„Scharia-Polizei“ in ÖsterreichTschetschenen-Fundis nach Pariser Attentat verstärkt im Visier

„Scharia-Polizei“ in Österreich / Tschetschenen-Fundis nach Pariser Attentat verstärkt im Visier
Anfang Juli dieses Jahres wurde ein tschetschenischer Dissident im österreichischen Gerasdorf bei Wien ermordet Foto: AFP/APA/Herbert P. Oczeret

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Nach der Enthauptung eines französischen Lehrers nimmt auch Österreich tschetschenische Extremisten verstärkt ins Visier.

Das Attentat von Paris habe „den islamistisch geprägten Extremismus in seiner schlimmsten Form offenbart“, sagt Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) und erklärt es zu „unserer Aufgabe, jede Form von Parallelgesellschaft, die Nährboden für solchen schrecklichen Terror sein kann, von Beginn an zu bekämpfen“. Die türkis-grüne Bundesregierung will das Problem nun mit einer Taskforce angehen: Experten des Innen- und Integrationsministeriums sollen sich mit der Problematik islamistischen Extremismus und Terrors insbesondere unter Tschetschenen in Österreich beschäftigen.

Raab betont, dass es keinen Generalverdacht geben dürfe, doch müsse man „Hinweise auf extremistisches Gedankengut mehr als ernst nehmen“. Warnsignale gibt es in der Tat schon seit Längerem. Erst im Sommer war eine von tschetschenischen Asylwerbern aufgezogene „Scharia-Polizei“ aufgeflogen. Die selbsternannten „Sittenwächter“ terrorisieren „zu westlich orientierte“ Landsleute.

Die noch nicht zur Gänze enttarnte Truppe ist Teil jener parallelgesellschaftlichen Strukturen, die die Integration der oft seit vielen Jahren in Österreich lebenden Tschetschenen konterkarieren. Neben dem langen Arm des tschetschenischen Kadyrow-Regimes nimmt auch ein islamistisch motiviertes Kontrollsystem die Exil-Gemeinschaft in den Würgegriff. In Wien und im oberösterreichischen Linz wurden insgesamt sechs dieser „Scharia-Polizisten“ – fünf Männer und eine Frau – festgenommen. Die Organisation hat sich den Kampf gegen Sittenverfall unter Landsleuten zur Aufgabe gemacht, hat allerdings ausschließlich Frauen im Visier. Als unmoralisch gilt bereits ein auf Facebook gepostetes Foto im Badeanzug oder der Kontakt zu einem Nicht-Tschetschenen. Vereinzelt wurden in Moscheen Fotos der betroffenen Frauen ausgehängt, um sie derart an den Pranger zu stellen. Damit keine Missverständnisse über den Ernst der Lage aufkamen, posierten die „Scharia-Polizisten“ selbst in sozialen Medien mit Schusswaffen.

„Ehrkulturelle Gewalt“

Die öffentliche Präsentation der Drohkulisse zeigt, wie wenig die Islamisten offenbar rechtsstaatliche Sanktionen befürchteten: Auch in den sozialen Medien sind die Tschetschenen weitgehend unter sich. Und innerhalb der Exilgemeinde wagt es kaum jemand, sich mit diesen Kriminellen anzulegen. Wie es „Verrätern“ ergeht, weiß man nicht erst seit der brutalen „Hinrichtung“ eines Kritikers des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow durch ein Killerkommando Anfang Juli in einem Wiener Vorort. Eine drangsalierte Tschetschenin war dennoch mutig. Sie wandte sich an die Polizei, nachdem sie von den „Sittenwächtern“ wegen „unehrenhaften Verhaltens“ unter Druck gesetzt worden war.

Integrationsministerin Raab ist bei dieser Thematik gleich in doppelter Hinsicht gefordert, ist sie doch auch Frauenministerin. Wer glaube, in Österreich Parallelstrukturen aufbauen und Frauen aufgrund von Verhaltensweisen oder Wertevorstellungen bedrohen zu können, müsse mit Strafe rechnen, stellt Raab den Fundis die Rute ins Fenster. Zunächst soll die Experten-Taskforce nun das Phänomen der „ehrkulturellen Gewalt“ ergründen und daraus sowohl polizeiliche als auch etwaige gesetzliche Maßnahmen ableiten. Außerhalb von Polizei und Justiz sollen zudem niederschwellige Anlaufstellen für die meist unter großem Druck stehenden Opfer geschaffen werden. Und nicht zuletzt sollen in tschetschenischen Vereinen Verbündete gegen die Extremisten gesucht werden. Allerdings beißt sich hier die Katze in den Schwanz: Viele dieser abgeschotteten Vereine sind Teil des Integrationsproblems …