EditorialWarum vier zu sein heute nicht magisch ist

Editorial / Warum vier zu sein heute nicht magisch ist
Organisierter Sport ist das beste Argument für einfacheres Contact Tracing Foto: Jerry Gerard

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Sie heißen Emma, Liam oder Mattis. Ihre Vorbilder tragen Fußballtrikots, fahren Traktor oder fliegen auf Einhörnern. Die Rede ist von den Vergessenen der Pandemie: den (Klein-)Kindern. Denn so „magisch“ Gesundheitsministerin Paulette Lenert die Zahl Vier in der aktuellen Welle auch beschreibt – vier zu sein, ist derzeit gar nicht zauberhaft. Das Kindeswohl ist gefährdeter denn je.

Mit der abrupten Absage ihrer sportlichen oder musikalischen Hobbys raubte man der jüngsten Generation in der vergangenen Woche wieder eine ihrer Freiheiten. In einem Alter, in dem wissbegierige Energiebündel gerade dabei sind, ihren Platz in Kindergärten, Vereinsleben und der Gesellschaft zu finden, wird ihnen erneut ein Puzzlestück entrissen. Dabei hatte das Kinderhilfswerk Unicef in seinem Report im September auf die Pandemie-Konsequenzen für Kinder hingewiesen. In „Einflusssphäre – was das Wohlergehen von Kindern in reichen Ländern prägt“ landete Luxemburg 2020 auf einem wenig berauschenden 19. Platz (unter 41 teilnehmenden Nationen der OECD und der Europäischen Union).

Generell stellt sich die Frage, welchen Stellenwert Kleinkinder auf nationaler Ebene einnehmen. Während sich niemand querstellt, wenn es um Wirtschaftswachstum und Finanzspritzen geht, werden die Bedürfnisse und Anliegen der Kleinsten nicht gehört. Dabei beschäftigen sie sich seit Monaten (unbeabsichtigt) genauso mit Themen, die sie im Radio oder bei den Gesprächen beim Abendbrot aufschnappen: Aerosole, Inkubationszeit oder Quarantäne. Begriffe, die vor zwölf Monaten noch in keinem Wortschatz eines Kindes Platz fanden. Die Geburt der „Coronials“.

Doch gleich zu Beginn von SARSCoV-2 geriet so mancher Erwachsene in Erklärungsnot. Wie kann ein 20 Kilogramm schwerer Mensch ein „Superspreader“ sein – und wie erklärt man es ihm? Als Virus-Verbreitungsquelle trugen die Jüngsten laut ersten Studien, meist asymptomatisch, eine Teilschuld an den steigenden Zahlen. Vierjährige wurden seither mit der Verantwortung konfrontiert, dass ihre physische Präsenz das Leben der geliebten Großmutter gefährden könnte. Die Kleinkinder tragen auf ihren schmalen Schultern mitten in der aktuellen Welle einerseits die Pflicht, aufzupassen – um Familie und Freunde nicht anzustecken –, werden aber gleichzeitig allen Risiken des öffentlichen Transports, des Unterrichts in zu kleinen Räumen, des Schulsports und dem Trubel in Betreuungseinrichtungen ausgesetzt. Eine Inkohärenz, deren psychische Konsequenzen vermieden werden müssen.

Das gewohnte Vereinsleben – essenziell für mentales Gleichgewicht – entfällt allerdings kompromisslos. Der Kontakt zu Gleichaltrigen soll bei außerschulischen Aktivitäten unterbunden werden. Beim Fußball, Handball oder Basketball wurde in allen Altersklassen, mit Ausnahme der ersten Ligen, ein Stillstand angeordnet.

Einige Vereine haben mit Trainingseinheiten in Vierergruppen einen Ausweg gefunden. Das beste Argument für organisierten Kindersport ist nämlich nach wie vor das Contact Tracing: Trainiert der Nachwuchs in überschaubaren Gruppen im Verein, ist eine Nachverfolgung definitiv leichter als in einer überfüllten „Maison relais“ oder am Bolzplatz im Park.