Fokussierung allein auf die Wettbewerbsfähigkeit ist unsinnig

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„Quel intérêt d’être compétitifs si nous regressons socialement?“ Diesen Titel trägt eine Studie der Arbeitnehmerkammer. Im Auftrag des OGB-L hat die CSL die Arbeitsdokumente, die den Tripartite-Teilnehmern bislang vorgelegt wurden, einer kritischen Analyse unterzogen.

Léon Marx

Neben den Unterlagen, die von der Zentralbank, dem Statec, dem „Observatoire de la compétitivité“, der UEL, der Finanzinspektion und dem Wirtschaftsministerium offiziell in der Tripartite vorgelegt wurden, befasst sich das Gutachten der CSL auch mit dem Reflexionspapier von Prof. L. Fontagné, der sich Ende Februar quasi selbst an den Verhandlungstisch geschrieben hatte.

Für die CSL – deren Überlegungen vom OGB-L weitgehend geteilt werden, wie es im Begleitschreiben heißt – ist die derzeitige Debatte zu stark auf die reine Aufstellung von Zukunftsprojektionen fixiert. Zukunftsprojektionen, über deren Ausrichtung man immer streiten und polemisieren könne. Die CSL plädiert ihrerseits dafür, sich an konkrete Fakten zu halten und die tatsächliche Wettbewerbsfähigkeit der luxemburgischen Wirtschaft im Vergleich mit der anderer Länder mit gleicher oder ähnlicher soziologischer Struktur zu vergleichen. Und da schneide das Großherzogtum dann gar nicht so schlecht ab. Rund 50 Seiten umfasst die Analyse der CSL, die sich auch als Fortschreibung der Stellungnahme zum 11. Stabilitätsprogramm der Regierung sieht (siehe Tageblatt vom 5. März).

Dieses Stabilitätsprogramm sei eigentlich ein Austeritätsprogramm und damit Gift für eine gerade wieder zaghaft anlaufende Konjunktur, hatte die Arbeitnehmerkammer damals geschrieben.

Die Wettbewerbsfähigkeit werde vom Patronat und der Regierung quasi zu einem Selbstzweck erhoben, heißt es in dem jetzt vorliegenden Papier. Sogar Prof. Fontagné habe in seinem Bericht von 2004 betont, die Maßnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit dürften die soziale Kohäsion nicht in Frage stellen, notiert die CSL. Genau das aber werde geschehen, wenn sich das Patronat mit seinen Ideen in der Tripartite durchsetze.

Ja, die Produktivität in Luxemburg ist zurückgegangen, aber das ist eine Folge der weltweit schlechten Konjunktur, heißt es in dem Bericht. Es sei ganz einfach falsch, zu behaupten, die Konjunktur habe sich verschlechtert, weil die Produktivität zurückging.

Dass die Produktivität in Luxemburg nicht so schlecht und die Stückgutkosten nicht so hoch seien, wie das von gewisser Seite medienwirksam dargestellt werde, erkenne man auch daran, dass die Gewinnmargen für die Betriebe in Luxemburg „particulièrement élevées“ seien.

Vor allem an diesem Punkt müsse angesetzt werden, fordert die CSL. Die sich auch die Frage stellt, ob es in Luxemburg überhaupt noch eine kompetente Stelle zur Preisüberwachung gibt, die in der Lage ist, den Konsumenten wirksam zu schützen gegen „des augmentations de prix abusives et/ou artificielles ainsi que contre les ententes illicites“.
Überhaupt solle man wieder auf den Boden der Realitäten zurückkehren, fordert die CSL. „Alle Länder sind von der Krise betroffen.“ Luxemburg habe in der Vergangenheit immer gezeigt, dass es sich nach Krisen besser erholen konnte als andere Länder. Diese Erfahrungswerte seien mindestens so zuverlässig wie die Zukunftsprojektionen, die von Experten aller Art aufgrund stark vereinfachter Modelle erarbeitet würden.

Dass die Produktivitätszuwächse in den industrialisierten Ländern allgemein niedriger sind als in aufstrebenden Ländern wie China oder Indien, sei keine Frage der Wettbewerbsfähigkeit, sondern ein „effet de rattrapage économique“, heißt es weiter in dem Argumentationspapier der CSL. Luxemburg brauche kein neues Strukturmodell, warnt die CSL abschließend. Diese, von Fontagné angeregte Piste, die von Patronatsseite aufgegriffen werde, sei ein Irrweg, der am Ende zu echten Problemen führen werde.
Richtig und sinnvoll sei es, Herausforderungen wie die Qualifikation der Beschäftigten, die Diversifikation der Wirtschaft, die soziale Kohäsion, die Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz endlich anzugehen.