Finanz-PleiteGeprellte Kunden beschweren sich über Finanzaufsicht

Finanz-Pleite / Geprellte Kunden beschweren sich über Finanzaufsicht
Vor etwa 1,5 Jahren wurden die Aktivitäten von CYBERservices Europe durch die Luxemburger Finanzaufsicht eingefroren. Seitdem kämpfen Kunden des Zahlungsdienstleisters um ihr Geld. Nun ist das Unternehmen pleite.  Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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Vor etwa einem Jahr berichtete das Tageblatt von einer Unternehmerin, die seit Monaten versuchte, ihre 43.000 Euro, die bei einem Luxemburger Zahlungsdienstleister liegen, zurückzuerhalten. Die Aktivität der betroffenen Firma war durch die Luxemburger Finanzaufsicht eingefroren worden. Mittlerweile ist der Zahlungsdienstleister insolvent. Die Frau ist eine von Hunderten (oder Tausenden?) Kunden von CYBERservices Europe S.A. Stellt sich die Frage: Gibt es das Geld der Kunden noch?

Der nachverfolgbare Teil der Geschichte begann am 25. Juli 2019. Damals teilte die Luxemburger Finanzaufsicht CSSF in einer kurzen Meldung mit, dass sie das Zahlungsinstitut CYBERservices Europe S.A. „aufgefordert habe, das Erbringen von Dienstleistungen vorübergehend auszusetzen“. Die Entscheidung basiere „auf der Tatsache, dass das Unternehmen bestimmte gesetzliche Anforderungen des Zahlungsdienstgesetzes nicht erfüllt“.

Mit seinen zwei Plattformen Klik&Pay und Paymill bot CYBERservices seinen Kunden, zumeist Geschäfte, die übers Internet verkaufen, fertige Bezahlsysteme an. Mit anderen Worten: Sie kümmern sich darum, dass die Einkäufer bei den Internetgeschäften mit unterschiedlichen Bezahlmethoden (Währungen, Kreditkarte usw.) ihre Rechnungen bezahlen können – und dass das Geld dann auch im Geschäft ankommt.

Drei Monate später erschien eine zweite Pressemitteilung: Die CSSF teilt mit, dass die Maßnahmen gegen CYBERservices Europe S.A. immer noch in Kraft sind. Da jedoch „zahlreiche Informationsanfragen“ bei ihr eingegangen seien, würde man auf ein paar Punkte hinweisen. Nicht eingehalten wurden demnach die Artikel des Gesetzes, bei denen es um die Sicherung der Gelder der Kunden (die die Zahlungsdienstleistung nutzen) betreffen. Die Aufsichtsbehörde forderte jede Person, die eine Forderung gegenüber CYBERservices hat, auf, die CSSF schriftlich über die Höhe dieser Forderung zu informieren.

Wie viele Betroffene es gibt, ist dem Tageblatt nicht bekannt. Die Behörde wollte dazu keine Angaben machen. Hunderte? Tausende? Eine private Gruppe auf Facebook mit dem Namen „Affected by Investigation of Cyberservices Europe SA“ zählt etwas mehr als 250 Mitglieder. Um wie viel Geld es insgesamt geht, wissen wir auch nicht. Die CSSF wollte auch diese Frage nicht beantworten. Wahrscheinlich geht es aber um viel Geld: Laut einem Bericht der Schweizer Zeitung Le Temps im Jahr 2016 sollte das Volumen der durch die Gesellschaft abgewickelten Transaktionen auf über 300 Millionen Franken pro Jahr steigen.

Abgesehen von diesen zwei Pressemitteilungen herrschte vonseiten der Finanzaufsicht, zumindest was die Geschädigten angeht, Funkstille. In die Bresche bei der mangelnden Kommunikation gesprungen war augenscheinlich das Unternehmen selber: „Anfangs hat man uns versichert, dass unsere Konten nur eingefroren seien und das Geld auf Treuhandkonten läge“, sagte die Frau, die ein Internet-Geschäft betreibt, damals gegenüber dem Tageblatt. Sie habe allerdings auch „gehört, dass, wenn die Suspendierung noch länger anhält, CYBERservices in Insolvenz gehen müsse und wir dann kein Geld mehr bekommen“. Die Finanzaufsicht soll „die Gelder der Kunden der Plattform freigeben“, forderte sie vor einem Jahr.

„Die CSSF hat viel Zeit verstreichen lassen“

Über private Kontakte hat sie nun im November erfahren, dass CYBERservices Europe seit Ende Oktober 2020 insolvent ist. Etwa 1,5 Jahre nach der ersten Pressemitteilung der CSSF. „Jetzt ist das passiert, was wir alle befürchtet haben“, sagte sie vor Kurzem gegenüber dem Tageblatt. „Bin gespannt, ob da noch was für uns übrig bleibt …“

Die Anwältin Françoise Nsan-Nwet aus Esch/Alzette befürchtet, dass „es das Geld der Kunden nicht mehr gibt. Mehr als ein Jahr hatte der Besitzer nun Zeit, um sein Geld in Sicherheit zu bringen.“ Das sei eine Katastrophe für viele Betroffene. „Die CSSF hat viel Zeit verstreichen lassen. Sie hat niemanden informiert, auf Anfragen (auch ihrerseits) nicht geantwortet. Total intransparent.“

Und nun gelten plötzlich einfach die Regeln von Konkursen, erklärt die Anwältin. Die Händler, die seit Monaten um ihr Geld kämpfen, werden wohl leer ausgehen. Sie werden kaum zu den bevorzugten Schuldnern zählen. Dabei habe es anfangs nur geheißen, „bestimmte gesetzliche Anforderungen“ würden nicht eingehalten werden – und jetzt, etliche Monate später, Insolvenz. Der vom Gericht ernannte Konkursverwalter wollte nicht mit dem Tageblatt über das Thema reden. Es sei „noch zu früh“, ließ er als Antwort verlauten.

Staatsanwaltschaft tätigte Durchsuchungen

Dabei haben die Betroffenen es kommen sehen. Doch seit mehr als einem Jahr sei nichts für die Kunden getan worden, sagt die Anwältin weiter. „Ich bin empört. Die CSSF lässt die Kunden einfach im Regen stehen. Die Schweizer Partner-Firmen des Besitzers und Managers von CYBERservices können derweil unbehelligt weitermachen. Es gibt hierzulande keine Möglichkeit, um gegen die Mutterhäuser im Ausland zu klagen.“ Auch stellt sie die Frage, wie es möglich ist, dass ein Unternehmen, das sich nicht an die Regeln hält, überhaupt eine Geschäftserlaubnis erhalten hat.

Etwa drei Wochen nach dem Sprechen der Insolvenz haben sich, letzten Freitag, nun die CSSF und die Staatsanwaltschaft in einer gemeinsamen Pressemitteilung zu Wort gemeldet. In dem Schreiben erinnert die Finanzaufsicht, dass nicht alle Kundengelder, wie vom Gesetz vorgeschrieben, auf einem separaten Konto bei einem Kreditinstitut hinterlegt wurden. Als das Unternehmen der Aufforderung, dieses Problem zu beheben, nicht nachgekommen sei, habe man die Aussetzungsentscheidung treffen müssen.

Die luxemburgische Staatsanwaltschaft fügte weiter hinzu, dass CYBERservices Mitte dieses Jahres Gegenstand von Durchsuchungen im Zusammenhang mit „einer gerichtlichen Untersuchung, die unter anderem wegen betrügerischen Konkurses und Veruntreuung von Unternehmensvermögen eingeleitet wurde“, gewesen sei. Die Analyse des beschlagnahmten Materials dauere noch an.

Gegen Urteil wurde bereits Berufung eingelegt

Des Weiteren werden die Gläubiger in dem Schreiben gebeten, ihre Forderungserklärung so bald wie möglich beim Konkursverwalter einzureichen. Zudem wird daran erinnert, dass nach dem Gesetz jede Person so lange als unschuldig gilt, bis ihre Schuld von einem Gericht rechtskräftig festgestellt worden ist.

Von der CSSF erfahren wir zudem, dass CYBERservices Europe S.A. in der Zwischenzeit gegen das Insolvenz-Urteil Berufung eingelegt hat. Es dürfte also spannend bleiben.

Irgendwie erinnert die ganze Geschichte an den Wirecard-Skandal in Deutschland. Das Unternehmen, das sich auf die Abwicklung von Zahlungen bei Händlern und im Internet spezialisiert hatte, hatte es bis in den Dax geschafft. Im Juni 2020 meldete Wirecard Insolvenz an, nachdem 1,9 Milliarden Euro, die angeblich auf Konten in Asien liegen sollten, nicht gefunden werden konnten.

Es stellen sich überaus viele Fragen. Vor allem aber: Sind die Interessen der Nutzer von Zahlungsdienstleistern genügend geschützt? Wie sicher ist das Geld der Kunden von Finanzdienstleistern? Bei Banken wäre eine Mindestsumme an Spareinlagen gesichert. Bei Zahlungsdienstleistern hingegen nicht. Zudem fehlt eine Beratungsstelle, an die sich potenziell geschädigte Kunden wenden können.

Joao Gomes
29. November 2020 - 16.01

Was für Leute/Firmen sind die Kunden eines solchen "Dienstleisters"? Was kriegen sie davon? Was für Vorteile sehen sie da?

Blanchet
26. November 2020 - 15.52

Ich nehme an, wenn das Geld bei einem bankrotten Händler liegen würde, dann reklamierten sie beim Handelsminister. Das ist das viel-besungene unternehmerische Risiko.