Ein Jahr Waringo-BerichtEine Monarchie unter der Lupe

Ein Jahr Waringo-Bericht / Eine Monarchie unter der Lupe
Ein Fall für zwei: Xavier Bettel (l.) und Jeannot Waringo (r.) haben im Februar 2020 den „Waringo-Rapport“ vorgestellt, der die Missstände am Hof benannte und Abhilfe schaffen soll  Foto: Editpress/Didier Sylvestre

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Vor einem Jahr legte Jeannot Waringo seinen Bericht vor, in welchem er problematische Elemente in der Organisation des großherzoglichen Hofs aufführte – und erste Vorschläge zur Besserung der Situation machte. Zunächst bekam nur das Parlament den Bericht zu lesen, wenige Tage später wurde er dann veröffentlicht. Im Oktober befasste sich Lucien Montebrusco eingehend mit dem spektakulären Dokument und dessen Folgen.


Ende September legte Premierminister Xavier Bettel dem Institutionsausschuss des Parlaments den Entwurf des großherzoglichen Erlasses vor, der Ordnung in die Personal- und Finanzverwaltung am großherzoglichen Hof bringen soll. Er übernimmt weitgehend die Empfehlungen aus dem Waringo-Bericht. Im Auftrag von Premierminister Xavier Bettel hatte sich der ehemalige Direktor der staatlichen Finanzinspektion Jeannot Waringo während Monaten am großherzoglichen Hof umgeschaut und mit Mitarbeitern gesprochen. Seine Schlussfolgerungen und Empfehlungen wurden im Januar dieses Jahres vorgelegt. Ein Blick in ein Dokument, das etliche Missstände insbesondere bei der Personalverwaltung offenlegte.

Die Aufgabe, die Waringo im Juni 2019 vom Regierungschef bekam, war klar und deutlich formuliert: Er sollte die Personalorganisation am Hof analysieren, ein neues Organigramm und eine klare Befehlskette erstellen. Insbesondere der angeblich raue Umgang mit Angestellten am Hof und die hohe Personalfluktuation hatten seit längerem für Negativschlagzeilen gesorgt. Zweiter wichtiger Auftrag für den versierten Finanzexperten: eine globale Analyse des Umgangs mit den öffentlichen Geldern am Hof.

Bereits im Juli nahm Waringo seine Arbeit auf, richtete sich am großherzoglichen Hof ein. Es folgten Dutzende Gespräche mit den zum damaligen Zeitpunkt noch am Hof beschäftigten Mitarbeitern, mit ehemaligen Angestellten, mit Vertretern anderer staatlicher Institutionen. Gleichzeitig prüfte er die Wünsche des Hofs nach Neueinstellungen oder Umstellungen, denn jede Änderung musste ab sofort vom Premierminister gutgeheißen werden. 

Zu Beginn seines Berichts hebt Waringo hervor, er habe die Aufgabe unentgeltlich ausgeführt, wollte er diese doch als Beitrag zur Modernisierung der Strukturen und des Betriebs am großherzoglichen Hof verstehen. Dass er nicht unbedingt willkommen war, bekam er schnell zu spüren. Als er zusätzliche Informationen über eine beabsichtigte Neueinstellung wünschte, bekam er Post von einer Anwaltskanzlei, die im Auftrag der Domänen- und Güterverwaltung des Hofs handelte. Seitdem sei er das Gefühl nicht mehr losgeworden, als störendes Element am Hof empfunden zu werden, schreibt Waringo.

Für seine Empfehlungen zur Neuorganisation am Hof orientiert sich Waringo an den Erfahrungen aus den Herrscherhäusern Schwedens, Belgiens und der Niederlanden, die er gleich zu Beginn seines Berichts ausführlich darlegt. Dabei interessierte er sich insbesondere dafür, wie die Frage der staatlichen Zuwendungen zu Privatzwecken und für offizielle Tätigkeiten des Staatschefs geregelt wurde. In Belgien und den Niederlanden erhält der König eine Art Gehalt, der zweite Teil der staatlichen Mittel dient dem Betrieb des königlichen Hauses – eine auch für Luxemburg denkbare Lösung, schätzt Waringo. Der Großherzog bekommt ein Gehalt, über das er wie jedermann frei verfügen wird und das wie bei jedem Bürger besteuert wird. Über den zweiten Teil der Zuwendungen muss hingegen Rechenschaft abgelegt werden. 

„Maison du Grand-Duc“

Eine weitere Neuerung wäre die Schaffung einer „Maison du Grand-Duc“ – eine vom Privatbereich des Großherzogs und der Güterverwaltung der großherzoglichen Familie getrennte Verwaltung mit eigenen Bankkonten und eigener Buchführung. Sie würde die Rechnungen selbst begleichen. (Bisher wurden diese zuerst von der Vermögensverwaltung des Hofs übernommen, der Staat überwies anschließend die Kosten für die offiziellen Missionen.) Die Buchführung würde von einem externen Rechnungsprüfer begutachtet werden. Dies würde ebenfalls eine klare Abgrenzung zwischen offiziellen Angestellten, also solchen, die am Hof in dessen Funktion als Institution arbeiten, und Angestellten für den Privatbereich der Familie ermöglichen. „La création de la nouvelle institution ‚Maison du Grand-Duc‘ permettrait, à mes yeux, de faire également un pas décisif en direction d’une plus grande transparence des activités de la Cour. Actuellement il n’existe au Luxembourg pas de reporting systématique sur l’exercice des missions officielles de la Cour, ni sur l’utilisation des dotations budgétaires.“

Der dem Hof gewidmete Bereich im jährlichen Staatsbudget wies bisher nicht die Gesamtheit der öffentlichen Gelder zugunsten der Monarchie aus. Dort werden Zivilliste, Zuwendungen für Personal und Repräsentationszwecke angeführt, doch andere vom Staat übernommene Ausgaben sind in anderen Budgetteilen verborgen. Der Sonderbeauftragte verschafft einen interessanten Überblick hierzu. So werden Unterhalts- und Renovierungskosten für den Palais in Luxemburg und das Schloss Colmar-Berg im Budget des Nachhaltigkeitsministeriums vermerkt, Energiekosten werden von der Bautenverwaltung, Reisespesen und einige offizielle Empfänge vom Staatsministerium übernommen. Beamte der Bautenverwaltung werden für den Unterhalt der Parkanlagen und die Instandhaltung der technischen Infrastruktur von Schloss Colmar-Berg abbestellt. Leibgarde und Adjutanten („Aides-de-camp“) werden aus dem Polizeibudget bezahlt. Völlig unentgeltlich waren bisher die Postdienste. Allein in Bezug auf Internet- und GSM-Abos schätzte die Post die unentgeltlichen Leistungen auf jährlich 550.000 bis 600.000 Euro.

Waringo schlägt die Aufstellung einer weitsichtigen Budgetsektion auf, in der sämtliche Zuwendungen an den Hof aufgelistet würden. Dieser neuen Berechnung zufolge fließen dem großherzoglichen Hof allein für 2020 14,293 Millionen Euro zu. Die aktuelle Sektion „Maison du Grand-Duc“ im Budget weist hingegen nur 10,618 Millionen Euro aus.

Chaotische Personalpolitik

Insbesondere sich häufende Kündigungen, angeblich willkürliche Einstellungen und Mobbing hatten den Hof in der Vergangenheit in ein negatives Licht gerückt. Auch in diesem Bereich spart Waringo nicht mit Kritik. Es gebe keine genaue Analyse des effektiven Bedarfs an Personal, um die offiziellen Funktionen des Staatschefs zu gewährleisten. Es stelle sich die Frage nach einer klaren Trennung zwischen Personal für offizielle und für private Zwecke.

Ende 2019 arbeiteten bei Hof 89 sogenannte Agenten und 17 aus anderen staatlichen Verwaltungen entsandte Mitarbeiter. Der Personalbestand blieb in den letzten Jahren quasi unverändert, doch zwischen 2014 und 2019 verließen 51 Personen ihren Arbeitsplatz, sei es, weil sie in eine andere Verwaltung wechselten, kündigten oder entlassen wurden. Renteneintritte sind hierbei nicht berücksichtigt worden. Waringos Schlussfolgerung: „Compte tenu du fait que la Cour emploie au total quelque 110 personnes, il s’impose de noter que les mouvements au niveau du personnel ont été très importants au cours de la période sous revue.“ Gespräche mit Betroffenen hätten ein Gefühl von Verwirrung hinterlassen, so Waringo diplomatisch. Die Personalverwaltung werfe etliche Fragen auf. Es fehlten klare Einstellungsprozeduren. Er habe eine gewisse Ängstlichkeit bei seinen Gesprächspartnern verspürt, Angst vor Entlassung oder Rüffel. Probleme würden nicht offen diskutiert.

Die wichtigsten Fragen in Sachen Personalpolitik würden von der Großherzogin entschieden. Waringo hebt dabei hervor, dass die Großherzogin allein eine repräsentative Funktion innehabe. „Il faut réformer le fonctionnement de notre Monarchie sur ce point essentiel. Il n’y a, à mon avis, pas d’autre solution”, heißt es.

Transparente Einstellungsprozedur

Waringo zufolge sollte dem Hofmarschall eine zentrale Rolle in Sachen Einstellung zukommen. Die Einstellungsprozedur müsse transparent und allen potenziellen Interessierten zugänglich sein. Bei Einstellungen in leitende Funktionen müsse die Zustimmung des Premierministers vorliegen.

Laut Waringo bestand bisher kein klares Organigramm. Ihm zufolge sollte der Hofmarschall sämtliche offizielle Missionen der großherzoglichen Familie verantworten. Bis 2015 sei der Hofmarschall Staatsbeamter gewesen. Der Vorgänger der aktuellen Hofmarschallin war hingegen aufgrund eines Vertrags mit dem Präsidenten der Güterverwaltung eingestellt worden. Auch übten die bisherigen Hofmarschälle einen Vollzeitjob am Hof aus. Das sei seit dem 1. Januar 2016 nicht mehr der Fall gewesen. Angesichts der Wichtigkeit seiner Aufgaben bedürfe es jedoch der ständigen Präsenz des Hofmarschalls vor Ort, so Waringo. Der Posten sollte überdies gesetzlich geregelt werden.

DOWNLOAD Hier gibt es den Waringo-Bericht als PDF.

Abschaffen würde Waringo hingegen den Generalmanager, dessen Aufgabenbereich Überschneidungen mit dem anderer Mitarbeiter aufweist. Der Posten war 2015 auf Anregung einer Managementberaterin eingeführt worden, die später wegen ihres unsauberen Strafregisters zur Persona non grata wurde. Laut Arbeitsvertrag untersteht der Generalmanager dem Großherzog und der Großherzogin.  

Umorganisieren würde Waringo ebenfalls die 2001 gegründete Medienabteilung des Hofs und sie enger an den staatlichen Presse- und Informationsdienst binden. Aufgefallen war u.a., dass die Webseite der Großherzogin moderner gestaltet sei als die altbackene offizielle Seite monarchie.lu. Beide Seiten werden vom Pressedienst gepflegt. Unklar war Waringo zufolge, ob auch die Seiten standspeakriseup.lu und fondation.lu von der Presseabteilung betreut würden. Allein die offizielle Seite monarchie.lu sollte aus Staatsgeldern finanziert werden, heißt es im Bericht. Ob die Aktivitäten der „Fondation du Grand-Duc et de la Grande-Duchesse“ sowie der Vereinigung „Standspeakriseup“ aus öffentlichen Mitteln finanziert werden oder nicht, sei ihm nicht bekannt. Hier bräuchte man eine eindeutige Antwort, meint der Berichterstatter. 

Breite Zustimmung der Parteien

Die 43 Seiten starke Fleißarbeit und die darin enthaltenen Empfehlungen waren Anfang des Jahres auf breite Zustimmung der politischen Parteien gestoßen. Der Vorstellung des Berichts sollten gleich konkrete Schritte folgen. Nachdem der damalige Hofmarschall Lucien Weiler, der Premierminister Bettel zusammen mit Kabinettschef Michel Heintz auf die Missstände am Hof hingewiesen hatte, seinen Rücktritt eingereicht hatte, wurden im März zwei Sonderberater eingestellt. Uni-Professor André Prüm und Unternehmensberater Norbert Becker sollten die Umsetzung der Empfehlungen des Sonderbeauftragten begleiten. Neue Hofmarschallin wurde im Juni die Diplomatin Yuriko Backes. Zeitgleich wurde Becker zum Präsidenten der Vermögensverwaltung ernannt. 

Vor wenigen Tagen also legte Premierminister Bettel den Entwurf einer großherzoglichen Verordnung vor, die die Waringo-Empfehlungen weitgehend übernimmt. So wird eine klare Trennungslinie zwischen öffentlichem Aufgabenbereich und Privatbereich des Großherzogs gezogen. Verwaltungschef der neu geschaffenen „Maison du Grand-Duc“ ist der Hofmarschall. 

Kritik kam insbesondere aus linken Oppositionskreisen. So bemängelte der „déi Lénk“-Abgeordnete Marc Baum die Personalaufstockung auf 142 Personen. Die CSV freute sich hingegen über die Schaffung einer modernen und transparenten Monarchie. Unklar ist bisher noch die Höhe der künftigen staatlichen Zuwendungen. Aufschluss darüber dürfte es bei der anstehenden Vorstellung der Haushaltsvorlage 2021 geben. 

Zufrieden zeigte sich der Sonderbeauftragte Waringo über den Verlauf der Diskussionen zu seinem Bericht. Nach der Ausschusssitzung zur Vorstellung des großherzoglichen Erlasses sah er laut Radio 100,7 seine Aufgabe als beendet. „Meng Missioun war et, de Rapport ze schreiwen, herno war ech nach berodend ganz gären disponibel. An ech géing mengen, vun haut un ass et richteg eriwwer.“


Lesen Sie zu diesem Thema auch: 

Die neue starke Frau bei Hofe: Hofmarschallin Yuriko Backes
„Der Waringo-Bericht ist keine Bibel“ – Hofmarschallin Yuriko Backes im Gespräch
Die Vorschläge des Waringo-Berichts finden Eingang in die Verfassung

Steuerzahler
25. Januar 2021 - 16.14

Staatsbeamte sollten keiner Partei angehören dürfen, sont können und werden sie niemals ihre Arbeit "avec impartialité" erledigen. Die Tatsache, dass ein Grossteil der Beamten auf dem Hof der DP angehören ist unakzeptabel und einer Bananenrepublik würdig. Das Geld des Steurzahlers sollte Staatsbeamten zugute kommen und nicht Sektenmitgliedern der DP.