„Europa ist kein Supermarkt“

„Europa ist kein Supermarkt“
(Gonzalo Fuentes/dpa)

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Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron hat in einem Interview mit acht europäischen Zeitungen den Wunsch geäußert, mit Deutschland „eine Allianz des Vertrauens“ zu schaffen.

Im ersten Interview, das Macron seit seiner Wahl zum Staatspräsidenten am 7. Mai 2017 gab, setzte er den Akzent auf Europa und die europäische Zusammenarbeit. Er gab das Interview unter anderen der französischen Tageszeitung „Le Figaro“, der wallonischen Tageszeitung „Le Soir“ oder auch der deutschen Tageszeitung „Süddeutsche Zeitung“. Der französische Staatspräsident setzt seine Kommunikation bewusst und zielgerichtet ein.

„Ich wünschte mir, wir würden zum Geist der Zusammenarbeit zurückkehren, wie er einst zwischen Helmut Kohl und Francois Mitterrand geherrscht hat“, zitiert die Süddeutsche Zeitung den französischen Staatspräsidenten. Gelänge dies nicht, drohe Europa der Zerfall. Die Europäische Union müsse ihre Grundwerte verteidigen, die sie geprägt hätten, verlangt Macron.

Kritik an Osteuropa

Kritik äußerte der Präsident an den osteuropäischen Staaten Polen und Ungarn. Die Süddeutsche Zeitung zitiert ihn mit der Aussage, dass „manche politische Führer aus Osteuropa eine zynische Herangehensweise“ an Europa hätten. Die Europäische Union diene ihnen dazu, Geld zu verteilen, ohne ihre Werte zu respektieren. „Europa ist kein Supermarkt.“, sagte er. „Europa ist eine Schicksalsgemeinschaft.“

„Le Figaro“ legt den Akzent auf die Schutzfunktion, die Europa ausüben müsse. Die europäische Union müsse grundlegend das System der Außengrenzen durchdenken, seine Politik der Immigration prüfen, wie auch das Asylrecht.
Macron wiederholte seine nicht unumstrittene Forderung, die Eurozone mit einem eigenen Budget und einem Eurozonen-Finanzminister auszustatten.

Keine Vergemeinschaftung der Risiken

„Das ist das einzige Mittel, um wieder Konvergenz zu schaffen“, zitieren ihn die Zeitungen. Frankreichs Staatspräsident meint, dass sich Deutschland dem nicht verweigert. Kanzlerin Merkel hatte sich zwar für einen eigenen Finanzminister und ein Budget in der Eurozone und ein Budget ausgesprochen, lehnt aber eine Vergemeinschaftung von Risiken ab.

Der Unterschied hierbei liegt in einer Nuance. Bei seinem Besuch in Berlin hatte Emmanuel Macron gesagt, das bestehende Schulden nicht vergemeinschaftet werden sollten und war so auf die deutsche Linie eingeschwenkt. Die Äußerung im Interview geht darauf nicht ein. Tatsächlich ist in Deutschland in der öffentlichen Meinung eine Vergemeinschaftung selbst zukünftiger Verbindlichkeiten in der Eurozone nicht durchsetzbar. Macron redet daher auch nicht von einem Parlament der Eurozone, in dem Staaten mit einer in Deutschland als unseriös empfundenen Haushaltspolitik die Mehrheit hätten.

Reformen verwirklichen

Zur Situation in seinem eigenen Land lässt Macron keinen Zweifel aufkommen. Wenn Frankreich ein glaubwürdiger Partner von Deutschland sein wolle, müsse man Reformen verwirklichen. Er gab zu, dass es in Frankreich lange Zeit eine „Reformfeindlichkeit“ gegeben habe, seine Landsleute nun aber verstanden hätten, dass es Reformen geben müsse.

Eine deutliche Warnung richtete der französische Staatspräsident an den syrischen Staatschef Baschar al Assad. „Wenn erwiesen ist, dass Chemiewaffen eingesetzt wurden, und wir die Herkunft wissen, wird Frankreich mit Luftschlägen antworten um die identifizierten Lager von Chemiewaffen zu zerstören“, sagte er. Macron hatte beim Besuch des russischen Staatschefs Vladimir Putin bereits darauf hingewiesen, dass Frankreich sich diese Freiheit nehmen werde und alleine handeln würde.

Das Interview ist am Donnerstag in den Zeitungen Le Figaro, Le Soir, Le Temps, Süddeutsche Zeitung, The Guardian, Corriere de lla Sera, El Pais und Gazeta Wyborcza erschienen.