Tschechiens Ministerpräsident Babis kriegt eine Regierung zusammen

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Es hat einen zweiten Anlauf gebraucht, doch nun scheint der Wunsch des Agrar- und Medienmilliardärs Andrej Babis in Erfüllung zu gehen. Ein Mitte-links-Kabinett soll dem Populisten die Macht sichern – acht Monate nach der Wahl.

Von unserem Korrespondenten Paul Flückiger

Acht Monate nach den Parlamentswahlen hat Tschechien endlich eine reguläre Regierung. Staatspräsident Milosz Zeman vereidigte gestern auf der Prager Burg das Kabinett des Vorsitzenden der „Bewegung unzufriedener Bürger“ (ANO) zum zweiten Mal.

Das erste Kabinett des populistischen Milliardärs war im Januar im Parlament an der Vertrauensabstimmung gescheitert. Diesmal soll eine Koalition mit den Sozialdemokraten (CSSD) Tschechien wieder eine stabile Regierung geben. Wahlsieger Babis hatte bisher auf Zemans ausdrücklichen Wunsch hin lediglich geschäftsführend regiert.

Die Sozialdemokraten hatten der Koalition nach monatelangen Verhandlungen zugestimmt. Sie bekommen 5 von 15 Ministerposten, darunter das einflussreiche Innen- und Außenministerium. Dieses wird einstweilen in Personalunion vom CSSD-Vorsitzenden Jan Hamacek geleitet – ein Novum in der EU.

Die Parteibasis hatte zuvor der Koalition in einer Urabstimmung mit 60 zu 40 Prozent zugestimmt. Damit erlebt Tschechien quasi eine Wiederauflage seiner letzten Regierung. Allerdings unter neuen Vorzeichen: Hatten 2014-2017 die Sozialdemokraten unter Bohuslav Sobotka den Ton angegeben und den damaligen Finanzminister Babis wegen eines Korruptionsskandals zum Rücktritt gedrängt, gibt nun der steinreiche Geschäftsmann Babis den Ton an.

Babis will zurück an die „Spitze Europas“

Nach wie vor ungeklärt sind dabei die Korruptionsvorwürfe gegen Babis, der ein Luxushotel vor Prag mit erschlichenen EU-Geldern subventioniert haben soll. Neben der Staatsanwaltschaft ermittelt in der Sache auch die EU-Antikorruptionsbehörde OLAF. Auf den Regierungsvorsitz wollte dieser dennoch nicht verzichten. Bestärkt wurde Babis dabei von seinem alten Bekannten Zeman. Die beiden verbindet eine Reihe undurchsichtiger Abhängigkeiten aus den 1990er-Jahren, als Zeman Wirtschaftsminister war.

Babis’ neues Mitte-links-Kabinett soll im Parlament diesmal von den Kommunisten gestützt werden. Die drei Parteien kommen zusammen auf 108 von 200 Sitzen. Die seit der Wende von 1989 nicht reformierte KP hat sich für ihre Unterstützung eine Rentenerhöhung, ein Sozialwohnungsbauprogramm und geringere Entschädigungszahlungen für die von den Kommunisten nach 1948 enteignete Kirche ausbedungen.

Die bei den Wahlen im Oktober 2017 bitterlich geschlagene liberale und konservative Opposition kritisiert die erstmalige Unterstützung einer tschechischen Nachwende-Regierung durch die KP scharf. Im Vorfeld kam es in mehreren Städten Tschechiens zu Protestmärschen. „Es ist eine Schande, dass wir fast 30 Jahre nach der Wende wieder eine Regierung haben, die sich auf die Kommunisten stützt“, erklärte gestern Jiri Pospisil, der Vorsitzende der konservativen Partei TOP09.

Babis Regierungsprogramm hat indes wenig mit kommunistischen Forderungen am Hut. Es dürfte jedoch dem pro-russischen Populisten und Polterer Zeman gefallen. „Wir werden uns vor allem gegen illegale Migration und für unsere Interessen in der EU einsetzen“, versprach Babis bei der Vereidigung seines neuen Kabinetts. „Wir haben die Kraft, an die Spitze Europas zurückzukehren“, sagte der ANO-Gründer und versprach mehr Sicherheit, einen effektiven Staat und ein besseres Leben insgesamt.

Prag stellt sich schon lange gegen EU-Umverteilungsquoten für Flüchtlinge. Von der nach der Vertrauensabstimmung Mitte Juli regulären Regierung Babis ist ein rauerer Wind gegenüber der EU zu erwarten. Allerdings dürfte der auch in Deutschland tätige Geschäftsmann kaum dem Vorbild Orbans und Kaczynskis folgen. Dafür ist Babis viel zu pragmatisch. Beobachter in Prag warnen jedoch vor gewissen Rechtsbeugungen zu Babis Gunsten. Insgesamt werden die Aussichten für Macrons und Merkels Pläne einer vertieften EU-Integration in Mittelosteuropa bestimmt nicht besser.