BaltikumIn Litauen ist der Regierungswechsel besiegelt

Baltikum / In Litauen ist der Regierungswechsel besiegelt
Die künftige litauische Regierungschefin Ingrida Simonyte (l.) und Parteichef Gabrielius Landsbergis  Foto: AFP/Petras Malukas

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Die Litauer haben am Sonntag den Wunsch nach einem liberalen Rechtsrutsch bestätigt. Wie vor zwei Wochen bei den Parteilisten siegte auch bei den Einerwahlkreisen die konservative „Vaterlandsunion“ klar mit 26 Sitzen. Die bisher regierende populistische Partei „Bauern und Grüne“ kam nur auf 16 Sitze. Damit stand bereits in der Nacht zum Montag fest, dass ein liberal-konservativer Regierungswechsel bevorsteht.

Die in ihrem neuen Wahlprogramm fast schon sozialdemokratisch auftretende „Vaterlandsunion“ (50 Sitze, 2016: 31) kommt zusammen mit zwei liberalen Parteien auf eine knappe Mehrheit von 72 von 141 Sitzen im litauischen Seimas. Die bisherige Mitte-links-Koalition von Premier Saulius Skvernelis von den „Bauern und Grünen“, der linkspopulistischen Arbeiterpartei und zweier sozialdemokratischer Parteien musste massive Sitzverluste hinnehmen. Die „Bauern und Grünen“ (28 Sitze, 2016: 54) haben nach vier Jahren Regierungszeit fast die Hälfte ihrer Sitze eingebüßt.

Noch in der Wahlnacht informierte die designierte Regierungschefin Ingrida Simonyte (Vaterlandsunion) zusammen mit den beiden jungen liberalen Parteichefinnen Viktorija Cmilyte-Nielsen („Liberale Bewegung“, 13 Sitze) und Ausrine Armonaite (Freiheitspartei, 10 Sitze) über die noch vorläufige Koalitionsabsicht. Laut dem Parteichef der „Freiheitsunion“, Gabrielius Landsbergis, dem Enkel des Vaters der litauischen Unabhängigkeit von der UdSSR, will man dazu noch mit mindestens zwei der vier unabhängigen Abgeordneten zusammenarbeiten. Damit wird auch ein Generationswechsel in der litauischen Politik vollzogen, denn alle drei Parteivorsitzenden sind unter 40 Jahre alt.

Der bisherigen Regierungskoalition der Bauern und Grünen hatte am Schluss vor allem auch das schlechte Management in der zweiten Corona-Welle geschadet. Am Montag wurden mit 766 Neuinfizierten bei knapp 2,8 Mio. Einwohnern ein neuer Rekord vermeldet. Zuvor war bereits die Arbeitslosigkeit im Zuge der Pandemie massiv gestiegen. Corona-bedingt sank die Wahlbeteiligung am Sonntag auf noch knapp 38 Prozent (2016: 47 Prozent).

Corona gab Skvernelis den Rest

Simonyte hat angekündigt, die Corona-Politik ändern zu wollen, jedoch keine Vorschläge unterbreitet. Viele Wähler erwarten zudem, dass die Einschränkungen des Alkoholverkaufs wieder aufgehoben werden. Die Regierung Skvernelis hatte das Mindestalter von 18 auf 20 Jahre angehoben und den Verkauf zeitlich massiv eingeschränkt. Staatspräsident Gitanas Nauseda fordete am Montag von der neuen Regierung eine innovative Wirtschaftspolitik, einen Chancenausgleich zwischen Stadt und Land und kein Kahlschlag bei der Sozialpolitik.

Landsbergis betonte am Montag, die neue Mitte-rechts-Regierung werde die strategische Ausrichtung Litauens auf NATO und EU beibehalten. Man werde weiterhin gute Beziehungen zu den Nachbarn zu pflegen suchen. „In der EU-Politik werden wir engere Beziehungen zu Deutschland anstreben“, sagte der 38-jährige Regierungsparteichef. Es ist zu erwarten, dass Litauen unter der Freiheitsunion in Brüssel nicht mehr so oft wie bisher gemeinsame Sache mit Polen und Ungarn machen wird. Die größte Herausforderung für Litauen werde aber von Weißrussland ausgehen, betonte Landsbergis. Man werde sich bemühen, mehr finanzielle Mittel für die Unterstützung der demokratischen Opposition bereitzustellen.

In Weißrussland nahmen derweil am Montag die Spannungen zwischen Opposition und dem autokratischen Regime wieder zu. Nach einer äußerst brutalen Reaktion auf die bisher zweitgrößten Massenproteste vom Sonntag, bei der es laut Alexander Lukaschenkos Innenministerium zu mindestens 523 Festnahmen und mehreren Verletzten kam, rief die in Litauen weilende Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja zum Generalstreik auf. Am Montag folgten über ein Dutzend großer Staatsbetriebe diesem Aufruf, auch mehrere Universitäten schlossen sich an. In der weißrussischen Hauptstadt Minsk kam es dazu zu einer großen Rentner-Demonstration. Die Rentner sind bisher – neben den Sicherheitskräften – die beste Stütze Lukaschenkos gewesen.