SEW/OGBLEine Gewerkschaft zerlegt Claude Meisch: Kritik am Krisenmanagement des Bildungsministers

SEW/OGBL / Eine Gewerkschaft zerlegt Claude Meisch: Kritik am Krisenmanagement des Bildungsministers
Patrick Arendt, Präsident der Gewerkschaft der Grundschullehrer SEW/OGBL, sagt, dass die Lehrer kein Vertrauen mehr in die Zahlen und Statistiken des Bildungsministeriums haben. Es sei zu viel uminterpretiert und verschleiert worden.  Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die Gewerkschaft der Grundschullehrer SEW/OGBL geht mit Bildungsminister Claude Meisch hart ins Gericht. Auf einer Pressekonferenz am Donnerstag hagelte es Kritik. Die Gewerkschaft fordert ehrliche Zahlen, korrekte Statistiken und zeitnahe Transparenz über die Situation im Land. Im Fokus der Kritik standen zudem das gänzliche Fehlen einer Organisation rund um den Distanzunterricht sowie groß angekündigte Nachhilfekurse, die niemals stattfanden.

Zum ersten Mal, seit er das Amt des Bildungsministers innehat, versendete Claude Meisch Glückwunschkarten von seinem persönlichen E-Mail-Account aus an alle Lehrer. Das war kurz vor der Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts im Januar. „Das ist so außergewöhnlich, dass wir es hier erwähnen müssen“, sagt Patrick Arendt, Präsident der Gewerkschaft SEW/OGBL der Grundschullehrer, auf der Pressekonferenz am Donnerstag. „Das ist sehr lieb, wird aber auch bitter nötig sein, da es immer noch keinen Plan für die Schule gibt“, sagt Arendt. Übrigens wollten die Gewerkschafter die Einladung an die Journalisten mit folgendem Titel versehen: „D’Schoul ass erëm un, vill Gléck am neie Joer, de Plang ass nach ëmmer net do.“ – „Das hat uns gut gefallen, weil es etwas provokativ formuliert ist.“ Dennoch entschieden sie sich für ein anderes Motto: „L’école est ouverte, la crise est encore là … et maintenant?“

Arendt erklärt, dass ein national einheitliches Konzept durch das Bildungsministerium (Ministère de l’Education nationale, de l’enfance et de la jeunesse – Menje) fehlt, wie die Schulen in der Pandemie ihrer Aufgabe nachkommen sollen. Zudem fehle es an Antizipation, weil es keinen transparenten und nachvollziehbaren Stufenplan gebe. Arendt hebt außerdem den Mangel an sinnvollen Schutzmaßnahmen für Schüler und Lehrer hervor und vermisst die fehlende Transparenz sowie den ehrlichen Dialog. „Und wenn es an all diesen Sachen fehlt, dann brauchen wir Lehrer tatsächlich viel Glück, um hier durchzukommen“, sagt Arendt in Bezug auf Meischs Neujahrsgrüße.

„In seinem Dank für den Einsatz zugunsten der Schüler scheint der Minister zumindest erkannt zu haben, um was es den Lehrern tatsächlich geht.“ Trotz schwieriger Zeiten, persönlicher Ängste und multipler Belastungen gehen die Lehrer ihrer Mission nach und sind für ihre Schüler da, so der Gewerkschaftler. „Oder anders ausgedrückt: Trotz mangelnder Anerkennung des Ministers, Inexistenz von Dialogbereitschaft und konsequentem Festhalten am Märchen einer schulischen Normalität gehen die Lehrer ihrer Mission nach und sind für die Schüler da.“

Meisch behauptet seit Monaten, dass man sich in der Schule nicht ansteckt. Die Behauptung Meischs beruht auf keiner Studie, sondern lediglich auf Zahlen, die sein Ministerium selber bezieht und auch interpretiert.

Partick Arendt, Präsident SEW/OGBL

Die Gewerkschaftler sind sich einig, dass die sanitären Maßnahmen es erlauben müssen, die Schulen so lange wie möglich und so normal wie möglich funktionieren zu lassen. Damit meinen sie ausdrücklich den Präsenzunterricht. „Meisch behauptet seit Monaten, dass man sich in der Schule nicht ansteckt“, sagt Arendt. Er wirft dem Minister Populismus vor. „Die Behauptung Meischs beruht auf keiner Studie, sondern lediglich auf Zahlen, die sein Ministerium selber bezieht und auch interpretiert“, sagt er. „Eltern bezweifeln das, Lehrer, Schüler, Journalisten und international renommierte Forscher ebenso. Letztere anhand ihrer Studien.“ Deshalb sei das Vertrauen weg, so Arendt. Bei den Lehrern schon länger, aber auch bei den Eltern. Das sehe man auch daran, dass sie Petitionen einreichen und sich in sozialen Netzwerken zusammenschließen.

Schulen wurden ohne die Situation zu evaluieren aufgemacht

„Wir wundern uns schon etwas, dass die Schulen wieder aufgemacht haben, ohne dass die sanitäre Situation evaluiert wurde.“ Laut SEW-Präsident liegen der Gewerkschaft keine Zahlen zu Infektionen aus den Schulen vor, auch gebe es keine Prognose zu möglichen Szenarien, wie sich die Lage entwickeln könnte. Die Sicherheit und Gesundheit der Schüler und Lehrer müsse im Vordergrund stehen.

Wir wundern uns schon etwas, dass die Schulen wieder aufgemacht haben, ohne dass die sanitäre Situation evaluiert wurde

Patrick Arendt, Präsident SEW/OGBL

Mittlerweile habe jeder erkannt, dass es eine reelle Gefahr für die Schüler ist, sich in der Schule anzustecken, andere anzustecken und das Virus nach Hause zu tragen. „Das Narrativ Meischs, dass sich in der Schule niemand ansteckt, ist nicht mehr aufrechtzuerhalten“, moniert Arendt. Durch dieses Ignorieren des Problems sei aber viel Zeit verstrichen. Laut Arendt gibt es noch immer keine national gültige Tracing-Prozedur für die Schulen. Jede Regionaldirektion habe ihre eigene. Auch fehle ein landesweiter Stufenplan, der durch die Krise steuert. Nur Transparenz erlaube es dem Lehrer, sich auf Änderungen vorzubereiten. „Im Moment hat man den Eindruck, dass die Schulen nur mit den Geschäften auf- und zugemacht werden.“

Lehrer haben kein Vertrauen mehr in Zahlen und Statistiken des Menje in Bezug auf die positiven Fälle in den Schulen. Es wurde zu viel uminterpretiert und Zahlen wurden verschleiert.

Patrick Arendt, Präsident SEW/OGBL

Arendt erinnert daran, dass zwei Wochen vor den Weihnachtsferien die Situation in den Grundschulen eskalierte. Ganze Klassen sowie zahlreiche Schüler und Lehrer waren in Isolation, Quarantäne oder krank. „Das System stand kurz vor dem Kollaps“, sagt er. Und die Ferien kamen als eine Art natürliche Schulquarantäne im letzten Moment. „Lehrer haben kein Vertrauen mehr in Zahlen und Statistiken des Menje in Bezug auf die positiven Fälle in den Schulen“, sagt Arendt. „Es wurde zu viel uminterpretiert und Zahlen wurden verschleiert.“ Er nennt ein Beispiel: Bei einem positiven Fall in einer Schule wurde nur 48 Stunden zurückgeblickt, sodass Kinder, die am Montag positiv getestet wurden, durch das Wochenende, das dazwischenlag, keine Inzidenz mehr hatten und folglich nicht mehr als positive Fälle gerechnet wurden. Statistiken seien lange Zeit so aufgestellt worden, damit das Narrativ des Ministers so lange wie möglich aufrechterhalten bleiben konnte. „Statt dass er mit einer ganz ehrlichen Risikoanalyse kam.“

Lehrer befinden sich im Unterricht mit vielen Schülern in einem Raum. Laut SEW setzen sie sich damit einem gewissen Risiko aus, das sie im Prinzip auch bereit sind, einzugehen. „Deshalb haben die Lehrer auch ein Recht auf eine ehrliche und transparente Kommunikation. Das ist die Form von Respekt, die die Lehrer für ihr Engagement in dieser Krise auch verdienen.“ Lehrer brauchen laut Arendt die Sicherheit, dass sie richtig informiert werden und dass die nötigen Maßnahmen genommen werden, wenn sich die sanitäre Situation zum Schlechten entwickelt.

SEW fordert eine Krisensitzung

Von den Regionaldirektionen wird den Lehrern nahegelegt, im Privaten gefährliche Situationen zu vermeiden. „Als Lehrer fühle ich mich nur in der Schule ausgesetzt, nicht im Privaten“, so Arendt. Das passe aber zu Meischs Aussagen, dass sich viele Lehrer privat angesteckt haben, weil sie nicht aufgepasst haben. „Da sind wir sehr weit entfernt von dem Respekt, den wir fordern.“

Deshalb haben die Lehrer auch ein Recht auf eine ehrliche und transparente Kommunikation. Das ist die Form von Respekt, die die Lehrer für ihr Engagement in dieser Krise verdienen.

Patrick Arendt, Präsident SEW/OGBL

Das SEW fordert ganz dringend eine Krisensitzung mit dem Bildungsministerium, den Gewerkschaften und den Elternvertretern. Diese Runde sollte regelmäßig zusammenkommen, um aktuelle Maßnahmen zu bewerten bzw. neue vorzuschlagen.

Eine Woche lang funktionierten die Schulen nach den Ferien im Homeschooling. „Auf eine Analyse der Effizienz des Distanzunterrichts im letzten Jahr hat das Menje komplett verzichtet.“ Es sei unmöglich einzuschätzen, wie sehr diese Zeit die Schüler zurückgeworfen hat. So könnten keine realistischen Maßnahmen für Nachhilfekurse entwickelt werden. Vom Distanzunterricht für Grundschüler hält Patrick Arendt wenig, selbst wenn die Kinder technisch gut ausgerüstet seien. „Das haben Studien aus dem Ausland klar gezeigt. Kinder haben in der Zeit quasi nichts gelernt.“ Die meisten Schüler seien auf dem Niveau geblieben, wo sie vorher waren.

Meisch habe zwei Tage nach dem ersten Lockdown verkündet, dass seine Plattform zum Distanzunterricht „schouldoheem“ wunderbar funktionieren würde, sagt Arendt. Zumindest dort, wo sich die Eltern und Lehrer genug investieren würden. „Das bedeutet, wenn man Probleme zugibt, dann ist man kein guter Lehrer oder Elternteil“, sagt der Gewerkschaftler.

Ministerium hatte nichts vorbereitet

Acht Monate nach dem ersten Lockdown hätte man erwarten können, dass das Menje mit seinen vielen Experten ein Konzept für „schouldoheem“ entwickelt, sagt Arendt. „Aber es war überhaupt nichts vorbereitet. Es sah so aus, als sei das Menje erneut vom Lockdown überrascht worden.“ Die Lehrer seien nur einen Tag vor den Ferien informiert worden und hätten alles selber vorbereiten müssen, so Arendt.

Die groß angekündigten Nachhilfekurse, die nach der „Rentrée“ im September außerhalb der Schulstunden stattfinden sollten, haben gar nicht stattgefunden und scheinen auch nicht nachgeholt zu werden

Joëlle Damé, SEW/OGBL

Joëlle Damé vom SEW/OGBL erinnert daran, dass der Distanzunterricht im vergangenen Schuljahr insgesamt zehn Wochen lang stattgefunden hat. Die sozialen Ungleichheiten seien dadurch verschärft worden. Das habe das Menje in der Zwischenzeit auch eingesehen. Die angebotene Sommerschule in den großen Ferien, die auf zwei Wochen angesetzt war, sei in Wirklichkeit nur einzelne Stunden für einzelne Schüler einer Klasse gewesen. Den Schülern konnte demnach nicht flächendeckend geholfen werden, sagt Damé. „Die groß angekündigten Nachhilfekurse, die nach der „Rentrée“ im September außerhalb der Schulstunden stattfinden sollten, haben gar nicht stattgefunden und scheinen auch nicht nachgeholt zu werden.“ Das sei einfach nur skandalös, fügt Patrick Arendt hinzu.

B.G.
16. Januar 2021 - 12.46

@Här J.C.Kemp Wann ëch gewosst hät dass Dir Schoulmeeschter an Gewerkschaftler waard , dann hät ëch Iech natierlech nët op Är «  sozesooen professionell Uspillung geäntwert. Also neischt fiir Ongudd, wënscht Iech eng laang an gudd Gesondheet de Blaat‘s Gast fun Esch.

J.C.Kemp
15. Januar 2021 - 22.46

@B.G. Natierlech ass d'Erfarung vun engem 85-järege, den e puer Enseignantë kannt huet besser, wéi déi vun engem de 40 J. viru Klasse stoung an och an enger Enseignantsgewerkschaft aktiv war, an nach ëmmer Kontakt mat deene Gerkschafter huet. An den och genau weess, well en dobäi war, wéi Leit am Ministère a bei aneren "Décideuren" den Avis vum Enseignant kucken: oft mat dem verlängerte Réck!

B.G.
15. Januar 2021 - 20.04

@Här J.C.Kemp Ech waar laang Jooeren hei zu Lëtzebuerg an direktem Kontakt , an der Primäer School an am Lycée mat Schoulmeeschteren an Proffen, an duernoo zu Zurich an Aachen mat Heechschoul Professeren., an Diir ? Ech waar och hei Heem an zwou Gewrkschaften, an Diir? Dass haut d‘Meenung funn engen 85 jähregen nët méi zielt, ass normaal an miir komplett puub.

Jemp
15. Januar 2021 - 19.13

@Jean Nestor: Ihr erster Satz beinhaltet einen kapitalen Irrtum: Die Lehrer sind nicht da, um schlecht erzogene Kinder zu erziehen, sondern um den Kindern die Materie beizubringen. Die Erziehung ist hauptsächlich Elternsache. Schlecht erzogenen Kindern kann auch der beste Lehrer nichts beibringen, und dazu verhindern diese auch noch, dass der Lehrer genug Zeit hat, den gut erzogenen etwas bei zu bringen. Momentan verbringen viele Lehrer ihre Zeit in der Schule damit, solche zu bremsen, die permanent andere bespucken, absichtlich ins Gesicht husten, das Treppengeländer ablecken, die Türklinke mit Spucke einreiben, die Bank des Nachbarn mit einem kürzlich benutzten Taschentuch behandeln, usw. Und ob ein Lehrer Gewerkschaftler ist oder nicht, geht Sie gar nichts an.

Gross
15. Januar 2021 - 18.08

Nein, er ist nicht zerlegt, nicht mal ein Haar gekrümmt. Ein paar Gewerkschaftler haben gerülpst, mehr ist nicht passiert.

J.C.Kemp
15. Januar 2021 - 14.51

Was weiss G.B. vom Wirken der Lehrer-Gewerkschaften? Ist er etwa Lehrer gewesen?

Jean Nestor
15. Januar 2021 - 14.27

Lehrer sollten sich darum bemühen Kinder (auch schlechterzogene) zu unterrichten! Das ist ihre Grundaufgabe. Lehrern geht es grundsätzlich nicht schlecht. Oder? Also bitte unterrichten so lange es geht. So lange Wissenschaftler Politiker beraten, und leztere auf Wissenschaftlet hören, sollten Lehrer ihre Arbeit machen. Um die Statistik zu bemühen Wie viele Lehrer ( von wievielen) haben sich schon in der Schule angesteckt? Auch einer ist schon zuviel. Aber alle Kinder zu Hause, ist viel zu viel. Ih hatte das Glück während meiner Schulzeit sehr gute Lehrer zu haben. Ich hatte im Leben manche gute Freunde die Lehrer waren. Sie waren alle Lehrer. Keiner davon war Gewerkschaftler. Schuster bleib bei deinem Leisten.

G.B.
15. Januar 2021 - 12.07

Ein bauchbares Konzept zu entwickeln haben Gewerkschaften seit ihrem über hundert jährigen Bestehen nicht oft fertig gebracht . Jetzt erlauben diese es zu Herren gewordenen , dem guten Meisch vorzuwerfen dies nicht in einem Jahr fertig gebracht zu haben.......