Parlament / Mit der Pandemie im Nacken plant Luxemburg Veränderungen im Gesundheitswesen

Unter der Ägide von Gesundheitsministerin Paulette Lenert soll nicht nur die Pandemie besiegt werden – Luxemburgs Gesundheitssystem soll auch im 21. Jahrhundert ankommen (Foto: Editpress/Julien Garroy)
Nicht nur Corona: In den vergangenen Monaten war die Gesundheitskommission des Parlaments hauptsächlich mit Covid-19-Gesetzen beschäftigt. In der Hinsicht stellt die Sitzung am Dienstag eine Ausnahme dar. Zwar waren auch die Pandemie und die Impfkampagne Gesprächsthema der Abgeordneten, vor allem aber standen die Baustellen der Gesundheitspolitik der nächsten Monate und Jahre auf dem Plan. Ein Überblick.
Die immer noch weltweit grassierende Pandemie hat auch im Luxemburger Gesundheitswesen Routinen und Gewissheiten auf den Kopf gestellt. Von einer Umstellung auf telemedizinische Sprechstunden während des Lockdowns im März hin zur Schaffung der „Réserve sanitaire“ – viele Veränderungen geschahen plötzlich und erforderten Improvisationstalent. Die CSV hatte deswegen eine Debatte über die „Schlussfolgerungen der Pandemie“ auf die Tagesordnung gesetzt. Ihr Abgeordneter Claude Wiseler zeigte sich im Gespräch mit dem Tageblatt nach der Sitzung ungewohnt versöhnlich: „Es geht hier nicht um Schuldzuweisungen oder darum, was falsch gelaufen ist, sondern darum, was wir für die Zukunft der Gesundheitspolitik in Luxemburg mitnehmen.“
Konkret verlangte die CSV nach einer Einbindung des Parlaments beim „Gesondheetsdësch“ – einer Initiative, die Gesundheitsministerin Paulette Lenert und Sozialversicherungsminister Romain Schneider (beide LSAP) kurz vor Ausbruch der Pandemie ins Leben gerufen haben. Ziel des „Gesondheetsdësch“ ist es, die Akteure des Gesundheitssystems an besagten Tisch zu bringen und mit ihnen gemeinsam Maßnahmen zu entwickeln, um das Gesundheitswesen fit für die Zukunft zu machen. Da diese Gespräche mittelfristig zu neuen Gesetzen führen sollen, möchte die größte Oppositionspartei bereits im Vorfeld über den Verlauf der Debatten informiert werden. „Die Antworten heute waren in der Hinsicht durchaus positiv“, sagt Wiseler.
Die ambulante Wende – ein zweischneidiges Schwert?
Eine Herzensangelegenheit der CSV ist in dem Rahmen die sogenannte „ambulante Wende“. Deren Ziel besteht darin, die stationären Aufenthalte in Krankenhäusern zu reduzieren und verschiedene medizinische Tätigkeiten in lokalen Gemeinschaftspraxen freischaffender Ärzte oder sogar über unterschiedliche Pflegedienste direkt beim Patienten zu Hause vornehmen zu können. „Das wurde bereits unter Gesundheitsminister Etienne Schneider angepackt“, sagt Wiseler. „In der Pandemie kamen verschiedene Maßnahmen bereits zum Einsatz, so etwa telefonische Sprechstunden.“ Wiseler merkt an, dass in diesem Bereich indes noch viele Punkte zu klären seien, sowohl im Bereich der Tarifgestaltung, aber auch hinsichtlich der Verteilung der Aufgaben und der Haftung für mögliche Fehler.
Als „zweischneidiges Schwert“ bezeichnet Marc Baum („déi Lénk“) den Vorstoß der Christsozialen auf diesem Gebiet. „Die CSV macht sich hier zur Sprecherin der AMMD und der Gemeinschaftspraxen, also der liberalen Medizin.“ Baum sieht in der ambulanten Wende, sollte sie nicht richtig angepackt werden, das Risiko einer Zwei-Klassen-Medizin, bei der marktwirtschaftliche Erwägungen der Ärzte dem Interesse der Patienten gegenüberstehen könnten. „Wenn eine Gemeinschaftspraxis sich nun beispielsweise ein Röntgengerät anschafft, haben die Ärzte der Praxis dann auch ein Interesse, mehr Röntgenuntersuchungen zu verschreiben.“ Hier gelte es, Vorsicht walten zu lassen. Baum vermutet allerdings, dass es unter Paulette Lenert in diesem Bereich zu einem Paradigmenwechsel komme, da die Gesundheitsministerin in solchen Fragen eher sozialistische Positionen vertrete als ihr Vorgänger.
Auch Mars Di Bartolomeo (LSAP), Präsident der Gesundheitskommission, gibt sich in der Hinsicht kompromisslos. „Wir brauchen eine Medizin, die nahe am Menschen ist.“ Dabei müsse eine solche Umstellung aber in der Logik des Luxemburger Gesundheitssystems bleiben. Der universelle Zugang für alle Menschen, die solidarische Finanzierung durch die Gemeinschaft, die Planbarkeit auf nationaler Ebene und das Verhindern einer Zwei-Klassen-Medizin seien nicht anfechtbar. „Merkantilismus hat in unserer Medizin nichts verloren. Es kann nicht sein, dass sich die liberalen Ärzte die Kirschen herauspicken und der Rest bleibt an den angestellten Medizinern hängen.“
Hegen und Pflegen
Ein weiterer Punkt auf der Tagesordnung seien die Probleme und Engpässe in den Gesundheitsberufen selbst. Die ANIL, der Verband der Luxemburger Pflegekräfte, hatte Anfang des Jahres in einem „Brief an das Christkind“ eine Reihe von Forderungen formuliert, unter anderem eine dichtere Besetzung der Nachtschichten in Alters- und Pflegeheimen sowie einen gemeinsamen Pool an Personal, um Engpässe in einzelnen Einrichtungen besser auffangen zu können. Im Zuge des „Gesondheetsdësch“ sollen nun Vertreter der einzelnen Berufe, aber auch Gewerkschaften und Institutionen selbst zu Wort kommen. Unter anderem soll auch die Anerkennung von Ausbildungen und Abschlüssen Thema der Debatte sein. Diese Gespräche sind laut Baum und Di Bartolomeo für den Zeitraum zwischen Fastnacht und Ostern geplant. Die Fraktionen im Parlament sollen hierbei Vorschläge zu den Personen machen, die eingeladen werden.
Vor dem Abschluss steht indes das Gesetzesprojekt zum „Observatoire sanitaire“: Gemeint ist hiermit nicht etwa eine Sternwarte, die aus den Bewegungen der Himmelskörper medizinische Vorhersagen ableitet, sondern ein neu zu schaffendes Expertengremium, welches das Luxemburger Gesundheitswesen fortwährend auf Herz und Nieren prüft – ein institutionalisierter Audit, wenn man denn so will. „Das ,Observatoire‘ soll das System durchleuchten und untersteht direkt der Ministerin“, so Di Bartolomeo. Das Ziel ist es wohl, ein kompetentes Gegengewicht zu den Eigeninteressen der bereits vorhandenen Akteure zu schaffen – über die Besetzung des Gremiums ist bislang allerdings noch nichts bekannt.
Neben den organisatorischen und personellen Veränderungen stehen allerdings auch noch Erweiterungen im Bereich der Infrastruktur auf dem Plan – Di Bartolomeo nennt hier An- und Neubauten beim CHL und dem Krankenhaus auf dem Kirchberg, aber auch das neue „Südspidol“ in Esch, das die Kapazitäten des CHEM aus Düdelingen, Niederkorn und Esch an einem Standort vereinen soll. „Hier wird die Kommission die Entwicklungen und die Finanzierung unter die Lupe nehmen.“
Nicht ohne Corona
Ganz ohne die Pandemie kann allerdings keine Sitzung der Gesundheitskommission verlaufen. Marc Baum äußert Kritik an der laufenden Impfkampagne. „Die Regierung verweist auf das ausstehende Gutachten des Ethikrats. Das reicht nicht.“ Es sei verständlich, dass es seitens der Regierung keine großen Pläne gebe, solange der Impfstoff nicht geliefert sei. „Trotzdem – inzwischen wurde in elf Alten- und Pflegeheimen geimpft, in elf weiteren laufen die Vorbereitungen.“ Wann aber die folgenden 35 Heime an die Reihe kommen, sei nicht bekannt – hier wünscht sich der Abgeordnete von „déi Lénk“ eine klarere Ansage seitens der Regierung.
„Es ist sinnvoll, dass sich noch niemand darauf einstellt, geimpft zu werden, wenn der Impfstoff nicht da ist“, sagt hingegen Di Bartolomeo. Es bringe nichts, wenn die Leute sich zur Impfung melden und im Anschluss eine Absage erhalten. Der LSAP-Politiker verweist auf Deutschland, wo ein Teil der Logistik inzwischen darauf verwendet werde, allzu voreilig eingeladenen Patienten die Absagen zuzustellen. Bei den Alters- und Pflegeheimen beruft sich Di Bartolomeo darauf, dass der Verband der Heime, die Copas, in dem Rahmen wohl eigene Analysen vorliegen habe, um die nächsten Ziele der Kampagne zu bestimmen.
Der nächste Regierungsrat soll laut Di Bartolomeo am Wochenende zusammentreten, ab nächster Woche wird sich dann klären, welche weiteren Maßnahmen im Rahmen der Pandemie getroffen werden. Mit weiteren Lockerungen rechnet Di Bartolomeo indes nicht. „Wir haben jetzt vergleichbare Zahlen wie unsere Nachbarländer. Weitere Öffnungen hat in der Kommission heute niemand gefordert.“
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Geplante Veranderungen im Gesundheitswesen? Lassen Sie mich raten: Abschaffen von „überflüssigen“ Klinikbetten, „Zusammenlegen“ von Diensten, so dass weniger Personal mehr Arbeit erledigen muss, sowie ganz allgemein Verringerung des Personals bei gleichzeitiger Verkomplizierung der Arbeitsabläufe. Etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen.
Wenn ein „tzozialistischer „ex-Minister der von Medizin soviel Ahnung hat wie ein SIoux Medizinmann im Wilden Westen und dazu , kompromisslos fordert . »Wir brauchen eine Medizin die nahe am Menschen ist « so hätte er pfeiferauchend am Lagerfeuer beifallendes Gemurmel eingeheimst und dabei wäre es geblieben.
Damit soll gesagt sein, dass ein Schuster bei seinen Leisten , ein Bäcker kein Pferd beschlagen und ein Ungelernter nicht den Lehrer spielen soll.
Dass der Politiker seine Hände von der Medizin lassen soll ……
Wenn man bedenkt dass Ärtzte, Professoren , Virologen alles Leute mit jahrelanger Medizinausbildung und Praktikum , die von morgens früh bis abends spät nur mit der Erhaltung der Gesundheit der Menschen beschäftigt sind , untereinander, was in diesem Fall den neuen fast unbekannten Virus betrifft , tief gespaltener Meinung sind, und man am eigenen Leib erfahren muss dass „Politiker, meist ohne höhere Schulbildung sich erdreisten uns Gesetze über unsere Gesundheit aufzuzwingen, wozu der Wähler sie nicht berechtigt hat , dann kann man verstehen dass so manch friedlich gesinnter Mensch , sagen wir um höflich zu bleiben, ausflippt………
Wenn ich nicht mehr weiter weiß gründe ich einen Arbeitskreis, der nicht nur aber sehr oft das was ich eh plane begründen soll, da ich die Verantwortung besonders falls es scheitert dann gut weiter delegieren kann. Das Hauptproblem ist man braucht ein Konzept eine Vision einen Plan und man muss den Weg dahin aufzeigen. Das schlechteste ist man hat kein Konzept oder ändert es ständig. Die Stärkung des ambulanten Bereich wird zu Widerstand im stationären führen, und natürlich werden beide benötigt. Gerade in einem kleinen Land wie Luxemburg könnte man die Basisdinge wie digitale Patientenakte mit Zugang zu Labor Röntgen usw Untersuchungen usw. Schaffen und Nutzen natürlich in der Hand des Patienten der auch darüber entscheidet wem er Zugang gewährt. Das würde schon viel helfen.