Esch2022 in KäerjengKein Museum, aber Bier in all seinen Formen

Esch2022 in Käerjeng / Kein Museum, aber Bier in all seinen Formen
Die „Brasserie nationale“ hat ehrgeizige Zukunftspläne Foto: Brasserie nationale

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Das Biermuseum wird wohl seine Pforten nicht vor Esch2022 öffnen. Trotzdem wird sich während des Kulturjahres in Käerjeng alles um das beliebte Getränk drehen. Was ist geplant? Wir fragten nach.

Esch2022 steht vor der Tür. In allen Gemeinden laufen die Vorbereitungen für das Mega-Event auf Hochtouren. In Käerjeng hatte man die Idee, im Rahmen des Kulturjahres eine Erlebniswelt rundum das Bier zu schaffen. So stand unter anderem die Einrichtung eines großen Biermuseums auf der Agenda. Hier wollte man sich aber nicht nur auf Bofferding oder die Luxemburger Biere beschränken. Es war geplant, den Besuchern das Getränk überall auf der Welt näherzubringen. Das Museum soll dort, wo sich die Silos der Brauerei befinden, installiert werden und über insgesamt vier Ebenen (Erdgeschoss und drei Stockwerke) führen. Die 3.500 Quadratmeter große Einrichtung soll mehr Besucher aus aller Welt nach Käerjeng locken, so die Projektverantwortlichen. Zwischen dem 22. Februar und dem 22. März 2022 ist die Gemeinde das Zentrum der Kulturhauptstadt.

Durch die Corona-Pandemie verzögert sich  das 12-Millionen-Euro-Projekt aber. „Es kann leider nicht für 2022 abgeschlossen werden“, bedauert dann auch der Initiator des Projektes, Georges Lentz. Das sei schade, bringe das Unternehmen aber nicht von der Idee ab, ein solches Museum zu schaffen, betont der Brauereichef. Nichtsdestotrotz musste nach einer Alternative gesucht werden. Diese wurde auch schnell gefunden. Der bestehende, beliebte Brauerei-Rundgang soll jetzt erweitert und ergänzt werden. Schon jetzt ist er ein Erlebnis. Während einer Stunde wird man in die Kunst des Bierbrauens eingeführt. Bei jeder Etappe entdeckt man Fotos des für diesen Bereich verantwortlichen Personals. Imposant ist die Anlage allemal. Unter anderem die vier 220 Hektoliter zählenden Kessel ziehen oft bewundernde Blicke auf sich. Bildschirme hängen in jedem Bereich. Dort werden den Biertouristen in mehreren Sprachen, darunter Chinesisch, alle Informationen über die diversen Etappen der Bierherstellung gegeben.

Interaktives Erlebnis

Jetzt soll der Rundgang erneuert werden. Für das Projekt nahm man Experten des deutschen Unternehmens Studio klv ins Boot, die bereits für die Gestaltung des Vitariums von Luxlait in Roost verantwortlich zeichneten. Unter dem Motto „The place to be(er)“ ist unter anderem im Rahmen des Brauerei-Rundgangs die Einrichtung einer Mikrobrauerei geplant. Hier sollen ab 2021 Besucher im Rahmen eines eintägigen Bierseminars ihr eigenes Bier brauen können. Es ist außerdem die Schaffung von etlichen Animationen vorgesehen, darunter ein „Bier-Bowling“. „Wir legen viel Wert auf ein interaktives Erlebnis“, betont Francine Lies, Trade marketing & Event Manager bei Munhowen. In diesem Zusammenhang ist auch ein Bier-Shop vorgesehen, wo der Besucher verschiedene Biersorten – nicht nur aus Luxemburg –, Gadgets und regionale Produkte angeboten bekommt. Ohne die heimelige Bar zu vergessen, wo er das Erlebte bei einem guten Bier „verdauen“ kann.

Im nächsten Jahr sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Dann sollen bereits zwischen 30.000 und 40.000 Eintritte gezählt werden, so der Plan. Im Augenblick würden etwa 10.000 Personen im Jahr die Brauerei entdecken, sagt Georges Lentz. Neben dem Rundgang sind für Esch2022 auch viele Konferenzen und Seminare, Brau- und Zapfkurse, ein Airstream, ein Foodtruck usw. geplant. „Wir bieten ein ganzes Paket an, das jeden zufriedenstellen wird“, verspricht Lentz, der auch daran erinnert, dass zu dem Zeitpunkt das „The Brewery Hotel“ gleich gegenüber der Brauerei die ersten Gäste empfangen wird. Der 55 Zimmer zählende Gasthof wird von seiner Tochter Isabelle betrieben.

Auch wenn kein Biermuseum vor 2022 zustande kommt, wird sich im Rahmen des Kulturjahres in Käerjeng also trotzdem alles ums Bier drehen. Das sei gut so, freuen sich dann auch mehrere befragte Brauer. Denn in Corona-Zeiten hätten auch die Brauereien es nicht einfach. In der gesamten Süd-Region trifft das Projekt auf große Unterstützung. Die Verantwortlichen von Esch2022 weisen zum Beispiel auf ihrer Internetseite auf die Käerjenger Brauerei hin und machen Werbung für die Führungen. Auch die Bevölkerung befürwortet den Biertourismus. „Käerjeng ist bekannt für sein Bier. Es wäre eine Schande, wenn man das Brauereiwesen nicht in Esch2022 integriert“, findet Marc aus Differdingen. Samuel aus Esch zufolge ist Bier ein Kulturgut, ähnlich wie Wein. „Bei Esch2022 geht es um Kultur in all seinen Formen. Dazu zähle ich auch essen und trinken und in diesem Zusammenhang gehört das Bier einfach dazu.“ Martha aus Petingen ist aber etwas skeptisch. „Da werden Kampagnen gestartet gegen den Alkoholmissbrauch und dann erhält ein alkoholisches Getränk bei Esch2022 eine große Tribüne. Das ist nicht logisch.“ Ihr Freund Nathan widerspricht: „Es geht um ein Getränk, das Teil der meisten Kulturen in der Welt ist. Man kann ja beim Kulturjahr auch über den Missbrauch aufklären. Bier sollte man sowieso genießen und nicht einfach in sich reinschütten.“ Na dann, Prost.

Der Biermarkt

Bier ist eines der beliebtesten Getränke weltweit, mit einem Jahreskonsum von 1,85 Milliarden Hektolitern. Laut „Barth Report 2018/2019, Brewers of Europe“ wird das meiste Bier in Amerika getrunken, vor Asien und Europa. Während in Europa, auf dem amerikanischen Kontinent und in Afrika der Bierkonsum steigt, sinkt er jedoch in Asien und in Ozeanien. Größter Brauer weltweit war 2019 immer noch der belgisch-amerikanisch-brasilianische Hersteller ABInbev (fast 30 Prozent Marktanteile), vor Heineken (USA, 12 Prozent), China Resources Breweries (6,4 Prozent), Carlsberg (Dänemark, 5,9 Prozent) und Molson/Coors (USA/Kanada, 5,1 Prozent). Es folgen Tsingtao (China, 4,2 Prozent), Asahi (Japan, 3,0 Prozent), YanJing (China, 3,0 Prozent), BGI/Castel (Frankreich, 2,0 Prozent) und Efes Group (Türkei, 1,7 Prozent).
Hierzulande haben sich etwa 20 Brauereien verschiedener Größe in der „Confédération des brasseries & brasseurs du Luxembourg“ vereinigt. Von den großen Brauereien des Landes sind jedoch die Brauereien aus Wiltz (Simon) und aus Diekirch (ABInbev) nicht im Verband vertreten. Die Luxemburger Bierproduktion lag 2019 bei 288.937 Hektolitern. Etwa 350.000 Hektoliter werden importiert, 94.339 exportiert. Rund 55 Prozent der Luxemburger trinken gerne Bier aus dem eigenen Land. Hier liegen die Produkte der Brasserie nationale (Bofferding) mit fast 160.000 Hektolitern vor den Bieren der „Brasserie de Luxembourg“ (Diekirch/Mousel) mit ungefähr 120.000 Hektolitern und der Brauerei Simon (rund 20.000 Hektoliter). Neben den großen Brauereien gibt es hierzulande aber noch etliche Mikrobrauereien.

Die „Brasserie nationale“

Die größte Brauerei des Landes wurde 1764 als „Fondation Brasserie Funck-Bricher“ gegründet. 1842 erblickte dann die „Fondation Brasserie Bofferding“ das Licht der Welt. 1975 fusionierten beide Unternehmen. Die Firma wird schon in der 10. Generation von derselben Familie betrieben. Die Brauerei zählt drei große Marken: Bofferding, Battin und Funck-Bricher. Der Umsatz des Unternehmens belief sich 2019 auf fast 11 Millionen Euro. Die Brauerei in Käerjeng wurde in den letzten Jahren zunehmend automatisiert. 27 Personen stellen im Augenblick die Biere her. Seit März 2020 verkauft die Brauerei zudem ihr eigenes Wasser. Lodyss wird in einer Tiefe von 317 Metern unter der Erdoberfläche gewonnen und zeichnet sich durch seine große Reinheit aus, weil es aus der Eiszeit stammt. Das neue Wasser wird mit und ohne Kohlensäure verkauft und erfreut sich hierzulande immer größerer Beliebtheit.
Rund 250.000 Hektoliter Bier und Wasser werden tagtäglich hergestellt, so Georges Lentz. Die Brauerei kümmert sich selbst um den Vertrieb ihrer Produkte. Munhowen S.A. ist der größte Getränkehändler des Landes und eine 100-prozentige Filiale der „Brasserie nationale“. 233 Personen arbeiten für die Firma, die für den Transport der Waren einen Fuhrpark von rund 80 Fahrzeugen unterhält. Das Bier der „Brasserie nationale“ wird vor allem in der Großregion verkauft. Sie zählt hier fast 2.300 sogenannte „débits“. Der Luxemburger Brauer ist aber auch in China, Taiwan, Island, Irland, den USA, Panama und Kamerun präsent. Ehrgeizige Projekte für die Zukunft hat man in Käerjeng auch. „Neben der Neugestaltung des Rundgangs und der Schaffung des Biermuseums stellen der Klima- und Umweltschutz, die Optimierung der Produktion und des Vertriebs sowie die Förderung des Online-Handels weitere Prioritäten unseres Unternehmens dar“, so Brauereichef Georges Lentz.