Kindesmord vor GerichtFreispruch wegen Schuldunfähigkeit

Kindesmord vor Gericht / Freispruch wegen Schuldunfähigkeit
Zum Tatzeitpunkt soll die Mutter nicht schuldfähig gewesen sein – da sind sich die Verteidigung und die Staatsanwaltschaft einig  Foto: Editpress

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Seit einigen Tagen steht eine 45-Jährige vor dem Bezirksgericht Diekirch. Ihr wird vorgeworfen, ihren sechs Monate alten Sohn am 10. November 2015 ermordet zu haben. Der Prozess wurde gestern mit den Plädoyers der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft fortgesetzt.

Freitagmorgen. Diane S. sitzt neben ihrer Verteidigerin Me Trixi Lanners und blickt ins Leere. Diese ist darum bemüht, ihre Mandantin in einem fast eineinhalbstündigen, hochemotionalen Plädoyer vor einer langjährigen Haftstrafe zu bewahren. Im Falle der Angeklagten handele es sich um einen tragischen Absturz, den man hätte vermeiden können, wenn andere ihr geholfen hätten, so die Verteidigerin. Die Malaise in ihrer Beziehung zu ihrem Mann habe viel dazu beigetragen, dass sie sich immer mehr zurückgezogen habe.

Fünf Tage nach der Geburt des Kindes erlitt die Angeklagte einen Gehirnschlag. Ab diesem Zeitpunkt habe sie das Kind mit anderen Augen gesehen, so Me Lanners. Ihre Mandantin habe sich verändert und Angst gehabt, ihr könne dasselbe noch mal widerfahren. Panik habe sie befallen – woraufhin mehrere Suizidversuche gefolgt seien. Anschließend soll ihr dann der Gedanke gekommen sein: „De Ben muss fort.“

Niemand habe ihr geholfen, so die Verteidigerin. Ihr Mann habe sie mit dem lapidaren Satz „Kuck, dass de eens gëss!“ vor der Psychiatrie abgesetzt. Er habe ihr zudem eine SMS mit dem Satz „trop facile pour être malade“ geschickt. Die Tat selbst sei für das gesamte Umfeld unerwartet gewesen und habe einen Einschnitt in die Familie bedeutet, der nicht mehr repariert werden könne, sagte die Verteidigerin.

„Ein fragiler Zustand“

Me Trixi Lanners zufolge soll die Angeklagte gemäß Artikel 71 des Strafgesetzbuches schuldunfähig sein. So habe sich die Frau während der Tat nicht mehr unter Kontrolle gehabt und sei krank gewesen. Aus diesem Grund forderte sie den Freispruch für ihre Mandantin – der überdies auch wichtig für ihre Gesundung sei. Die Angeklagte stehe nämlich noch nicht mit beiden Beinen fest auf dem Boden, so Me Lanners.

In seinem Plädoyer erklärte Staatsanwalt Ernest Nilles ausführlich, weshalb er davon ausgeht, dass der Frau bewusst war, dass ihre Tat falsch war. Er sprach sogar von einem „diabolischen Plan“. Gleichzeitig machte Nilles aber deutlich, dass „die Fähigkeit, die Tat zu steuern, bei der Angeklagten nicht vorhanden war“. Die Tötung des Kindes sei unter dem Einfluss von psychotischen Symptomen erfolgt. Ihre Steuerungsfähigkeit sei dadurch sehr wahrscheinlich aufgehoben gewesen. Damit habe sie nicht schuldhaft handeln können – und müsse folglich freigesprochen werden. In anderen Worten: „ohne Schuld keine Strafe“.

„Et gëtt kee Grond dofir, sech vun de Konklusioune vun den Experten z’ecartéieren“, so der Staatsanwalt. Er halte sie dennoch unmissverständlich für gefährlich – das habe er aus folgendem Satz, den die Angeklagte selbst gesagt habe, abgeleitet: „Ech fille mech nach net fit fir dat neit Liewen.“ Ihr geistiger Zustand bleibe fragil. Die Frau leide immer noch unter einer Vielzahl an psychischen Ängsten. Er verwies aber auch auf ein ärztliches Attest vom Donnerstag dieser Woche, in dem festgehalten wurde, dass sich die psychische Verfassung der Betroffenen hinreichend verbessert habe. Ob die Erkrankung jederzeit wieder in einem vergleichbaren Maß auftreten könne wie damals, sei für ihn unklar.

Das Urteil wird am 10. Dezember gesprochen.

HTK
31. Oktober 2020 - 15.49

Jemand der ein Kind ermordet ist schuldunfähig und wird frei gesprochen. Dann auf ein Neues.