HauptstadtmarktStimmungstief auf dem Knuedler: Marktleute sind wegen Umzug und Corona verunsichert

Hauptstadtmarkt / Stimmungstief auf dem Knuedler: Marktleute sind wegen Umzug und Corona verunsichert
Die Martkleute auf dem Knuedler werden umziehen müssen – nur wohin ist noch nicht ganz klar Symbolbild : Editpress/Didier Sylvestre

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Lebensmittelmärkte haben einen ganz besonderen Charme. Nicht umsonst werben alle internationalen Reiseführer für die Märkte der jeweiligen Städte. Das könnte auch für den Wochenmarkt auf dem Knuedler zutreffen. Der ist zur Zeit jedoch eher auf der Suche nach einer neuen Orientierung.

Am Freitag fallen die Würfel. Dann entscheidet der Schöffenrat über die künftige Gestaltung des „Stater Maart”. Seinen aktuellen Standort auf dem Knuedler muss er aufgeben, der wird in den drei nächsten Jahren grundlegend renoviert.

Schon am 9. Januar kommt der Wechsel. Der dann geplante Bauabschnitt dauert zwar nur drei Monate, doch ab August 2021 und für drei Jahre wird der „Knuedler” dann eine große Baustelle.

Zwei Optionen liegen morgen auf dem Tisch: Entweder der Markt rückt etwas weiter nördlich und etabliert sich auf dem „Place Clairefontaine” bis hin zum Krautmarkt. Oder er zieht ganz um und wird auf dem Hamilius, vor dem ehemaligen Postgebäude, abgehalten.

Vor- und Nachteile

Beide Standorte haben Vor- und Nachteile: Im unmittelbaren Bering des „Knuedler” bleibt der Markt weiterhin in Kontakt mit den Gaststätten und Geschäften, die rund um den Rathausplatz angesiedelt sind und die vom Käse- über den Fischhändler bis hin zum Feinkostladen eine Ergänzung des Freilichtangebotes bilden.

Er muss dann jedoch, vor allem in seiner Mittwochausgabe, mit dem Lastwagenverkehr zurechtkommen, den die Baustelle mit sich bringt und er muss sich möglicherweise ein- oder zweimal im Jahr den Anforderungen eines Staatsbesuches beugen und den Platz vor dem ‘Palais’ räumen.

Zieht der Markt jedoch ans andere Ende der „Groussgaass”, dann wird das für ihn gewissermaßen ein Neuanfang, der vor allem den Geschäften im neuen Teil der Oberstadt möglicherweise den Drift bringen kann, der ihnen bislang fehlt.

Dieser Standort würde jedoch die Betreiber der größeren Verkaufsstände  zusätzlich belasten: Sie könnten die Kleinlaster, mit denen sie ihre Waren morgens hereinfahren, nach dem Abladen nicht mehr, wie bisher, neben ihrem Stand stehen lassen, sondern müssten sie in der „Rue Notre-Dame” abstellen. Was problematisch wird, wenn sie einen Nachschub an Waren brauchen.

Für den Kunden hätte der „Hamilius” jedoch ein gewichtiges Argument: Es gibt einen riesigen Parkplatz gleich unter dem Standort. Allerdings könnte der hohe Stundenpreis das Argument bestätigen, der hauptstädtische Markt sei im Vergleich zu teuer.

Neuanfang

Ein lebendiger, bunter Markt, wie er vor zehn oder fünfzehn Jahren noch in der Hauptstadt existierte, würde den Umzug wahrscheinlich problemlos meistern.

Für den aktuellen Lebensmittelmarkt ist die Herausforderung jedoch vielfach größer. Er leidet schon seit längerem. Seine traditionelle luxemburgische Kundschaft wird immer weniger und immer älter. Die neuen, jungen und berufstätigen Hauptstädter jedoch sind zu fast zwei Dritteln keine Luxemburger. Sie haben nicht unbedingt den gleichen Bezug zum lokalen Handel. Es zieht sie nicht unbedingt auf den Wochenmarkt, vor allem mit seinem eher bescheidenen Mittwochangebot.

Zweischneidig war auch der komplette „Lock down” im März und April. Auf der einen Seite fühlten sich die Kunden in der frischen Luft und angesichts der sorgsam eingehaltenen Hygienemaßnahmen sicherer als im Supermarkt. Andererseits mussten die Stände wegen der Sicherheitsvorkehrungen anders organisiert und weiter auseinandergestellt werden, worunter das Familiäre, das freundschaftliche Miteinander, teilweise gelitten hat.

Nach dem Corona sind eine Reihe Stände, allen voran zwei große Obst- und Gemüseanbieter, sowie ein Blumenhändler, nicht mehr wiedergekommen. Das hat zwar die Konkurrenz gemindert, gleichzeitig aber auch die Attraktivität verringert. „Leute ziehen Leute an und die Konkurrenz belebt das Geschäft”, sagen die Fachleute. Sie freuen sich zwar, wenn ihre Kunden gezielt zu ihnen kommen, brauchen jedoch auch die Laufkundschaft. Genau wie die Flaneure, die sich nach ihren Grundeinkäufen beim Bummeln von einem oder mehreren Extras verführen lassen.

Neuer Schwung soll her

Das wissen auch die Verantwortlichen um den zuständigen Schöffen Patrick Goldschmidt. Seit Jahren bemühen sie sich, besonders dem Mittwochmarkt neuen Schwung zu geben. Ein „Food Village” sollte vor allem die Berufstätigen in der Mittagspause anlocken. Dieses Konzept ist allerdings der aktuellen Gesundheitslage und der dadurch erfolgten Heimarbeit zum Opfer gefallen.

„Die Berufstätigen kaufen vor der Arbeit das Obst, das sie die Woche über im Büro essen. Oder sie machen in der Mittagspause ihre Einkäufe”, hält eine zufriedene Händlerin dieser Feststellung entgegen.

„Der Mittwochmarkt wird nicht genügend beworben”, bedauert ein anderer Händler. Gleichzeitig weiß er aber auch, dass die verbliebene Kundschaft sehr anspruchsvoll geworden ist. Wer mittwochs nicht da sei, werde samstags von den Kunden gemieden, schlussfolgert er und wünscht sich deshalb ebenfalls neue Ideen für den Mittwoch. Schwierig seien auch die vielen Baustellen in der Hauptstadt, die den Verkehrsfluss behindern und die Attraktivität vermindern.

Probleme haben die Händler zum Teil auch mit der neuen Platzverteilung. Obst- und Gemüsehändler wollen nicht in der prallen Sonne stehen, weil das ihre Ware verdirbt. Kleinere Stände fürchten, ins Abseits gedrängt werden. Die Anordnung des Marktes sei ein harmonisches Ganzes. Auch daraus entstehe die typische ‘Maartambiance’, heißt es.

Alternativen

Über die Neugestaltung des Mittwochmarktes denken auch Politik und Verwaltung nach, allen voran Laurent Schwaller, der neue Verantwortliche für „Foires, Marchés et Espaces publics”. Im Raum stehen nach wie vor die Essensstände. Die Initiative eines der Restaurants, Austern und Champagner als „take out” anzubieten, war am letzten Samstag ein Erfolg und hat genau die Stimmung gebracht, die der Markt so sehr vermisst.

Im Raum steht aber auch die Idee, den Mittwochmarkt auf den späten Nachmittag zu verlegen, um den Berufstätigen nach der Arbeit die Gelegenheit zu bieten, ihre Einkäufe zu machen. Die Lokalmärkte in Nachbargemeinden wie Strassen, Mamer, Hesperingen oder Sandweiler, die alle nachmittags stattfinden, geben hier die Richtung vor. Sie sind zwar kleiner als der Wochenmarkt in der Hauptstadt, haben häufig jedoch viel Ambiente. Die Händler, allen voran der neue Präsident des ‘Maarteverband’ bezweifeln allerdings, ob sich das auf den traditionellen Mittwochmarkt umsetzen lässt.

Sie setzen eher auf den angedachten Ausbau der Märkte in einzelnen Stadtvierteln wie Bonneweg oder dem Bahnhofsviertel, das vor dem Tramarbeiten auf dem „Place de Paris” schon einen Wochenmarkt hatte.

„Sonntags dort einen Blumenmarkt einrichten”, stellt sich Patrick Goldschmidt vor. Allerdings wiederum unter der Bedingung, dass die umliegenden Geschäfte mitmachen und es zusätzlich zum Blumenkauf einen Aperitiv oder ein Häppchen gibt.

Aber das ist vorerst noch Zukunftsmusik. Jetzt heißt es erst einmal Kopf oder Zahl – Clairefontaine oder Hamilius?