GutachtenStaatsrat vermisst Erklärung für Lockerung des Lockdowns – Opposition kritisiert „Entscheidung aus der Hüfte“

Gutachten / Staatsrat vermisst Erklärung für Lockerung des Lockdowns – Opposition kritisiert „Entscheidung aus der Hüfte“
Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) und Premierminister Xavier Bettel (DP) konnten den Staatsrat mit ihrer Argumentation nicht überzeugen Foto: Editpress/Julien Garroy

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Der Staatsrat hat sein Gutachten zum Gesetzestext 7743 vorgelegt, das die Rückkehr zum „Lockdown Light“ vorbereiten soll. Die hohe Körperschaft kritisiert vor allem die mangelnden Erklärungen der Regierung für ihre Entscheidungen – eine „opposition formelle“ liegt jedoch nicht vor.

Warum entscheidet sich die Regierung, entgegen ihren eigenen Erklärungen zu einem „Lockdown Light“ zurückzukehren und den Sport- und Kultursektor sowie den Einzelhandel wieder zu öffnen? Diese Frage stellt der Staatsrat in seinem Gutachten zum vorliegenden Gesetzentwurf. „Pourtant, les auteurs du projet de loi sous rubrique proposent la levée de certaines des mesures imposées il y a deux semaines, sans donner des explications“, schreiben die Mitglieder des Staatsrates unter ihrer Präsidentin Agny Durdu. Der „Conseil d’Etat“ hat jedoch keine formale Opposition gegen den Gesetzestext eingelegt.

Damit reiht sich die inoffizielle zweite Kammer Luxemburgs in eine ganze Reihe Kritiker ein – die sich nicht zuletzt durch ein „Santé“-Papier in ihrer Kritik bestärkt fühlen. In dem Bericht der Santé steht: „Der generelle und internationale Kontext erlaubt ganz sicher keine Lockerungen der Maßnahmen. Ganz im Gegenteil, man muss die Einschränkungen verschärfen, um eine neue und noch größere Infektionswelle Anfang 2021 zu verhindern.“

Es mutet etwas absurd an: Der Staatsrat zitiert in seinem Schreiben ausgerechnet die eigens von der Regierung gelieferte Begründung für die Lockerungen. Die hohe Körperschaft stellt fest: „Die Regierung schreibt in ihrer Begründung, dass es nicht möglich sei, zu beurteilen, ob die Maßnahmen, die am 24. Dezember beschlossen wurden, schon ihre volle Wirkung entfaltet haben.“ Trotzdem hebe sie die verschiedenen Maßnahmen ohne weitere Erklärung wieder auf.

Dass die Regierung das Papier der „Santé“ zumindest gelesen hat, belegen mehrere Passagen in der Begründung der Regierung, die die Argumentation der Behörde aufgreift – nur kommt sie am Ende des „Exposé des motifs“ zu einem wesentlich anderen Schluss als der Staatsrat.

Zwei Lesarten

Für den CSV-Abgeordneten Claude Wiseler gibt es keine zwei Meinungen: „Die Kritik des ‚Conseil d’Etat’ ist absolut richtig. Ich finde die Politik, die von der Regierung in dieser Situation betrieben wird, extrem unvorsichtig.“ Claude Wiseler bestätigte dem Tageblatt gegenüber, dass die CSV das neue Maßnahmenpaket demnach auch nicht mitstimmen werde.

Eine andere Lesart bringt die Fraktionsvorsitzende von „déi gréng“, Josée Lorsché, vor: „Ich sehe da keine größeren Probleme mit dem Text. Es gibt keine ‚opposition formelle’ und lediglich einige technische Fehler, die behoben werden müssen.“ Auf den Verweis des Staatsrats angesprochen, dass es an einer Rechtfertigung der Regierung mangele, sagt Lorsché: „Seitdem die Covid-Maßnahmen in Gesetzestexte gegossen werden, verlangt der Staatsrat nach Erklärungen, die aufgrund eines Mangels an wissenschaftlichen Erkenntnissen jedoch nicht vorgelegt werden können. Deshalb wird an den Stellschrauben gedreht, wo viele Menschen zusammenkommen.“

Gilles Baum, DP-Abgeordneter und Mitglied der Gesundheitskommission, will die Kritik des Staatsrates ebenfalls nicht vollständig gelten lassen: „Die Ziele, die wir uns gesetzt hatten – unter 200 Neuinfektionen und eine merkliche Reduzierung der belegten Krankenhausbetten – haben wir erreicht. Die Politik muss zudem nicht nur den gesundheitlichen, sondern auch den gesellschaftlichen Aspekt der Krise verwalten.“ Zudem müsse der mentalen Gesundheit der Menschen Rechnung getragen werden. Ansonsten würden sich die Betten in den psychiatrischen Abteilungen womöglich noch füllen, führt Gilles Baum aus. Auch der Reproduktionsfaktor und die Positivrate bei den durchgeführten Tests seien merklich gesunken. – Ob diese Angaben nicht wegen der Feiertage verzerrt seien? – „Ob wir jetzt bei 1.000 Tests oder 200 Tests eine Positivrate von fünf Prozent aufweisen: Es ergibt sich das gleiche Bild“, sagt der DP-Politiker gegenüber dem Tageblatt.

Repräsentativität

Um mithilfe von „quantitativen Stichproben“ gültige Aussagen zu treffen, müssen sie „repräsentativ“ sein. Eine quantitative Stichprobe ist dann „repräsentativ“, wenn ihre Zusammensetzung in nahezu allen Merkmalen der Bevölkerungszusammensetzung entspricht. Eine Stichprobe mit 100 Personen ist nur in rund acht Prozent der Fälle repräsentativ (Quelle: Bortz/Döring 2003). Demnach unterscheidet sich auch die Aussagekraft je nachdem, ob 200 oder 1.000 Tests durchgeführt werden.

Ein Bauchgefühl

Etwas kritischer sieht das Sven Clement von den Piraten: „Der Staatsrat hat schon ein paar Mal nach einer Grundlage für die Entscheidungen gefragt. Diese wurde ihm im letzten Gesetzestext dann auch geliefert – jetzt wird jedoch wieder aus der Hüfte geschossen.“ Clement kritisierte auch den Zeitdruck, unter den die Regierung sich selbst und das Parlament durch die kurzzeitigen Gesetze setze. „Es ist das erste Gesetz, das weniger als drei Wochen Gültigkeit hatte. Die Regierung hat sich selbst ‚e Cadeau an d’Nascht geluecht’ und muss jetzt wieder einmal schnell ein Gesetz verabschieden – man könnte fast meinen, hier sollen, komme, was wolle, die ‚Solden’ gerettet werden.“ Es sei ungewiss, was die an Heiligabend beschlossenen Maßnahmen letztendlich gebracht haben. Deshalb und aufgrund weiterer Inkohärenzen werden die Piraten den Text auch nicht mitstimmen. Oder in den Worten des Piraten-Abgeordneten: „Mehr als ein Bauchgefühl kann man hier quasi nicht unterstellen.“

Auch „déi Lénk“ rund um Marc Baum werden den Gesetzestext nicht mitstimmen. „Das freiheitsfeindliche Prinzip einer Ausgangssperre werden wir auch weiterhin nicht mittragen“, sagt Baum. Die Menschen würden kollektiv eingesperrt werden, die Verantwortung aber werde individualisiert – ohne dass der Staat mit den Gemeinden die nötigen Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz ergreifen würde. Die ADR wird das Gesetz ebenfalls nicht mitstimmen, sagt der Abgeordnete Jeff Engelen. „Wir haben noch immer klare Erklärungen von der Regierung gefordert. Auch hier ist wieder keine Logik erkennbar“, sagt der ADR-Politiker dem Tageblatt gegenüber. Zudem glaubt Engelen, dass die Maßnahmen durch die ständigen Gesetzesänderungen nicht mehr zu verstehen sind, und fordert eine klare Aufarbeitung seitens der Regierung. „Bei 40 Prozent der Neuinfizierten ist weiterhin unklar, wo sie sich infiziert haben. Hier bedarf es einer genauen Analyse“, lautet die Forderung des ADR-Abgeordneten.

Linda
8. Januar 2021 - 15.05

Waat ech traurech fannen: matt den Patienten an den Spideeler an den Altersheimer::: ass et vabueden och nemen 1Persoun pro Daag Sain Familienmember ze besichen! Dann ass et jo awer 1 Pro Patient. Dann Daag drop ass et rem neen guer keen Besuch: obschons ech dèi streng Oplagen anhaalen get et refüséiert. Zenter Juni 2020 ass et en Kampf vir kenen main Papp besichen ze goen. Seng Moral ass doduerch guer net gut! An meng och net! Ass ongerecht!