohl das Unsinnigste ist. Aber mit Naturgesetzen hatte es die katholische Kirche nie so richtig,jedenfalls für die Schäfchen. Aber auch im Islam und im Judentum können wir sehen was die Tabuisierung von Sexualität bewirken kann.Da kann so eine Frustration schon einmal dazu führen dass Flugzeuge in einen Wolkenkratzer gesteuert werden. Aber " was nicht sein darf,ist nicht." Und davon profitieren diese Verklemmten von Ewigkeit zu Ewigkeit.Amen.Dafür haben wir dann Organisationen wie "Fir de Choix",die sich stark dafür machen,dass diese Heuchler weiterhin unseren Kindern im Grundschulalter ihre falsche Moral einpredigen dürfen.Aber das ist ja nun vorbei und die leeren Kirchenbänke sind viel sagend.