ParlamentswahlRumäniens ausgemachte Regierungspartner reiben sich schon vor dem Urnengang

Parlamentswahl / Rumäniens ausgemachte Regierungspartner reiben sich schon vor dem Urnengang
Der rumänische Regierungschef Ludovic Orban von der nationalliberalen Regierungspartei PNL Foto: Daniel Mihailescu/AFP

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Der Sieg von Rumäniens regierenden Nationalliberalen (PNL) bei der Parlamentswahl am Sonntag gilt als ausgemacht. Doch noch fehlt ihr ein Partner im Regierungsboot. Präsident Klaus Johannis befürwortet eine Koalition mit der Anti-Korruptions-Partei URS-Plus. Doch in der PNL regen sich Widerstände.

Aus seiner Skepsis gegenüber dem ausgemachten Partner macht der Generalsekretär von Rumäniens regierenden Nationalliberalen (PNL) schon vor der Parlamentswahl am Sonntag keinen Hehl. „Wiederholt unkollegiale Reaktionen und Attacken“ gegen die von der PNL geführte Minderheitsregierung wirft Robert Sighiartau dem Anti-Korruptions-Bündnis USR-Plus vor. In ein ähnliches missmutiges Horn stößt Daniel Fenechiu, der PNL-Fraktionschef im Senat: Die USR-Plus sei für seine Partei als Regierungspartner „keineswegs die erste Option“.

Im Zeichen der Pandemie werden die Rumänen am Sonntag zu den Urnen schreiten. Trotz Corona- und Wirtschaftskrise gilt der Sieg der seit 2019 regierenden PNL von Premier Ludovic Orban als ausgemacht: Mit prognostizierten 30 bis 35 Prozent dürfte die PNL klar die stärkste Kraft sein.

Nach ihrem Erdrutschsieg von 2016 drohen den seit 2019 oppositonellen Sozialisten (PSD) zwar klare Verluste. Doch nach dem Debakel bei den Europawahlen und der Inhaftierung ihres wegen Korruption verurteilten Ex-Vorsitzenden Liviu Dragnea 2019 hat die PSD unter dem neuen Parteichef Marcel Ciolacu ihren freien Fall gestoppt und zeigte sich schon bei den Kommunalwahlen im September merklich stabilisiert. Laut den Umfragen kann die PSD mit rund 25 Prozent der Stimmen rechnen – und würde sich so als zweitstärkste Partei behaupten.

Zur zumindest dritten Kraft im Karpatenstaat hat sich mit prognostizierten 15-20 Prozent USR-Plus gemausert: Mit aller Macht drängt das Anti-Korruptions-Bündnis auf die Regierungsbank. In der Opposition gegen die von 2016 bis 2019 rasch wechselnden PSD-Regierungen harmonierten die PNL und USR-Plus noch recht gut. Doch seit den Kommunalwahlen sind ihre Beziehungen eher gespannt. In einigen Städten wie Temeswar, Brasov und Albia Iulia luchste USR-Plus mit ihrem Wahlkampf gegen die „Systemparteien“ der PNL die Bürgermeisterposten ab. In Bukarest wurde USR-Chef Dan Barna hingegen mit Unterstützung der PNL zum Stadtvater gewählt.

Die PNL sei eine konservative, von Protestanten und Baptisten geprägte Partei, während sich die Wählerschaft der vor allem in den Großstädten sehr starken USR-Plus aus jungen Wählern rekrutiere, erläutert der Analyst Cristian Pirvulescu gegenüber dem Tageblatt die gegenseitigen Animositäten: „Konservative Politiker der PNL sind gegen die von Präsident Klaus Johannis angestrebte Koalition mit der USR, weil diese ihnen zu liberal ist: Sie bevorzugen eine Koalition mit der rechten PMP von Ex-Präsident Traian Basescu und der ungarischen UDMR.“

„Grundlegende Reformen“

Im rechten Lager formiere sich eine „Mobbing-Meute“ mit dem Ziel, die „noch nicht kompromittierte USR fertigzumachen“, unkt düster das Webportal adz.ro: Eine PNL-USR-Koalition werde „immer unwahrscheinlicher“. Falls die PNL auf 35 Prozent kommen und gleichzeitig die PMP und UDMR mit je 5-7 Prozent ins Parlament rutschen sollten, wäre eine Rechtskoalition zwar „möglich“, rechnet Pirvulescu vor: „Aber sehr wahrscheinlich ist das nicht.“

Tatsächlich könnte nicht nur das Wahlergebnis, sondern auch der Staats- und frühere PNL-Chef Johannis die beiden stärksten bürgerlichen Kräfte zum gemeinsamen Einstieg ins Regierungsboot zwingen. Der Präsident werde bei der Regierungsbildung eine „entscheidende Rolle“ spielen, so Pirvulescu. Das Ziel von Johannis in seinem letzten Mandat seien „grundlegende Reformen“ der Verfassung, der Verwaltung und der Sicherheitsdienste: „Die einzige Kraft, die das auch offen anstrebt, ist die USR – und darum will Johannis sie in der Regierung: Der Präsident will Premier Orban mit Hilfe der USR kontrollieren.“

Der Wahlausgang wird laut Pirvulescu auch vom Wählerzuspruch abhängen: Eine niedrigere Beteiligung könnte der PSD, eine höhere URS-Plus zugute kommen. Doch egal, wie sich die neue Koalition zusammensetzt: Die Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie wird für sie die größte Herausforderung sein. Für 2020 wird mit einem Minuswachstum von 4,2 Prozent und dem Anstieg des Haushaltsdefizits auf 9,1 Prozent gerechnet.