KulturNachhaltige Narrative: Esch2022 stellt Teile des Programms vor, verrät allerdings wenig Konkretes

Kultur / Nachhaltige Narrative: Esch2022 stellt Teile des Programms vor, verrät allerdings wenig Konkretes
Françoise Poos und Vincent Crapon stellten eine Auswahl des Kulturprogramms vor Foto: Editpress/Tania Feller

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Auf einer Pressekonferenz am Donnerstag wurden Teile der von Esch2022 eigens initiierten Projekte und die bespielbaren Stätten am historischen Industriestandort Belval – die „Möllerei“, die „Massenoire“ und der „Plancher des coulées“ – vorgestellt. Die Evaluation des Projektaufrufs ist offenbar abgeschlossen – mehr als die Investitionskosten (18,1 Million) und die Anzahl der ausgewählten Projekte (140 von 600) wollte man der Presse allerdings nicht verraten.

„Trotz Covid-19 war es bisher ein sehr produktives Jahr für Esch2020, da wir tagtäglich am Programm für das Kulturjahr gearbeitet haben“, so die Künstlerische Leiterin Françoise Poos, die kürzlich Christian Mosar ersetzte, der seinerzeit an Janina Strötgens Stelle trat. Man habe in letzter Zeit an sechs Ausstellungen gearbeitet, die in der früheren „Möllerei“ und der „Massenoire“ eingerichtet werden – und zudem die Evaluationsphase des Projektaufrufs abgeschlossen.

Die Schau mit dem Arbeitstitel „Perspectives of Europe“ ist eines der bisherigen Herzstücke von Esch2022 und soll das Kulturjahr abschließen. Laut Pit Péporté von der Agentur Historical Consulting soll die Ausstellung das europäische Narrativ und die Gemeinplätze, die diesem innewohnen, kritisch hinterfragen. Die Ausstellung möchte sich weg vom „großen Narrativ“ (Lyotards „métarécit“) hin zu der nicht linearen, dem Postmodernismus geschuldeten Erzählweise der „histoires croisées“ bewegen. Die Gründungsväter der EU seien allesamt „reich, weiß, christlich, kultiviert und alt“ – die Ausstellung möchte erforschen, in welchem Sinne diese Adjektive eine kritische Hinterfragung des dominanten Narrativs erlauben.

Drei weitere Ausstellungen – „Remix Identity“ vom Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe, „Remix Nature“ vom Haus der elektronischen Künste in Basel und „Remix Art“ von Ars Electronica in Linz – sollen sich mithilfe elektronischer Kunst mit den ökologischen und technologischen Herausforderungen unserer Zeit auseinandersetzen.

In der „Massenoire“ sind zwei weitere Ausstellungen geplant: Während das C2DH eine Ausstellung vorstellt, die sich mit der Migrationsgeschichte in der Großregion beschäftigt, werden sich Regisseur Samuel Bollendorff und Tonregisseur Mehdi Ahoudig im Laufe einer immersiven Dokumentarausstellung mit dem Alltag der Grenzgänger auseinandersetzen. Auf dem „Plancher des coulées“ wird eine Bühne installiert, auf der das Trois C-L und das Lucoda („Luxembourg Collective of Dance“) zeitgenössische Tanzchoreografien quasi am Fuße eines Hochofens entwerfen.

Wenig transparent

Auffällig ist dabei, dass die am Donnerstag angekündigten Ausstellungen bisher hauptsächlich mit effektheischenden Schlagwörtern vorgestellt wurden – wohingegen die Projekte des Bid-Books, das der damalige Koordinator Andreas Wagner und die damalige Künstlerische Leiterin Janina Strötgen zusammengesetzt hatten und von dem heute wenig übrig zu bleiben scheint, schon damals einleuchtender und präziser konzipiert waren. Sogar die Arbeitstitel der Ausstellungen wiederholen bisher oft bloß die vier von Esch2022 vorgegebenen thematischen Schwerpunkte des Kulturjahrs (Remix Art, Remix Nature, Remix Identity, Remix Yourself).

Dieser Mangel an Transparenz scheint auch in der Ankündigung durch, man habe die Evaluationsphase des Projektaufrufs abgeschlossen. Aus den 600 eingereichten Projekten seien 140 ausgewählt worden, 18,1 Million Euro werde man in die Projekte investieren, mit den Projektträgern sollen Anfang November Konventionen unterschrieben werden, so Françoise Poos.

Die finanziellen Ressourcen, die Esch2022 investiert, sind bis zu 50 Prozent des Kostenpunkts gedeckelt, zu manchen Projekten habe man allerdings weniger beigesteuert – „unsere finanziellen Ressourcen sind nicht endlos“, erklärte Françoise Poos. Man habe den finanziellen Beitrag aber stets mit den Projektträgern besprochen.

Nachhaltig und komplex

Wieso man 460 Projekte abgelehnt habe? „Weil man eine Auswahl treffen musste“, so Poos. Die Auswahlkriterien kenne mittlerweile doch jeder: „Es geht nicht darum, ein einmaliges Event-Festival zu organisieren, sondern etwas Nachhaltiges zu schaffen.“ In welchem Sinne die ausgewählten Projekte die Kulturlandschaft auch auf Dauer prägen werden, ist allerdings schwer zu beurteilen, wenn die Vorstellung dieser Projekte weiterhin auf sich warten lässt: Wer sich von der Pressekonferenz eine vollständige Liste der 140 Projekte erwartete, wurde enttäuscht – was umso bedauerlicher ist, da sich die empörten Äußerungen bekannter Kulturakteure über zurückgewiesene Dossiers mittlerweile häufen. Während der Pressekonferenz wurde hauptsächlich auf renommierte Kulturinstitutionen des Südens – die Kufa, den Escher Theater, den „Pôle de l’Image“ in Villerupt – verwiesen, von Künstlerkollektiven und deren konkreten Projekten war kaum die Rede.

Hier müsse man noch ein wenig Geduld haben, meinte Françoise Poos, man wolle den verschiedenen Projektträgern zu einem späteren Zeitpunkt die Gelegenheit bieten, ihre Projekte selbst vorzutragen – das wäre persönlicher, zudem handele es sich meist nicht bloß um isolierte Events, sondern um langatmige Projekte, die Genres und Sparten zusammenführen und die man sorgfältig vorstellen wolle.

Andreas Wagner und Janina Strötgen war es damals wichtig, Esch mit Belval zu verbinden, um so dem seelenlosen Shopping- und Finanzzentrum auf Belval neues Leben einzuhauchen und neue Impulse zu setzen. Am Donnerstag erhielt man jedoch den Eindruck, die Kulturhauptstadt würde sich ausschließlich mit der Industriestätte befassen, die konkretere Verbindung zu Esch schien kaum erkennbar.

Drei der ausgewählten Projekte wurden dann doch erwähnt, weil sie exemplarisch die thematische Verbindung zu Belval und zur industriellen Vergangenheit des Südens herstellen werden: „Remix Place“ von der geografischen Fakultät der Uni Luxemburg; „Remix Science – The Sound of Data“, eine Zusammenarbeit des FNR, des LIST, der Uni und der Rockhal, sowie „A Colonia Luxemburguesa“, ein interaktiver Dokumentarfilm von Forscherin Dominique Santana und Filmemacher Bernard Michaux über die Verflechtung zwischen brasilianischer Migrationsgeschichte in Luxemburg und der Geschichte der Arbed wurden quasi stellvertretend für die externen Projekte erwähnt.

Der „Plancher des coulées“ vor dem Hochofen wird zur Bühne für zeitgenössischen Tanz
Der „Plancher des coulées“ vor dem Hochofen wird zur Bühne für zeitgenössischen Tanz  Foto: Editpress/Feller Tania
Turmalin
3. November 2020 - 13.17

"Wenig Konkretes" ist das Motto des Escher Schöffenrats.

raymond
30. Oktober 2020 - 16.41

Wer nichts weiß, kann auch nichts verraten, konkret oder nicht.

Romano
30. Oktober 2020 - 13.50

Wird sowieso alles abgesagt werden.