Das erste Mal auf der Liste

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Ben Funck steht das erste Mal auf einer Wahlliste. Laura Tomassini beleitet den jungen LSAP-Kandidaten durch den Tag.

Am Tag der Wahlen heißt es für die Kandidaten: warten und auf die Unterstützung der Bürger hoffen. Für Ben Funck ist es das erste Mal auf einer Wahlliste, die Aufregung ist also doppelt groß. Laura Tomassini begleitet den 24-jährigen LSAP-Kandidaten durch seinen Tag und zeigt, wie er persönlich mit dem Druck kurz vor der Entscheidung umgeht.

Kurz nach zehn: Es ist Zeit, den Weg ins Wahlbüro anzutreten. Gemeinsam mit Großmutter Netty geht es auf zum Rathaus, Ben ist sichtlich nervös. Im Gebäude trennen sich die Wege, Ben geht ins Büro Nummer 2, direkt links vom Eingang, Netty muss die Treppe hinauf. Nach zehn Minuten sind die Stimmen vergeben, jetzt heißt es warten.

Ein doppelter Espresso zur Beruhigung 

Unterwegs durch die Uelzechtstrooss wird noch lachend „last minute Wahlkampf“ betrieben, unter Eschern kennt man sich halt. Dann geht es ins „Café News“, Ben braucht einen Doppelten Espresso zur Beruhigung. Auf die Frage, was er sich von den heutigen Wahlen erwartet, antwortet Ben prompt auf seine typisch scherzhafte Art: „Natürlich den Bürgermeister-Posten“. Fragt man ihn allerdings ernsthaft nach seinen Hoffnungen, dann fällt die Antwort doch etwas anders aus: „Ich würde mir wünschen, dass wir die stärkste Partei in Esch bleiben. Es geht allerdings grundsätzlich nicht um Köpfe, sondern ums Team“.

Da er selbst zum ersten Mal als Kandidat auf einer Liste steht, fällt es Ben etwas schwer, seine Chancen einzuschätzen. „Schlussendlich entscheidet der Escher Bürger. Am Tag nach den Wahlen trifft sich das ganze Team, um das Resultat zu analysieren. Eigentlich ist das ja die Bewertung der Arbeit, die die LSAP die letzten sechs Jahre geleistet hat“. Zwischen Scherzen mit den anderen Café-Gästen wirkt Ben immer wieder nachdenklich, sein Bein wippt ununterbrochen.

Pavarotti und Omas Geburtstag

Gegen elf Uhr setzen sich Bens bester und ältester Freund Damiano und sein Vater Giovanni Roberto zu uns. Giovanni ist selbst ehemaliger Sozialist und gibt Ben letzte Ratschläge für seine (noch unsichere) Zukunft als Politiker. Sie werden ihn auch auf der Wahlparty der LSAP in der Kufa unterstützen, egal wie das Resultat ausfällt. „Ich habe eines gelernt in den letzten Wochen: man gewinnt zusammen, aber man verliert auch zusammen“, sagt Ben bei einem Glas „Campari sec“: Einen Drink gönnt er sich, das beruhigt die Nerven.

Kurz nach zwölf sind wir zusammen mit Damiano wieder bei Ben Zuhause, sein Cousin Boris ist mit Frau Nathalie und den drei Kindern zu Besuch, um Oma Netty zum Geburtstag zu gratulieren. Für Familie Funck gibt es also heute mindestens einen Grund zum Feiern. Nach einer Viertelstunde gesellt sich Kumpel Andy in die Runde. Sie wollen gemeinsam Mittagessen im Restaurant „Moustache“. Ben widmet sich seinem kleinen Neffen Jay. Im Hintergrund läuft Pavarotti.

Auf zum Endspurt

Es ist halb zwei, Endspurt in den Wahlbüros. Ben, Damiano und Andy sitzen im Restaurant „Moustache“, immer wieder wandert der Blick aufs Handy. Einer der Kellner kennt Ben schon länger und fragt scherzend: „Na, wer gewinnt denn heute?”. Eine Frage, die der junge Kandidat selbst auch lieber früher als später beantwortet wüsste. Seine Nervosität hat mittlerweile ihren heutigen Höhepunkt erreicht: „Ich bin froh, wenn das alles erstmal vorbei ist”. Den Spieß mit Gambas und Tintenfisch lassen sich die drei Escher Jungs trotzdem schmecken, denn bis zur Resultatsverkündung heute Abend ist es noch ein Weilchen.

Nach dem Mittagessen verabschieden sich Ben und seine beiden Freunde auf sein Zimmer, die Müdigkeit und Aufregung nimmt so langsam Überhand. Vor der LSAP-Wahlparty in der Kufa will sich Ben nochmal aufs Ohr legen, denn vor seinen Parteikollegen will er sich nicht erschöpft zeigen.

Zwei Stunden später: Ich treffe Ben, Damiano und Andy wieder bei Ben Zuhause an. Mittlerweile werden erste Prognosen in den öffentlichen Medien verkündet. Die Auswertung des ersten Escher Wahlbüros klingen erstmal nicht sehr positiv. „Ich werde wohl doch nicht Bürgermeister”, meint Ben mit einem Lächeln. Doch diese erste Bilanz geht ihm sichtlich nahe. Zur Ablenkung spielen die drei Darts und Damiano und Andy versuchen Ben auf andere Gedanken zu bringen. „Alles halb so wild, das ist doch nur eines von 36 Büros hier in Esch”, meint Andy. Gegen 17:40 Uhr kann Ben nicht länger Zuhause rumsitzen, wir machen uns also auf den Weg in die Kufa.

Gedrückte Stimmung im alten Schlachthaus

Kurz nach 18 Uhr sind etwa elf Prozent der Resultate aus den Escher Wahlbüros online. Die Stimmung im alten Schlachthaus ist bedrückt, die meisten Parteimitglieder sind noch nicht eingetroffen. Zwischen Gesprächen mit Kollegen setzt sich Ben immer wieder an sein Laptop, um die Zwischenzahlen im Auge zu behalten. So langsam fangen die Spekulationen über die gegnerischen Parteien an, wer wird mit wem koalieren, wenn es so weit kommen sollte? LSAP und CSV streiten sich um die Spitze, genau das hatte Ben befürchtet. Auch die Gesichter der Sozialisten-Spitzenkandidaten sind mittlerweile von Zweifeln gezeichnet.

Für ein längeres Gespräch ist Ben nicht zu packen, die Anspannung ist einfach zu groß. Auf die Frage, wie es ihm geht, antwortet er nur knapp: „Naja, wie soll es mir gehen. Mit meinem persönlichen Score bisher bin ich zufrieden, aber insgesamt sieht es gerade nicht gut für uns aus“. Das macht Ben am meisten zu schaffen, nicht das eigene Resultat, sondern, dass sein „Team“ an Stimmen verloren hat. Bis die endgültige Entscheidung der Escher Bürger allerdings veröffentlicht werden kann, bleibt dem jungen Kandidaten nichts anderes übrig als immer wieder auf die „Refresh“-Taste der elections.public.lu-Webseite zu drücken und abzuwarten.

Laura Tomassini