Wahlen: Was nichts kostet, ist nichts wert

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Genau 240.676 wahlberechtigte Wähler waren an diesem Sonntag zur Urne gerufen. Und alle kamen, so wie befohlen. Denn das Erscheinen an der Urne ist Pflicht und unentschuldigtes Fehlen steht unter Strafe.

Es sei denn, man hat einen triftigen Grund, wie einen Geschäftstermin in Albanien, die Hochzeit einer Cousine in Australien oder einen  Stau auf der Autobahn, verursacht durch eine LKW-Kontrolle des Luxemburger Zolls. Letzteres ist aber weniger glaubhaft, denn der Zoll führt seine Kontrollen am liebsten Freitagabends  zur Hauptreisezeit an einem Urlaubswochenende durch, was bekanntlich der günstigste Zeitpunkt ist, Werbung für Luxemburg und seine Gastfreundschaft zu machen. Ausserdem müssen die Jungs vom Zoll selbst zur Wahl.

Das Erscheinen an der Urne ist Pflicht, aber gratis. Ist nicht wie beim Fussball oder bei der Oper, da kann man selbst entscheiden, ob man dabei ist oder nicht. Zudem muss man Eintritt zahlen. Das gibt der Sache schon einen elitäreren Anstrich. Ist ein schönes Gefühl, etwas zu tun, was man nicht muss. Zumal es etwas kostet. 
Aber Wahlen ?
Da darf doch jeder hin. Mehr noch: man muss. Und zwar kostenlos. Das ergibt keinen emotionalen Mehrwert, jenes Gefühl, etwas ganz besonderes zu leisten, wofür einen die anderen (be)neiden. Gleich sein unter Gleichen, das ist die Horrorvision des Luxemburgers. Jeder erhält seinen Wahlbescheid und darf sich nicht einmal aussuchen, wo er denn nun zur Stimmabgabe antreten darf. Ist wie ein Steuerbescheid, nur mit dem Unterschied, dass es hier nichts nützt, jemanden zu kennen, der jemanden kennt, der an diesem Bescheid noch etwas ändern könnte. Und dann gibt es nicht einmal VIP-Parkplätze vor dem Wahllokal, von einer Garderobe gar nicht zu reden und dann  dieses Warten in der Schlange, ist ja grässlich und diese gemeinen Leute, die so tun, als wäre es der wichtigste Tag in ihrem Leben.
Eine Stimme abgeben? Das wäre ja noch schöner. Zwangsverpflichtet zur Wahl und dann noch eine Stimme abgeben. Einige Leute sind sich darin konsequent, genauer gesagt, über 10.000 Wahlberechtigte sind der Meinung, mit dem Fussmarsch zum Wahllokal  ihre Pflicht mehr als getan zu haben. Was hinter dem Vorhang passiert, interessiert niemanden mehr. Resultat dieses passiven Widerstands: um die 10.000 weisse, also ungültige Wahlzettel, die den Unmut und die Empörung dieser Zeitgenossen ausdrücken. Ich meine, ist ja klar, wir leben in einer Demokratie und jeder hat das Recht auf seine Meinung, zum Beispiel zu den Problemen des Transports, der Verkehrsstaus, der Ausländerfrage, der Arbeitsplätze, des Rauchverbots in Kirchen oder des Fahrens unter Alkoholeinfluss. Zudem hat jeder das Recht, sich nicht zu diesen Themen zu äussern. Das tut man, indem man einen leeren Stimmzettel abgibt.
Das haben wir davon, Wahlen umsonst anzubieten: 10.000 ungültige Stimmzettel. Die Hälfte davon hätte zu einem Sitz im Parlament und fünf Jahren Falschparken gereicht. Muss man die Leute jetzt schon über einen finanziellen Anreiz zu den Urnen locken ? Scheint so. Allein schon für einen Stadtmarathon oder ein Nacht-Hürden-Kanu-Doppel-Fackelspringen zahlt man Einschreibegebühren und erhält ein Teilnahmezertifikat. Man kann von diesen Leuten nicht erwarten, dass sie einen Stift in der Wahlkabine in die Hand nehmen und ihr verfassungsrechtlich verankertes Recht ausüben, ohne dass sie dafür zumindest eine Teilnahmegebühr zahlen müssen. Könnte ja jeder so kommen. So bleibt das Fazit: es war kostenlos, aber umsonst..