ProzessIst die Mutter, die ihr Kind umgebracht haben soll, schuldunfähig? 

Prozess / Ist die Mutter, die ihr Kind umgebracht haben soll, schuldunfähig? 
Das Gericht in Diekirch Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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Der Mord an einem Säugling hatte Ende November 2015 Luxemburg schockiert: Eine 39-jährige Frau hatte ihren sechs Monate alten Jungen erwürgt. Das tote Kind legte sie in die Weiße Ernz zwischen Eppeldorf und Befort. Seit Montag steht die heute 44-Jährige vor der Kriminalkammer Diekirch. Dort soll in einem späteren Urteil von den Richtern entschieden werden, ob sie schuldfähig ist oder nicht.

Auf die ganze Problematik in der Mordaffäre gingen am Freitagmorgen vor Gericht ein Psychiater und ein Neurologe ein. Die Kindstötung liege, laut den beiden Gutachtern, unterschiedlichen Motiven wie Ablehnung des Kindes oder psychischen Störungen der Mutter zugrunde. Angst, Schuldgefühle, Wahnvorstellungen, Selbstmordgedanken: Am 10. November habe sie sich kurzfristig zur Tat entschlossen.

Für den Psychiater Dr. Marc Gleis ist die Frau schuldunfähig. „Ihre Tat ist Ausdruck ihrer Psychose“, sagte er. Der Psychiater denkt nicht lange nach, um die passenden Worte zu finden, um das zu beschreiben, was die Welt war, in die die Frau vollkommen eingetaucht war. Das Kind sei fremd für sie gewesen. Nach der Geburt habe sie ihr Kind mit anderen Augen gesehen. Verbundenheit mit dem Neugeborenen habe es nie gegeben, sagte Dr. Gleis.

Angstzustände

Durch die schwere Geburt habe die Mutter einen Hirnschlag erlitten. Danach sei sie von der Idee besessen gewesen, dass ihr Junge schuld daran war. Die Frau sei auch in psychiatrischer Behandlung gewesen. In der Psychiatrie habe sie sich vorgestellt, wie es sei, wenn der Junge „weg wäre“. Diese Gedanken habe sie aber mit niemandem geteilt, auch nicht mit dem Psychiater, so Dr. Gleis. Diese Vorstellung sei durch Angstzustände hervorgerufen worden. Der Wahn habe sich nach und nach entwickelt. Während der Tat sei sie in einem psychotischen Zustand gewesen, sagte der Gutachter. Die Frau leide an einer tiefgreifenden Störung der Persönlichkeit und habe auch heute noch schwere Depressionen. Eine Bestrafung wegen Mordes sei wegen dieser seelischen Erkrankung laut Gleis nicht möglich. Dem stimmte auch der Neurologe Dr. Alexandre Bisdorff zu. Auf Wunsch des Psychiaters Gleis habe er am 21. Januar 2016 den Fall untersucht. Dr. Bisdorff gab zu Protokoll, dass durch das Pressen bei der Geburt im Gehirn der Frau Adern aufgerissen wurden. Dadurch habe sie einen Hirnschlag erlitten. Der Hirnschlag habe zur Depression beigetragen. Er schloss sich dem Gutachten des Psychiaters an: Die Tat der Frau sei durch die Psychose beeinflusst worden.

Der Prozess wird am 29. Oktober fortgesetzt. Dann soll ein Psychiater aus Deutschland per Video zugeschaltet werden.