ChamberWenn Geld zweifelhaft riecht: Interpellation zu Pensions- und Zukunftsfonds

Chamber / Wenn Geld zweifelhaft riecht: Interpellation zu Pensions- und Zukunftsfonds
Greenpeace-Demo gegen Investitionen in fossile Energieträger vor der Debatte Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Hauptpunkt der Parlamentssitzung vom Donnerstag war eine Interpellation von „déi Lénk“ zum Thema Investitionspolitik von Pensionsfonds und von Zukunftsfonds. Beide stehen seit Jahren im Verdacht, Gelder in wenig nachhaltige Sektoren und Unternehmen zu investieren, auch wenn es in letzter Zeit einige Verbesserungen am Geschäftsgebaren der Verwalter der Rentenreserven und des intergenerationellen Sparprogramms gab.    

Ehe die mehrstündigen Diskussionen zu dem Thema durch eine engagierte Intervention von Marc Baum („déi Lénk) eingeläutet wurden, wollte Gusty Graas (DP) von der Regierung wissen, wie diese zu einer europäischen Armee stehe. Sowohl Außenminister Jean Asselborn (LSAP) als auch Verteidigungsminister François Bausch („déi gréng“) sprachen sich für ein stärkeres Engagement der EU für die Verteidigung aus, sehen mittelfristig aber keine eigenständige europäische Armee mit eigener Uniform und Kommandozentrale, sondern vielmehr ein engeres Zusammenarbeiten der bestehenden europäischen Armeen. 

Im Anschluss präsentierte Claude Haagen (LSAP) vier Gesetze, mit denen Luxemburg – quasi als Geburtstagsgeschenk für die „Organisation internationale du travail“, die 100 wird – mehrere Konventionen und Protokolle ebendieser internationalen Vereinigung mit Sitz in Genf ratifiziert. Große Auswirkungen auf den nationalen Alltag hat dies nicht, da das nationale Arbeitsrecht ohnehin weiter reicht als diese internationalen Abkommen. Alle vier entsprechenden Gesetze wurden einstimmig angenommen. 

„Eigentum verpflichtet“

Mit dem Zitat aus dem deutschen Grundgesetz begann Baum seine Interpellation: Mit seinem Reichtum solle man niemandem schaden, so der Parlamentarier, der die Geldmittel des Rentenfonds (inzwischen annähernd 23 Milliarden Euro) und die Mittel des Zukunftsfonds (etwa 380 Millionen) für die Gestaltung einer lebenswerten Umwelt für künftige Generationen eingesetzt sehen möchte, statt sie in Betriebe zu stecken, die Natur zerstören oder Menschenrechtsverletzungen begehen. Er verlangte den Abschied von einer rein Rendite-orientierten Investitionspolitik.

Baum räumte ein, dass der Pensionsfonds seit 2010 nicht mehr in Unternehmen investiert, die Streubomben produzieren; doch auch danach habe die Zivilgesellschaft (Greenpeace manifestierte am Donnerstag vor dem Parlament gegen Investitionen in fossile Energieträger) den Finger weiter in die Wunden gelegt und auch der OGBL habe bei seinem letzten Kongress eine Resolution gegen die Investition der Pensionsreserven in fossile Energien verabschiedet. 

Marc Baum machte auf drei Kategorien von Firmen aufmerksam, in die der Pensionsfonds investiere: Unternehmen, die ein gravierendes Fehlverhalten an den Tag legten, Unternehmen, die den Klimawandel anheizten, und solche, die gegen die allgemeine Ausrichtung der Luxemburger Politik handelten.

Zu Erstgenannten zählen, so der Interpellant, Firmen, die Kinderarbeit nutzten, Ausbeutung betrieben und umweltzerstörerisch handelten. Nach 2010 habe der „Fonds de compensation“, also die Pensionskasse, eine Liste ausarbeiten lassen, auf der 119 Unternehmen festgehalten sind, in die nicht mehr investiert werde. Allerdings erscheine die Liste ihm doch etwas kurz und es gebe keine rechtliche Basis für ein solches Vorgehen, kritisierte Baum. Die Politik mache nur informelle Vorgaben und die genannte Liste werde von einer externen, privaten Beratungsfirma zusammengestellt. 

600 Millionen in fossile Energien

Dass 2019 etwa 600 Millionen des Fonds in Firmen, deren Geschäftsmodell mit fossilen Energien funktioniert, investiert wurden, stehe sowohl in krassem Gegensatz zu dem Pariser Klimaabkommen als auch zu den nationalen Klimazielen und der jüngst beschlossenen CO2-Steuer. 

Schließlich investiere der Fonds in Firmen, die Atomkraftwerke bauen und betreiben, die genmanipulierte Lebensmittel, Pestizide und Herbizide produzieren und so im Widerspruch zu der Luxemburger Politik handelten.

Beim Zukunftsfonds sei die Lage noch schlimmer: Dieser investiere sogar in Firmen, die auf der 119-Namen-Liste des Pensionsfonds stehen, so der Redner, der einen Gesetzesvorschlag seiner Partei zum Thema einreichte. Bis jetzt sei die Streuung der Risiken das einzige festgelegte Kriterium für die Pensionsgelder. Ein bestehendes Beratungskomitee, das sich aus Finanzexperten zusammensetzt, soll nach dem Gesetzesvorschlag durch ein weiteres Gremium ergänzt werden, das ethische, soziale und umweltrelevante Kriterien berücksichtigt. Dieses zweite Komitee solle ebenfalls den Kontakt mit der Zivilgesellschaft pflegen und deren Anliegen hören. Schließlich plädierte Baum dafür, die Gelder der Kasse stärker für Immobilienbau und die Entwicklung nachhaltiger Arbeitsplätze in Luxemburg und in der Großregion zu nutzen. 

Widersprüche bei der Investitionspolitik der Pensionskasse sieht auch der CSV-Abgeordnete Gilles Roth, der seinen Beitrag allerdings auch nutzte, um die allgemeine Haushaltspolitik der Regierung anzugreifen und die CO2-Steuer zum jetzigen Moment, mitten in der Krise, als kontraproduktiv zu bezeichnen. Er reichte eine Motion ein, die ein verstärktes Engagement der Gelder des Zukunftsfonds für den Wohnungsbau verlangt.

André Bauler (DP) verwies auf die zahlreichen Anstrengungen von Finanzminister Gramegna, der während der letzten Jahre in Richtung Transparenz, Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit des Finanzsektors gearbeitet habe. Der Redner räumte ein, die „Latte könne immer noch höher gelegt werden“ was die Kriterien für die Investitionen der Fonds betrifft, verwies aber auch auf die Notwendigkeit der Wirtschaftlichkeit.          

Konsens gegen „schmutzige Firmen“

Es herrsche breiter Konsens darüber, dass es keine Unterstützung für „schmutzige Firmen“ geben dürfe, so Mars Di Bartolomeo (LSAP). In dieser Hinsicht sei beim Rentenfonds in den letzten Jahren viel geschehen. Der Abgeordnete verwies aber auch darauf, dass der Staat nicht „von oben herab“ über die Gelder des Pensionsfonds bestimmen könne. Sollten neue Bestimmungen umgesetzt werden, so könne dies nur im Dialog mit den Betroffenen geschehen. Dies forderte u.a. auch eine von Di Bartolomeo eingebrachte und von den Regierungsparteien sowie den Piraten unterstützte Motion, die später angenommen werden sollte. Diese sieht auch mehr Engagement für den Bau von Wohnraum vor.

Chales Margue („déi gréng“) erinnerte – wie übrigens auch Marc Spautz (CSV) nach ihm – an die Möglichkeit, die vor dem „Statut unique“ von verschiedenen Kassen angeboten wurde, Immobilienkredite an Privathaushalte zu geben. Die Rentenkassen, so Margue den Wirtschaftsexperten Rifkin zitierend, habe enorme Macht, die Entwicklung der wirtschaftlichen Dynamik betreffend und damit auch eine besondere Verantwortung. Sie sollten im Sinne der Begünstigten denn auch nachhaltig investieren. 

Die ADR, so Fernand Kartheiser, teile die Argumente von Marc Baum nicht. Der Abgeordnete lieferte sich ein politisch grundsätzliches Duell mit dem Politiker der Linken.

Für Sven Clement (Piraten) wissen die meisten Beitragszahler der Pensionskasse nicht, was mit ihren eingezahlten Geldern geschehe; hier herrsche Informationsbedarf. Es solle für klare Regeln bei den Investitionen gesorgt werden, so der Redner, der Verbesserungen für durchaus möglich hält. Nachdem Marc Spautz Kohärenz angeregt hatte, verwies Sozialminister Romain Schneider (LSAP) auf die großen Fortschritte, die bei der Wahl der Betriebe, in denen investiert wird, in den letzten Jahren gemacht wurden. Demnächst werde eine Studie vorliegen, die untersucht, inwiefern die Investitionen des Rentenfonds mit den Pariser Klimazielen übereinstimmen. Er verschloss sich nicht einer weiteren nachhaltigeren Gestaltung der Investitionen, auch was den Immobilienmarkt betrifft. Pierre Gramegna (DP) verwies, auf den Zukunftsfonds bezogen, dass hier keine Gelder direkt investiert würden, da die Summe noch zu gering sei. Lediglich 0,6 Prozent der investierten Gelder steckten in Betrieben, die auf der schwarzen Liste des Pensionsfonds stehen.

Die Anpassung von Mehrwertsteuerregeln an EU-Direktiven beschloss die gestrige Sitzung, die sich bis in die Abendstunden hinzog.   

Darius
4. Dezember 2020 - 18.00

Pecunia non olet.

J.C.Kemp
4. Dezember 2020 - 13.22

Wenn ich hier "Greenpeace" lese, weiss man woher der Wind weht. Gelder von Rentenfonds sollen so gewinnbringend wie möglich angelegt werden, und nicht in windige Grün-Projekte. Schliesslich handelt es sich hier um den rechtmässigen Besitz künftiger Rentner.

J.Scholer
4. Dezember 2020 - 3.43

Wer so vehement gegen die Investitionen der Rentengelder in nicht nachhaltige Fonds , sollte dann auch so konsequent , ehrlich sein und sagen:“ Auf diese Rente verzichte ich.“Wenn nicht , ist sein Auftreten unglaubhaft.