Parlament„Touche pas à ma place financière!“

Parlament / „Touche pas à ma place financière!“
„Wir sind Rechtsstaat“, sagte der sichtlich empörte Finanzminister Pierre Gramegna Foto: Editpress/Julien Garroy

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Wenn es um internationale Medienkritik am Finanzplatz geht, bildet Luxemburgs Politik einen undurchdringlichen Schutzschild. Kleine Risse verursachen lediglich einige wenige Oppositionsabgeordnete. Andere üben sich in Medienschelte. Dies bestätigte sich erneut gestern im Parlament bei der Diskussion zur OpenLux-Recherche, die seit Wochenbeginn die Gemüter erregt.

Finanzminister Pierre Gramegna (DP) und Justizministerin Sam Tanson („déi gréng“) hatten bereits am Montag die Mitglieder der parlamentarischen Finanz- und Justizkommissionen über die Haltung und die Reaktion der Regierung informiert. Ihre Verteidigungslinie änderte sich gestern nicht.

Luxemburgs Gesetzgebung in Sachen Fiskalität und Transparenz sei konform mit den von OSZE, EU und Gafi („Groupe d’action financière“) definierten Regeln. Man achte die internationalen Regeln. „Wir sind Rechtsstaat“, so ein sichtlich empörter Gramegna, der von nicht nachvollziehbaren Unterstellungen seitens internationaler Medien sprach.

Tatsächlich hätten Luxemburg und sein Finanzplatz in der Vergangenheit nicht immer das beste Bild abgegeben, rief Gramegna in Erinnerung. Doch die LuxLeaks-Affäre sei nicht mit der aktuellen OpenLux-Recherche vergleichbar. 2014 sei ein entscheidender Moment gewesen, als die damalige Dreier-Koalition beschloss, auf Transparenz zu setzen. Dazu stehe man weiterhin. 2014 habe man noch auf einer grauen Liste gestanden. In jenem Jahr habe man den internationalen Informationsaustausch beschlossen. Damals habe man sich ebenfalls für eine EU-weite Regelung der sogenannten Steuerrulings ausgesprochen. Entsprechende Regeln seien 2015 unter Luxemburger EU-Vorsitz beschlossen worden.

Auch in Sachen Geldwäsche wende Luxemburg sämtliche international beschlossenen Regeln an. Wobei Gramegna jedoch hinzufügte, dass man den Anspruch habe, derlei so weit wie möglich zu vermeiden. Die Problematik Geldwäsche lasse sich jedoch nur gemeinsam lösen. Alle Länder müssten da mitziehen. Daher unterstütze man die Initiative zur Schaffung einer Europäischen Agentur gegen Geldwäsche.

Gramegna sah hinter der neuen Recherche-Arbeit einen weiteren Versuch, dem Finanzplatz zu schaden. In der EU bestehe nun mal die Freizügigkeit für Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital. Der europäische Einheitsmarkt sei eine der größten Errungenschaften der EU. Man fordere europäische Champions auch in Sachen Finanzen. Sei dies allein Paris und Frankfurt erlaubt? Bei den früheren Angriffen ging es um Steuervorteile und das inzwischen abgeschaffte Bankgeheimnis. Luxemburg wäre am Boden zerstört, nähme man ihm dies weg. Da Luxemburgs Finanzplatz dennoch weiterbestehe, müsse ja noch getrickst werden.

Den anhaltenden Erfolg des Luxemburger Finanzplatzes erklärte Gramegna mit der politischen Stabilität, dem Sozialdialog, seinem Triple-A und der Innovationsfähigkeit des Finanzplatzes. „Ja, unsere Finanzplatz hat sich geändert, ist offen, transparent  und attraktiv. Hätten wir nichts geändert, wären wir weg vom Fenster“, so der Finanzminister.

Kritik im Zusammenhang mit dem „Registre des bénéficiaires effectifs“ (RBE) sei nicht nachvollziehbar, so Justizministerin Sam Tanson („déi gréng“). Mit der Einführung des RBE 2019 habe man sogar EU-Regeln vorgegriffen, indem man jedem Interessierten problemlos Zugang gewährte. Man gehöre damit zu den fortschrittlichsten Ländern. Dass keine nominelle Suchabfrage möglich ist, sei eine bewusste Entscheidung gewesen, habe man doch zwischen Transparenz und Datenschutz abwägen müssen. Wenige Länder ermöglichten derlei Abfrage, dabei müssten jedoch zusätzliche Angaben zur gesuchten Person, etwa die Passnummer, eingegeben werden.

Das Gesetz erlaubt es, unter bestimmten Bedingungen den Namen des Begünstigten im öffentlich  zugänglichen Register zu verschweigen. Dazu seien 4.000 Anträge eingereicht worden. Alle seien negativ beschieden worden, so Tanson. In 300 Fällen sei noch eine Gerichtsentscheidung anhängig. Das RBE soll in Zukunft administrative Strafen verhängen dürfen, wenn Fristen zur Einreichung von Angaben zu den Gesellschaften und Nutznießern überschritten werden. Auch sollen die Daten genauer auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden.

Lob für die Regierungspolitik kam nicht nur von den Sprechern der Regierungsparteien DP, LSAP und „déi gréng“. Er könne praktisch alles mit unterschreiben, was beide Minister zuvor gesagt haben, so CSV-Sprecher Laurent Mosar, der sich in Medienbashing übte. Aufgewühlt hätten ihn die Titel in den internationalen Medien. Als ob diese Journalisten in den letzten Jahren nicht in Europa gelebt hätten. Sehr viel sei in der EU, in der OSZE und in Luxemburg geschehen. Er könne die Kritik der ausländischen Journalisten nicht nachvollziehen. 

Auch der liberale Fraktionschef Gilles Baum rieb sich am Journalistenkonsortium. Man versuche, Luxemburg in eine Ecke zu drücken, wo es nicht hingehört. Für Georges Engel (LSAP) enthalte OpenLux nichts Neues. Die internationale Presse reagiere ziemlich verhalten auf die sogenannten Enthüllungen. Seit 2014 spiele diese Regierung die Karte der Transparenz. Die Recherche zeige, dass Luxemburgs Kontrollorgane nicht der Größe des Finanzplatzes angepasst seien. Da bestehe Nachholbedarf.

Dass Luxemburg auf keiner von international anerkannten Organisationen erstellten Steuerparadies-Liste stehe, zeige, dass sämtliche internationalen Standards erfüllt werden, so Josée Lorsché, grüne Fraktionsvorsitzende. Nach jahrelanger Geheimniskrämerei herrsche endlich Transparenz. OpenLux sei kein zweites LuxLeaks, schließlich berufe man sich auf öffentlich zugängliche Informationen. 

ADR-Sprecher Fernand Kartheiser kritisierte die unterschiedliche Haltung von „déi gréng“ und der LSAP. Im Europaparlament hätten sich „déi gréng“- und LSAP-Vertreter für die Nennung Luxemburgs auf der grauen Liste von Steuerparadiesen ausgesprochen. „Angeekelt“ habe ihn, dass nun Namen von Personen genannt würden, die ihr Geld in Luxemburg anlegten. Auch für sie gelte der Schutz der Privatsphäre. Man könne es Leuten nicht verübeln, die Freizügigkeit des Kapitals zu nutzen. Steuerkonkurrenz in Europa verhindere permanente Steuererhöhungen in den einzelnen EU-Ländern.

Die wenigen kritischen Töne stammten von David Wagner („déi Lénk“) und Sven Clement („Piratepartei“). Man sollte nicht so tun, als ob die ausländische Presse immer nur auf Luxemburg haue. Die Regierung verbreite den Mythos einer Weltverschwörung gegen Luxemburg, wobei Journalisten bloß Marionetten wären. Luxemburgs Finanzplatz sei wohl nicht an Mafia-Bossen interessiert, aber an den „weißen Wölfen“, welche die legale Gesetzgebung zur Steuervermeidung nutzen. „Ich bin nicht Place financière“, so Wagner.

Auf vermeintliche Kosten des Luxemburger Finanzplatzes verwies Sven Clement. Die aggressive Steueroptimierung generiere Kollateralschäden. Er nannte dabei steigende Wohnungspreise in Luxemburg, die ausländischen Staatskassen vorenthaltenen Steuereinnahmen. Nicht alles, was legal sei, sei ethisch korrekt. Benötigt würden bessere Kontrollen, so Clement, der für ein europaweites RBE plädierte.

Langfristig eine „Fourrière“ am Rond-point Raemerich

Ein Abstellhof für verlassene Pkws soll beim noch zu errichtenden Polizeigebäude am Kreisverkehr Raemerich in Esch eingerichtet werden. Das hat Polizeiminister Henri Kox („déi gréng“) am Dienstag im Parlament gesagt. Er beantwortete eine parlamentarische Frage des DP-Deputierten Gusty Graas. Die bisherige „Fourrière“ in der Gebläsehalle auf Belval war im August vergangenen Jahres aus Sicherheitsgründen geschlossen worden. Die elf Gemeinden des „Pro sud“-Syndikats hatten Kox um eine Lösung der Problematik gebeten, da immer häufiger stillgelegte Pkws in der Gemeinde Stellplätze besetzen würden. Kurzfristig habe er jedoch noch keine Lösung gefunden, so Kox. Er sei auf der Suche nach einem geeigneten Gelände.

Nicht konforme Desinfektionsmittel

Hände waschen bzw. desinfizieren, Maske tragen und Abstand wahren – so lauten die elementaren sanitären Verhaltensregeln in Covid-19-Zeiten. 77 Prozent der kontrollierten Desinfektionsmittel seien jedoch laut Umweltverwaltung nicht konform zur Gesetzgebung, sei es, weil sie nicht wirksam seien oder potenziell schädliche Substanzen enthielten. Darauf verwies gestern Marc Baum („déi Lénk“) in einer Frage an Umweltministerin Carole Dieschbourg („déi gréng“). Sie gab Entwarnung: Man habe 39 Lieferanten kontrolliert. 95 Prozent der Beanstandungen betrafen administrative Fragen. Ein Produkt hatte keine Zulassung, zwei wiesen fehlerhafte Etiketten auf.  

Quellensteuer in Russland

Eine Abänderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Luxemburg und Russland sieht die Einführung einer Quellensteuer von 15 Prozent auf Zinsen vor, die aus Russland an einen in Luxemburg ansässigen Bezugsberechtigten überwiesen werden. Die Änderung erfolgte auf Wunsch der russischen Seite.

Komischer Datenschutz
10. Februar 2021 - 12.54

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