DokumentarfilmVom Geek zum Kultregisseur

Dokumentarfilm / Vom Geek zum Kultregisseur
Der Fim scheitert (u.a.) an seiner Darstellung der Beziehung zwischen Tarantino und Weinstein (C) Wood Entertainment

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„QT8“ will Tarantinos Schaffen in einer chronologischen Übersicht belichten. Trotz Filmmaterial aus den Kulissen und Interviews mit einer Auswahl an Tarantinos Lieblingsdarstellern fehlt dem Film die kritische Auseinandersetzung mit Tarantinos Werk und seiner engen Verbindung zum Produzenten Harvey Weinstein.

Für ihren Dokumentarfilm „QT8“ hat sich Regisseurin Tara Wood für eine chronologische Herangehensweise entschieden, um Quentin Tarantinos Werdegang vom Film-Nerd zum Kultregisseur zu erzählen. Die drei Kapitel folgen das größtenteils bekannte Narrativ von Tarantinos Underdog-Tagen und ersten Drehbüchern, dem Übernacht-Erfolg in Cannes, der definitiven Krönung durch „Pulp Fiction“ bis hin zu den kathartischen, geschichtsumschreibenden Rachefilmen „Inglourious Basterds“ und „Django Unchained“. Strukturiert wird „QT8“ durch Filmmaterial von Drehsets sowie Interviews mit Darstellern, Produzenten und einem Filmkritiker.

Am interessantesten sind dabei die Interviews mit den Darstellern, die dem Zuschauer nahetragen, wie ein Tarantino-Drehset aussieht – man kann sich eine Mischung zwischen erbarmungsloser Rigorosität (auf dem Set herrscht absolutes Handyverbot) und entspanntem Klassentreffen (das Binge-Drinking während des Drehs von „Death Proof“) vorstellen. Wie Darren Aronofsky setzt Tarantino die Qualität seiner Filme über das Wohlergehen seiner Schauspieler, wovon nicht nur Uma Thurmans Unfall bei den Dreharbeiten von „Kill Bill“ zeugt. Eli Roth, der in „Inglourious Basterds“ den „Bärenjuden“ spielte, erzählt, wie Tarantino ihn tagelang auf seinen großen Auftritt warten ließ, damit sich seine Wut beim nazivernichtenden Keulenschlag auch authentisch anfühle. Wenig später ergänzt der „Hostel“-Regisseur: „Bei der Premiere waren meine Eltern zu Tränen gerührt. Ihr Sohn spielte den Juden, der Hitler tötet.“

Michael Madsen erzählt, dass das Budget für „Reservoir Dogs“ so niedrig war, dass man die Schauspieler bat, das eigene schwarze Kostüm und weiße Hemd zu tragen. Zoe Bell, Uma Thurmans Stunt-Double aus „Kill Bill“, hatte während einer wagemutigen Stuntszene in „Death Proof“ den Reflex, ihr Gesicht vor der Kamera zu verstecken. Da sie im Film allerdings als Darstellerin und nicht als Stuntfrau fungierte, musste die Szene neu gedreht werden – hier sollte man sehen, dass die Darstellerin auch die eigenen Stunts spielte. Beim Filmdreh von „Django Unchained“ empfand Leonardo DiCaprio Schwierigkeiten, vor den befreundeten Samuel L. Jackson und Jamie Foxx das N-Wort auszusprechen. Erst als Jackson und Foxx ihm versicherten, auf dem Filmset seien ihre jeweiligen Figuren ganz bestimmt keine Freunde, überwand sich DiCaprio.

Der Fall Weinstein

Diese Hintergrundinformationen bestätigen die Art der Selbstinszenierung, die Tarantino seit Beginn seiner Karriere pflegt: Tarantino ist das Wunderkind, das seine enzyklopädische Kenntnis von Genre- und Trash-Kino nutzte, um eine eigene Filmwelt zu schaffen, die trotz oder gerade wegen ihrer Referenzverliebtheit rasch im vom Einheitsbrei ermüdeten Mainstream Erfolg verbuchte. Was „QT8“ fehlt, ist die kritische Auseinandersetzung mit Tarantinos Kino – abgesehen von Kritiker Louis Black kommt kein Experte zu Wort, und wenn Tarantinos früherer WG-Mitbewohner, auf dessen Couch Tarantino zu Beginn seiner Karriere schlief, mit übertriebenem Enthusiasmus zu Wort kommt, verfällt der Film schon mal ins Hagiografische.

Dass „QT8“ bspw. zu verstehen geben will, dass „The Hateful Eight“ wegen Casting- und Setting-Parallelen das weise Pendant zu „Reservoir Dogs“ ist, dürfte selbst dem hartgesottensten Tarantino-Fan haarsträubend erscheinen. Dem achten Tarantino-Film werden trotzdem nur wenige Minuten gewidmet – so spiegelt sich die Wertung der Filme letztlich in der jedem Werk zugeeigneter Spielzeit wider.

Die letzten zehn Minuten des Films verbringt Tara Wood damit, QTs ambivalente Beziehung zu Harvey Weinstein zu skizzieren. Während ein Schwarz-Weiß-Foto von Weinstein den Schirm ziert und tief wummernde Bässe, wie man sie aus Nolans Blockbustern kennt, Unbehagen vermitteln sollen, defilieren in der unteren rechten Bildschirmecke Tarantinos Bösewichte und Scheusale. Damit soll verdeutlicht werden: Der Umgang mit dem Monster Weinstein hat es Tarantino erlaubt, das Böse in seinen Filmen so lebensnah zu porträtieren.

Davon abgesehen, dass eine solche Reduktion auf biografische Anekdoten an Kritiker Sainte-Beuves verstaubte und vereinfachende Essays erinnert, dürfte es dem mit historischen Kenntnissen ausgestatteten Zuschauer befremdlich (um es mal nett auszudrücken) vorkommen, dass man den jüdischen Weinstein mit der fiktiven Figur des SS-Standartenführers Hans Landa gleichstellt. Es hätte wohl einen eigenen Dokumentarfilm gebraucht, um Tarantinos Beziehung zu Weinstein zu belichten. Dies in wenigen Minuten kondensiert zu tun, um zeitgleich Tarantino von Weinsteins Taten abzuschotten und der Kritik zu entgehen, man habe diesen problematischen Aspekt totgeschwiegen, ist äußerst fragwürdig. 

Bewertung: 2,5/5