Per Gesetz vom 18. August 2018 hatte das Parlament fast einstimmig der Regierung erlaubt, 170 Millionen Euro für den Kauf eines Erdbeobachtungssatelliten samt Zubehör auszugeben. Finanziert wären damit auch die Start- und späteren Betriebskosten während mindestens zehn Jahren. Der Satellit soll aus erdnaher Umlaufbahn hochauflösende Bilder schießen. Abnehmer wären die NATO-Armeen.
Knapp zwei Jahre später teilt Verteidigungsminister François Bausch („déi gréng“) dem Parlament jedoch mit, das von seinem Amtsvorgänger Etienne Schneider (LSAP) angeleierte Projekt werde zusätzliche Millionen Euro verschlingen. Ursprünglich ist die Rede von 180 Millionen Euro. Der Betrag wird jedoch später nach eingehender Analyse auf 139 Millionen Euro veranschlagt. Über das entsprechende Finanzierungsgesetz muss das Parlament am Donnerstagnachmittag abstimmen.
Das Dossier beschäftigt seit Monaten bereits die Budgetkontrollkommission des Parlaments. Für deren Präsidentin Diane Adehm (CSV) habe man es hier längst schon nicht mehr mit einem Dossier LUXEOSys, sondern mit einer Affäre LUXEOSys zu tun, sagte sie am Mittwoch. Der Satellit wurde bei der Firma OHB Italia erworben. Eine Ausschreibung erfolgte nicht, so einer der Kritikpunkte von Adehm. Bereits damals schon dürfte klar gewesen sein, dass das Geld nicht ausreichen würde. Sie spricht von Favoritismus zugunsten von OHB. Eine entsprechende Frage an Etienne Schneider, den der Ausschuss um zusätzliche Informationen gebeten hatte, habe dieser nicht beantwortet. Bausch hält sie vor, das Parlament erst spät, im März 2020, über die Finanzierungsprobleme informiert zu haben. Warum dies nicht bereits im Sommer geschah, fragt sie. Sollte etwa der Abgang Schneiders aus der Regierung im Dezember 2019 abgewartet werden?
Steuerung und Kontrolle ausgelagert
Erst Frühjahr dieses Jahres erfuhr der Parlamentsausschuss davon, dass die Steuerungsanlagen unter anderem die Antenne nicht – wie zuerst gedacht – auf Herrenberg errichtet werden könnten. Sie sollen nun im belgischen Redu aufgebaut werden. Ursprünglich sollte das Projekt ganz in den Händen der Luxemburger Armee liegen. Nur wusste Letztere bis vor kurzem nichts davon. Die Armee sollte sich unter anderem mit der Auswertung des Bildmaterials und dessen Vermarktung beschäftigten. Doch wie die Armee die benötigten Fachkräfte rekrutieren und ausbilden soll, sei bisher nicht bekannt, so Fernand Kartheiser (ADR). Derzeit fehlen den Luxemburger Streitkräften derlei Kompetenzen. Bis heute liege kein diesbezügliches Konzept vor, sagt Kartheiser. Die fachliche Auswertung der Bilder erfordere eine Ausbildung von mindestens sechs Monaten. Das sei in Belgien der Fall. Doch die Ausgangsbildung in Luxemburg sei eine andere, gibt Kartheiser zu bedenken. Luxemburger Armeeangehörige wären wohl erst nach Jahren voll einsatzfähig.
Ausgelagert werden müssen auch die Kontrolle und die Steuerung des Satelliten. LuxGovSat, die von Staat und SES getragene Satellitenbetreibergesellschaft, zog sich aus dem LUXEOSys-Geschäft zurück. Was die Firma zu diesem Schritt bewog, ist den Mitgliedern des Kontrollausschusses nicht klar. Bisher habe man noch keine eindeutige Antwort bekommen, so Sven Clement („Piratepartei“). Verwundert zeigte er sich über flagrante Planungsfehler. So wurde anscheinend die Planung eines zweiten Datenzentrums als Back-up vergessen. Nicht berücksichtigt wurden im ursprünglichen Projekt die Kosten für gesicherte Leitungen zwischen den verschiedenen Standorten. Dass bei den Berechnungen sogar vergessen wurde, „banales Computerequipment“ zu berücksichtigen, interpretiert Clement dahingehend, dass es wohl zuerst darum ging, Aufträge für die Antennen zu vergeben.
Ungenauigkeiten
Das Dossier strotzt vor Ungenauigkeiten und widersprüchlichen Aussagen, beklagen sich die Oppositionsvertreter. So habe der damalige Verteidigungsdirektor Patrick Heck zuerst behauptet, das Anbringen der Antenne auf Herrenberg sei kein Problem. Nun werde sie jedoch im belgischen Redu errichtet, erinnert David Wagner („déi Lénk“). Man werde mit Aussagen konfrontiert, die nicht stimmen, sagt er.
Die vier Oppositionsparteien fordern daher das Einsetzen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Gegner dieses Vorschlags argumentieren, man werde bloß dieselben Zeugen erneut hören. Dessen ist sich auch Wagner bewusst. Doch dieses Mal müssten die Betroffenen unter Eid aussagen. Eine Falschaussage hier hätte andere Folgen. Wenn die Mehrheitsparteien nichts zu verbergen haben, müssten sie die Motion der Opposition stützen.
Fortsetzung am Donnerstagnachmittag im Parlament.
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