BalkanVermisste und Massengräber belasten Verhältnis zwischen Kosovo und Serbien

Balkan / Vermisste und Massengräber belasten Verhältnis zwischen Kosovo und Serbien
Serbische Flaggen hängen auf den Balkonen eines Mietshauses in der geteilten Stadt Mitrovica in Kosovo. Der Norden ist serbisch dominiert, der Rest kosovarisch. Foto: AP/Darko Vojinovic

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Die Konfrontation mit den im Namen der eigenen Nation begangenen Kriegsverbrechen fällt Serben und Kosovaren noch immer schwer: Auch mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Kosovokrieg belasten Kriegsvermisste und vertuschte Massengräber noch immer die gegenseitigen Beziehungen.

Von einer Versöhnung über den Gräbern scheinen die einstigen Kriegsgegner Serbien und Kosovo weiter Lichtjahre entfernt. Serbiens Präsident Aleksandar Vucic werde so lange keine Einreisegenehmigung mehr erhalten, bis sich Belgrad „für den Genozid an unserer Bevölkerung entschuldigt“, kündigte Kosovos Außenministerin Meliza Haradinja-Stubler in dieser Woche empört an. Der Grund für den undiplomatischen Ausfall der Chefdiplomatin: Ein im südserbischen Dorf Kizevak bei Raska aufgefundenes Massengrab hat die kaum vernarbten Kriegswunden der unwilligen Nachbarn neu aufgerissen.

Noch steht die DNA-Analyse aus. Aber vermutlich sind es die Überreste von mindestens 15 albanischen Opfern des Kosovokriegs (1998-1999), die vergangene Woche in dem Grab unweit der Grenze zu Kosovo aufgefunden wurden. Zuvor waren seit Kriegsende die Leichen von insgesamt 941 Kosovo-Albanern in Serbien geborgen und identifiziert worden.

Ohne Leichen keine Verbrechen: Um die von serbischen Streitkräften in Kosovo begangenen Massaker zu vertuschen, hatte Ex-Autokrat Slobodan Milosevic die Leichen der Opfer nach Serbien schaffen lassen. Nach seinem Fall wurden 2001 allein in einem Massengrab auf dem Gelände der Spezialeinheit der Polizei in Batajnica bei Belgrad die Überreste von 744 Kosovo-Albanern aufgefunden.

Über zwei Jahrzehnte liegt der Kosovokrieg zurück, der laut den Erhebungen des Belgrader Fonds für Humanitäres Recht (FHP) insgesamt 13.518 namentlich erfasste Tote erforderte – darunter 10.794 Albaner und 2.917 Serben. Das Bombardement der NATO im Frühjahr kostete auf beiden Seiten 758 Menschenleben. Noch immer gelten 1.647 Menschen als vermisst – 420 von ihnen sind serbischer Abstammung.

Solidarität mit Angeklagten

Kriegsverbrechen wurden sowohl von der UCK als auch von serbischen Streitkräften und Milizen begangen. Doch die offene Konfrontation mit der im Namen der eigenen Nation begangenen Verbrechen fällt auf beiden Seiten schwer. Statt diese schonungslos aufzuarbeiten, ist grenzüberschreitend Verdrängen, Relativieren und Aufrechnen angesagt.

Seit im Oktober vor dem Sondergerichtshof in Den Haag die Kriegsverbrecher-Prozesse gegen die frühere UCK-Führung angelaufen sind, wogt in Kosovo eine empörte Welle der Solidarität – nicht mit den Opfern, sondern mit den Angeklagten. Serbiens Würdenträger mühen sich derweil nach Kräften, die in Kosovo begangenen und hernach vertuschten Verbrechen mit Verweis auf die serbischen Opfer herunterzuspielen.

Erst ging Belgrad nach der zunächst in Pristina veröffentlichten Kunde des Funds eines weiteren Massengrabs eine Woche lang schweigend auf Tauchstation. Dann erklärte Vucic, dass er „stolz“ sei, dass Serbien bei der Suche nach den Vermissten Ernst mache: Pristina habe es hingegen abgelehnt, Orte mit möglichen Massengräbern serbischer Opfer untersuchen zu lassen. Statt Mitgefühl mit den Opfern auszudrücken, relativiere ausgerechnet der Präsident, der 1999 selbst Mitglied der Regierung gewesen sei, die damals begangenen Verbrechen, ärgert sich das Belgrader Webportal „nova.rs“.

HTK
26. November 2020 - 22.38

" Ob Kroat oder Serbn,all müssen's sterbn,Ob Serb oder Kroat,ona jeder iss Schuld" ( Hubert von Goisern )