EU-ParlamentHersteller von Corona-Impfstoffen erzählen von Startschwierigkeiten

EU-Parlament / Hersteller von Corona-Impfstoffen erzählen von Startschwierigkeiten
Die Produktion von genügend Impfstoff braucht Zeit Foto: dpa/Andreas Arnold

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Die beiden Ausschüsse für Gesundheit und Industrie im Europäischen Parlament hatten gestern die Chefs der großen Impfstoffhersteller zu einer Anhörung geladen. Die EP-Abgeordneten wollten aus erster Hand unter anderem erfahren, wie die Produktionskapazität für die Covid-Impfstoffe erhöht werden kann.

Während sich die 27 EU-Staats- und Regierungschefs am gestrigen Nachmittag bei ihrem Video-Gipfel mit ihrer Impfstrategie beschäftigten, befragten die EU-Parlamentarier die Leute, auf die es dabei ankommt: die Hauptgeschäftsführer von AstraZeneca und Moderna, von CureVac und Novavax sowie Vertreter von Pfizer und Johnson&Johnson. Die Erwartungshaltung und die Fragestellungen, die bei beiden Veranstaltungen im Vordergrund standen, waren wohl die gleichen: Wie lange dauert es noch, wie geht es schneller? Die Antwort der Impfstoffhersteller kann mit einem, wenn auch nicht ganz zufriedenstellenden Satz zusammengefasst werden: Wir arbeiten daran.

Seit einem Jahr lebt die Welt mit dem Coronavirus und die Erwartungen sind groß, dass die damit einhergehenden Einschränkungen möglichst bald weitestgehend wieder zurückgenommen werden. Der Schlüssel dazu sind die Vakzine, die derzeit millionenfach von mehreren Pharmafirmen hergestellt werden. Doch es werden Milliarden an Impfdosen benötigt, deren Herstellung Zeit braucht.

Sie könnten die Produktion von anfänglich gedachten 1,3 Milliarden auf zwei Milliarden Dosen für die ganze Welt in diesem Jahr erhöhen, sagte gestern Angela Hwang, Präsidentin von Global Biopharma, die für Pfizer arbeitet. Johnson&Johnson sei „zuversichtlich“ in diesem Jahr noch die 200 Millionen von der EU bestellten Dosen liefern zu können, erklärte der Chef-Wissenschaftler des Unternehmens, Paul Stoffels. Das Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, in diesem Jahr noch eine Milliarde an Impfdosen herzustellen.

Pascal Soriot wiederholte ebenfalls immer wieder, dass sie alles unternehmen würden, um die Produktion zu steigern. Der Chef von AstraZeneca hatte einen etwas schwereren Stand bei den EP-Abgeordneten und musste wiederholt erklären, warum es zu Lieferengpässen im ersten Quartal kommt. Sie hätten nicht die „Erträge an Impfstoff“ gehabt, die sie anfangs erwartet hätten, erklärte Pascal Soriot. „Es gibt oft Probleme beim Start“, sagte er und verwies darauf, dass es „normalerweise Jahre braucht“, um einen Impfstoff herzustellen. „Wir haben diese Zeit nicht“, so der AstraZeneca-Chef weiter, der versicherte, dass sie „rund um die Uhr arbeiten, um die Kapazitäten auszubauen“.

Brauchen offene Handelswege

Auch Stéphane Bancel wies auf Anfangsschwierigkeiten hin. Der Chef des Pharmaunternehmens Moderna, das zu Beginn der Pandemie 800, mittlerweile aber 1.300 Mitarbeiter beschäftigt, erklärte, dass sie keine Produktionsmöglichkeiten hätten und daher zu 100 Prozent auf Partner angewiesen seien. Moderna lasse den Impfstoff nun in Lausanne in der Schweiz herstellen und in Spanien, bald auch in Frankreich, abfüllen. Doch sei die Produktion der sogenannten mRNA-Impfstoffe sehr schwierig. „Das kann nicht ein x-beliebiges Unternehmen tun“, sagte Stéphane Bancel. Dazu brauche es mehrere Monate Vorlaufzeit und es sei nicht einfach, mit neuen Partnern zu arbeiten. Komme es dann noch zu Problemen, etwa einem Rohrbruch, wie es bei ihnen geschehen sei, falle die Produktion eine gewisse Zeit aus. Und: „Verlorene Zeit können wir nicht aufholen“, so der Moderna-Chef, der ebenfalls versicherte, dass seine Mitarbeiter seit einem Jahr sieben Tage die Woche arbeiten würden, um die Produktion voranzubringen.

Pfizer/Biontech, AstraZeneca und Moderna sind die bislang einzigen in der EU zugelassenen Corona-Impfstoffe. Sie rechnen damit die Zulassung Ende Mai, Anfang Juni zu erhalten, sagte der Hauptgeschäftsführer von CureVac, Franz-Werner Haas. Auch sein Unternehmen müsste die Produktion des mRNA-Impfstoffs an Partner abgeben. In diesem Jahr sollten aber noch 300 Millionen Impfdosen hergestellt werden. Novavax hat ebenfalls noch keine Zulassung, wird aber bereits von der EU-Arzneimittelbehörde geprüft. Allerdings wisse er nicht, wann die Zulassung erfolgt, erklärte der Unternehmenschef Stan Erck, der davon erzählt, dass auch Novavax noch vor einem Jahr über keine Produktionsstandorte verfügte. Nun aber könne u.a. in sieben europäischen Ländern produziert werden. 100 Millionen Dosen mit einer Option auf weitere 100 Millionen hat die EU bei ihm bestellt. Die ersten Dosen würden aber in Großbritannien ausgeliefert, so Stan Erck, da dort die ersten Tests durchgeführt worden seien.

Sie seien vor allem auf offene Handelswege angewiesen, sagte Angela Hwang auf die Frage nach eventuellen Exportverboten. Denn für den Pfizer/Biontech-Impfstoff müssten 280 Materialien aus Dutzenden Ländern herangeschafft werden. In der EU wird über ein Verbot von Impfstoffexporten nachgedacht, falls die Mitgliedstaaten nicht genügend Vakzine für den Eigenbedarf erhalten sollten.

Lage bei Corona-Impfungen wird angespannt bleiben

EU-Ratspräsident Charles Michel geht von einer weiterhin angespannten Lage beim Impfen gegen das Coronavirus aus. „Wir müssen eine ehrliche Sprache sprechen“, sagte Michel am Donnerstag nach einer Videokonferenz der EU-Staats- und Regierungschefs. „Die aktuelle Situation ist schwierig (…), die nächsten Wochen werden schwierig bleiben.“
Nach Angaben von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sind bislang 29 Millionen Impfstoffdosen in den EU-Ländern verabreicht worden. „Das entspricht rund 6,4 Prozent der Bevölkerung.“ Sie gehe davon aus, dass die Zahl der ausgelieferten Impfstoffdosen am Ende dieser Woche 50 Millionen erreiche.
Beide EU-Chefs betonten die Risiken und gebotene Vorsicht angesichts neuer Varianten des Coronavirus. Laut von der Leyen ist die als ansteckender geltende britische Virusvariante mittlerweile in allen EU-Ländern bis auf einem nachgewiesen worden. Auch die südafrikanische und die brasilianischen Mutationen zirkulieren demnach bereits in Europa.
„Wir müssen unsere Strategie konstant anpassen“, sagte Michel. Zentral sei dabei die systematische genetische Analyse positiver Corona-Tests und Unterstützung für Impfstoffhersteller, um zu gewährleisten, dass die Mittel auch gegen mutierte Virusvarianten wirken. (AFP)