ReformenPräsidenten geben Startschuss für die EU-Zukunftskonferenz

Reformen / Präsidenten geben Startschuss für die EU-Zukunftskonferenz
V.r.n.l.: EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, EP-Präsident David Sassoli und Portugals Premierminister und amtierender Ratspräsident Antonio Costa unterzeichneten am 10. März das Gründungsdokument für die Zukunftskonferenz Foto: AFP/Pool/Johanna Geron

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Fast zwei Jahre nach der Europawahl 2019 sucht die EU wieder das Gespräch mit den Bürgern. In Brüssel fiel gestern der Startschuss für die „Konferenz zur Zukunft Europas“, die den Weg für eine EU-Reform ebnen soll. Die Bürger dürfen dabei auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene mitreden – jedenfalls in der Theorie.

Die Praxis ist etwas komplizierter. Zum Auftakt am Mittwoch im Europaparlament gaben nicht etwa Vertreter der Zivilgesellschaft den Ton an, sondern die EU-Chefs. Der Präsident des Parlaments, David Sassoli, Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Portugals Regierungschef Antonio Costa unterzeichneten das Gründungsdokument.

„Heute wollen wir hören, wovon die EU-Bürger träumen“, sagte von der Leyen. Die Zukunftskonferenz wolle die „stille Mehrheit“ erreichen, um die richtigen Reformen anzugehen. Parlamentspräsident Sassoli sprach von einem „besonderen Tag für die europäische Demokratie“. Die EU müsse mehr auf ihre Bürger hören. Nach der Europawahl im Mai 2019 hatte keiner der offiziellen Spitzenkandidaten eine Mehrheit im Europaparlament auf sich vereinen können. Von der Leyen war schließlich von den 27 Staats- und Regierungschefs eingesetzt worden – ohne die Bürger zu befragen. Dies hatte Zweifel an der demokratischen Legitimation geweckt.

Die Zukunftskonferenz soll nun darüber nachdenken, ob und wie das System der Spitzenkandidaten reformiert werden kann. Auch die Klimakrise, die Corona-Pandemie und die Migrationspolitik sollen zur Sprache kommen. „Wir müssen mehr Demokratie wagen und Europa wieder handlungsfähig machen“, fordert die Abgeordnete der S&D-Fraktion Gaby Bischoff.

An die Arbeit geht es allerdings erst am 9. Mai, zum Europatag. Dann soll es eine Veranstaltung im Europaparlament in Straßburg geben. Die ersten großen Bürgerforen dürften sogar erst im Herbst stattfinden – wenn es die Pandemie-Lage erlaubt. Mit Ergebnissen wird im ersten Halbjahr 2022 gerechnet, unter französischem EU-Vorsitz. Die Vorschläge dürften am Ende nicht „in der Schublade landen“, warnt Bischoff. Die Politik müsse sich mit den Vorschlägen der Bürger intensiv auseinandersetzen und auch ein Feedback geben.

Bürger sollen nicht zu viel verlangen

Ähnlich äußerte sich Sven Simon von der EVP: „Die Konferenz darf keine Übung in Selbstbeschäftigung der EU-Institutionen werden.“ Simon spielt damit auf die Vorbereitungen an. Der Rat, die Kommission und das Europaparlament stritten monatelang über die Frage, wer die Zukunftskonferenz leiten darf. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron schlug den Belgier Guy Verhofstadt vor, den langjährigen Chef der Liberalen. Er ist überzeugter Europäer und Föderalist.

Doch Macron stieß auf Widerstand mehrerer EU-Staaten, für die Verhofstadt der Vertreter eines „Superstaats Europa“ ist. Schließlich einigte man sich auf ein dreiköpfiges Führungsgremium: Jede EU-Institution bekommt einen Präsidenten. Eine Ebene darunter soll ein „Exekutivausschuss“ angesiedelt sein. Hier soll wiederum jede der drei Institutionen drei Vertreter stellen.

Weniger Energie verwendeten die EU-Politiker auf die Frage, was am Ende aus den Ergebnissen der Konferenz werden soll. Eine Verpflichtung zur Umsetzung der Reformideen gibt es deshalb nicht. Falls die Bürger auf die Idee kommen sollten, die „Vereinigten Staaten von Europa“ auszurufen, hätten sie schlechte Karten. Denn dafür – und für viele andere weitreichende Reformen – wäre eine Änderung der EU-Verträge nötig. Dem müssten dann alle 27 EU-Staaten zustimmen. Dies wäre eine fast unüberwindbare Hürde, heißt es in Brüssel. Die Bürger sollen daher kleinere Brötchen backen – und sich auf „realistische“ Reformen beschränken.