Mehr Jobs, weniger Armut - aber erst 2030EU-Kommission präsentiert Pläne, Kritik von Gewerkschaften

Mehr Jobs, weniger Armut - aber erst 2030 / EU-Kommission präsentiert Pläne, Kritik von Gewerkschaften
Luxemburgs EU-Kommissar Nicolas Schmit schlägt ein neues Programm vor, das auf Weiterbildung, Umschulung und Unternehmensgründungen zielt Foto: AFP/Johanna Geron

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Die EU-Kommission hat ehrgeizige neue sozialpolitische Ziele vorgestellt. Gegen die aktuelle Krise helfen sie allerdings kaum. Auch die Umsetzung lässt zu wünschen übrig, kritisieren die Gewerkschaften.

Mitten in der schlimmsten sozialen und wirtschaftlichen Krise seit ihrer Gründung denkt die EU schon an 2030. Bis dahin sollen noch mehr Menschen einen Arbeitsplatz haben und an einer Fortbildung teilnehmen, verspricht die EU-Kommission. Sie stellte am Donnerstag in Brüssel einen Aktionsplan vor, der die 2017 eingeführte „Europäische Säule sozialer Rechte“ mit Leben füllen soll.

„Wir haben uns ehrgeizige Ziele gesetzt“, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Bis 2030 sollen, wenn es nach der EU-Behörde geht, mindestens 78 Prozent der Bevölkerung im Alter zwischen 20 und 64 Arbeit haben. Das wären fünf Prozentpunkte mehr als 2019. Außerdem sollen in zehn Jahren mindestens 60 Prozent der Erwachsenen jedes Jahr an einer Fortbildung teilnehmen.

Soziale Not

Ein drittes Ziel soll helfen, die soziale Not zu bekämpfen. Die EU-Kommission will die Zahl der von Armut oder sozialem Ausschluss gefährdeten Menschen bis 2030 um mindestens 15 Millionen reduzieren. 2019 waren laut der Statistikbehörde Eurostat gut 91 Millionen Menschen in den 27 EU-Ländern von Armut oder sozialem Ausschluss bedroht. Die Corona-Pandemie hat die Lage verschlechtert.

Doch schnelle Hilfsangebote für die aktuelle Krise sucht man in dem Aktionsplan vergeblich. Auf Nachfrage erklärte Sozialkommissar Nicolas Schmit, dass die EU-Staaten sofort Maßnahmen ergreifen müssten, um die neuen Ziele zu erreichen. Außerdem schlägt Schmit ein neues Programm namens EASE vor, das auf Weiterbildung, Umschulung und Unternehmensgründungen zielt.

Wir brauchen eine Politik, die dafür sorgt, dass wir nicht in eine neue soziale Krise hineinschlittern

Nicolas Schmit, EU-Sozialkommissar

Weitere Ideen sollen im Herbst folgen. So will die EU-Kommission einen Plan vorlegen, der die Arbeitsbedingungen von sogenannten Plattformarbeitern verbessern soll. Schmit betonte, es handele sich bislang noch um eine verhältnismäßig kleine Gruppe, die aber schnell wachsen werde.

„Wir brauchen eine Politik, die dafür sorgt, dass wir nicht in eine neue soziale Krise hineinschlittern“, betonte der Kommissar aus Luxemburg. Mit dem schuldenfinanzierten Kurzarbeitergeld SURE habe die EU schon viel getan. Auch der neue, 750 Milliarden Euro schwere Corona-Aufbaufonds werde helfen, die Lage zu bessern.

Allerdings werden die Finanzhilfen aus dem Corona-Fonds erst ab Sommer ausgezahlt. Bis dahin könnte sich die aktuelle Misere noch vergrößern. Neue Soforthilfen für die hoch verschuldeten Mitgliedsstaaten hat die EU jedoch nicht geplant. Auch die Arbeitslosen-Rückversicherung, für die sich Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) starkgemacht hatte, ist in Brüssel kein Thema mehr.

Kampf gegen Gender Gap

Dabei wären die meisten EU-Bürger durchaus für mehr Sozialpolitik zu haben. Nach einer am Montag veröffentlichten Eurobarometer-Umfrage sprechen sich 88 Prozent der Befragten für ein soziales Europa aus. Von der „Europäischen Säule Sozialer Rechte“ erhoffen sich 79 Prozent ein Mehr an Beschäftigung und Teilhabe.

Bisher ruht diese Säule aber vor allem auf hehren Prinzipien, nicht auf Taten. Das gilt auch für die Gleichstellung der Frauen im Beruf. Zwar hat die EU-Kommission auch dazu einen Vorschlag vorgelegt. Er soll mehr Lohntransparenz schaffen und dafür sorgen, dass Frauen und Männer gleiches Entgelt bei gleicher Arbeit erhalten.

Doch auch hier fehle es an Werkzeugen zur Durchsetzung, kritisiert der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB). „Transparenz ist gut, aber dieser Vorschlag reicht nicht aus“, sagte die stellvertretende EGB-Generalsekretärin Esther Lynch. Er müsse deshalb nachgebessert werden.