Ukraine-KriseNach „offenen“ Gesprächen in Genf warnt US-Außenminister Blinken Russland vor Krieg

Ukraine-Krise / Nach „offenen“ Gesprächen in Genf warnt US-Außenminister Blinken Russland vor Krieg
Blinken und Lawrow am Freitag in Genf: Handschlag auf das Weiterreden Foto: dpa/Alex Brandon

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Blinken und Lawrow wollen die diplomatischen Bemühungen im Ukraine-Konflikt fortsetzen. Das ist die gute Nachricht vom Freitag nach den Gesprächen der Außenminister der USA und Russlands in Genf. Die Ukraine-Russland-Krise ist aber keineswegs gelöst. Beide Seiten rüsten weiter auf. Jetzt drängt sich ein neuer Vermittler auf.

US-Außenminister Antony Blinken und sein russischer Kollege Sergej Lawrow haben sich auf eine Fortsetzung der diplomatischen Bemühungen in der Ukraine-Krise geeinigt. Blinken schloss bei dem Treffen in Genf am Freitag auch einen Austausch zwischen US-Präsident Joe Biden und Russlands Staatschef Wladimir Putin nicht aus. Die US-Regierung werde Moskau nächste Woche schriftliche „Ideen“ zur Beilegung der Krise vorlegen.

Washington sei zu einem erneuten Gespräch zwischen Biden und Putin bereit, falls beide Seiten zu dem Schluss kämen, dass dies „der beste Weg ist, die Dinge zu lösen“, sagte Blinken. Die beiden Staatschefs hatten zuletzt Ende Dezember in einem Telefonat über die Ukraine-Krise gesprochen. Blinken bezeichnete das Treffen mit Lawrow als „offenes“ Gespräch ohne „Polemik“, warnte jedoch erneut vor einem russischen Einmarsch in die Ukraine: Dieser würde eine „gemeinsame, rasche und ernste“ Reaktion nach sich ziehen, sagte er.

Kopfschütteln in Rumänien und Bulgarien

Lawrow sprach nach dem Treffen ebenfalls von einem „offenen“ Austausch. Beide Seiten seien sich über die Notwendigkeit eines „vernünftigen Dialogs“ einig. Er hoffe, dass sich die „Gemüter nun beruhigen“, sagte der russische Außenminister.

Unmittelbar vor dem Treffen hatte die russische Regierung ihre Forderungen an den Westen bekräftigt: Die NATO müsse ihre ausländischen Soldaten sowie „Ausrüstung und Waffen“ aus allen Ländern abziehen, die bis 1997 nicht Teil des Verteidigungsbündnisses waren, erklärte das Außenministerium in Moskau. Explizit nannte das Ministerium dabei auch die EU- und NATO-Mitglieder Rumänien und Bulgarien.

Die rumänische Regierung wies die Forderungen als „inakzeptabel“ zurück. Bulgariens Staatspräsident Rumen Radew erklärte am Freitag in einer schriftlichen Stellungnahme, die Forderung Russlands zum Abzug der NATO-Kräfte sei „unannehmbar und grundlos“. In Bulgarien gebe es keine ständig stationierten Kontingente und Kampftechnik der Allianz. „Unser Land nimmt keine ultimativen Forderungen von niemandem an“, so Radew.

Ich kann nicht sagen, ob wir auf dem richtigen Weg sind oder nicht

Sergej Lawrow, russischer Außenminister

Moskau verlangt von der NATO auch einen schriftlichen Verzicht auf eine weitere Osterweiterung. Das Verteidigungsbündnis lehnt dies ab. „Wir gehen davon aus, dass wir Russland in der nächsten Woche unsere Bedenken und Ideen in schriftlicher Form detaillierter mitteilen können“, sagte Blinken am Freitag.

Lawrow erklärte mit Blick auf die angekündigten US-Vorschläge: „Ich kann nicht sagen, ob wir auf dem richtigen Weg sind oder nicht. Wir werden es wissen, wenn wir eine Antwort bekommen.“ Eine Diskussion über ein Gipfeltreffen von Putin und Biden bezeichnete er jedoch als „verfrüht“.

Wegen des massiven russischen Truppenaufmarschs an der Grenze zur Ukraine befürchtet der Westen, dass Russland einen Einmarsch in das Nachbarland vorbereitet. Blinken forderte Moskau erneut zum Abzug seiner Truppen von der ukrainischen Grenze auf. „Wenn Russland die Welt davon überzeugen will, dass es keine aggressiven Absichten gegenüber der Ukraine hegt, wären eine Deeskalation und der Abzug der Streitkräfte an der ukrainischen Grenze ein sehr guter Anfang“, sagte er.

Zeichen des Krieges in der Volksrepublik Donezk
Zeichen des Krieges in der Volksrepublik Donezk Foto: AFP/Alexander Nemenov

Die US-Geheimdienste warnten zuletzt, dass einer russischen Invasion eine militärische Intervention Russlands „unter falscher Flagge“ in der Ukraine vorausgehen könnte. Lawrow sagte am Freitag, Russland habe das „ukrainische Volk niemals“ bedroht.

In der Ostukraine kämpfen prorussische Separatisten seit 2014 gegen die ukrainische Armee. Der Westen wirft Moskau vor, die Separatisten militärisch zu unterstützen, was der Kreml bestreitet. In dem Konflikt wurden bereits mehr als 13.000 Menschen getötet.

Am Freitag erklärte der ukrainische Militärgeheimdienst, Russland habe seine Waffenlieferungen in die selbsternannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk zuletzt aufgestockt. Moskau versorge die Separatisten unter anderem mit Panzern, Artilleriesystemen, Munition und Treibstoff. Im russischen Parlament legten Abgeordnete derweil einen Gesetzentwurf zur Anerkennung der Unabhängigkeit der „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk vor. Diese würde der „Sicherheit unserer Bürger und Landsleute dienen“, sagte der Vorsitzende des Unterhauses, Wjatscheslav Wolodin, am Freitag.

Wenig Gegenliebe für Erdogans Angebot 

Ebenfalls am Freitag hat sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan – erneut – als Vermittler angeboten. Er werde bald in die Ukraine reisen, sagte Erdogan. „In der Zwischenzeit könnte es ein Telefonat mit Herrn Putin geben, oder ich könnte Moskau besuchen.“

Erdogan hatte sich bereits in der Vergangenheit als Vermittler im Ukraine-Konflikt ins Spiel gebracht, der Kreml reagierte darauf bislang aber stets zurückhaltend. Die Türkei ist ein wichtiger Verbündeter Kiews und hat mehrere Rüstungsverträge mit der ukrainischen Regierung. Vor allem die Lieferungen von türkischen Kampfdrohnen beunruhigt Moskau. Ende Oktober vergangenen Jahres hatte die Ukraine eine solche TB2-Drohne zum ersten Mal zum Abschuss von militärischem Gerät in den besetzten Gebieten im Osten des Landes benutzt. Die Bemühungen der Ukraine um einen NATO-Beitritt unterstützt Ankara.

Russland und die Türkei standen sich zuletzt in mehreren Konflikten gegenüber. In Syrien bekämpfen sich beide Staaten in der Region Idlib, patrouillieren aber gemeinsam im Nordwesten des Landes. Auch im Libyen-Konflikt vertraten Moskau und Ankara unterschiedliche Positionen. Und im Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um Bergkarabach unterstützte Ankara Baku mit TB2-Drohnen und türkischen Offizieren, um diese zu steuern. Es war das erste Mal, dass eine fremde Macht auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetrepublik offen in einen Krieg eingriff. Trotzdem pflegen Erdogan und Putin nach außen hin enge Beziehungen. Am Donnerstag hatte Erdogan seine „herzlichen Beziehungen sowohl zur Ukraine als auch zu Russland“ hervorgehoben. Am Freitag bekräftigte er: „Wir wollen, dass der Frieden in unserer Region sich durchsetzt, und um das zu erreichen, sind wir zu allem bereit.“

Gedenken an gefallene Soldaten in Kiew
Gedenken an gefallene Soldaten in Kiew Foto: AFP/Präsidentenamt Ukraine

Die Niederlande erwägen unterdessen, Verteidigungswaffen an die Ukraine zu liefern. Eine entsprechende Bitte des Landes werde wohlwollend geprüft, sagte Außenminister Wopke Hoekstra am Donnerstagabend im Parlament in Den Haag nach einem Bericht der Nachrichtenagentur ANP. Die Ukraine hatte am Donnerstag um Militärhilfe gebeten. Eine Mehrheit des Parlaments unterstützt dem Bericht zufolge die Lieferungen. Deutschland, das ebenfalls um Waffenlieferungen gebeten wurde, verweigert diese. Großbritannien hat bereits Panzerabwehrraketen in die Ukraine geflogen. 

Auch Blinken kündigte am Freitag nach seinem Treffen mit Lawrow an, seine Regierung werde nicht auf die nächsten Schritte Russlands warten und dann erst reagieren. In den kommenden Wochen werde weitere Militärhilfe in die Ukraine geliefert, sagte Blinken.