Eine Ente entschleunigt das Leben

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Sie läuft und läuft und läuft und wird verehrt. Nein, nicht der Käfer aus Wolfsburg. Die Ente aus Frankreich.

Sie ist schön. Sie ist rund. Sie hat große Kulleraugen. Sie hat ihre Besitzer zur Verzweiflung gebracht, aber jeder, der je eine besessen hat, wird sich in Gedanken nie von ihr trennen. Die Rede ist vom „2CV“, deux chevaux. Den Namen hat sie von der französischen Steuerverwaltung, die das Gefährt in die Steuerklasse mit zwei Pferdestärken einordnete.

Den deutschen Namen erhielt sie von einem niederländischen Journalisten, der sie eine hässliche Ente nannte, als er das Auto zum ersten Male sah. Es gibt viele Namen für ein französisches Auto, das, wie auf der anderen Seite des Rheins der Käfer, zu den Mythen der Autogeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg gehört. Unschön ist zweifellos der Name, den die satirische Wochenzeitung „Le Canard Enchainé“ ihr gab: „Boite à sardines“ – Sardinenbüchse. Seit 1948 wurde sie gebaut, am 27. Juli 1990 lief um 16 Uhr in Portugal im Automobilwerk Mangualde die letzte „Ente“ vom Band. Das ist jetzt 25 Jahre her, beendet ist die Geschichte des Autos damit aber nicht, und begonnen hatte sie auch schon viel früher.

Mythisch

Mitte der 30er Jahre baute Citroen bereits ein Auto, das heute ebenfalls mythisch ist. Die bürgerliche Gesellschaft fuhr es und es war damals Inbegriff der automobilen Mobilität: Den Traction Avant, mit Vorderrad-Antrieb und viel Platz in seinem Innern. Der Vorläufer des Reisewagens, für dessen Bequemlichkeit Citroen später mit den ID und DS Modellen berühmt werden sollte. Der Konstrukteur André Lefèbvre hatte den Auftrag erhalten, ein Auto erfinden, in dem zwei Bauern in Stiefeln, ein Zentner Kartoffeln, ein Fass Wein transportiert werden konnten. Die Federung des Wagens sollte so sein, dass ein „Korb mit Eiern“ ein Fahrt über holprige Feldwege gut übersteht und der Wagen Fahrten über schlechteste Wegstrecken problemlos bewältigen kann“. Tief blicken lässt eine andere Anweisung: Der Wagen sollte so einfach konstruiert sein, dass ihn selbst eine ungeübte Fahrerin (!) problemlos bedienen können sollte. Das Auto sollte mindestens 60 Kilometer schnell fahren können und dabei nur drei Liter auf 100 Kilometer (!) verbrauchen dürfen. Außerdem, verfügte Citroen Direktor Pierre-Jules Boulanger, ein Mann mit 1,80 Meter Größe, müsse er sich in das Auto setzen können, ohne seinen Zylinder abzunehmen. 250 Prototypen wurde von dem “ganz kleinen Auto“ gebaut, wie der inoffizielle Name hieß. Dann kam der zweite Weltkrieg.

In Scheunen versteckt fand man danach vereinzelt Prototypen wieder, nur mit einem Scheinwerfer, mit einer Karosserie, die wie aus Wellblech gefertigt aussah. Er wurde überarbeitet, danach durfte das hässliche Entlein 1949 in Serie gehen. Fast 3,9 Millionen Exemplare wurden von den Auto gebaut. In der Anfang mit einer Leistung von neun PS, am Ende mit 26 Ps. Das Autochen quälte sich meist über die Autobahnen, hatte an Steigungen in der Regel keine Chance einen Lastwagen zu überholen.

Zweizylinder

Modelle der 50er Jahre hielten vor Steigungen an den Nationalstraßen an, um im ersten Gang wieder anzufahren, weil das Getriebe nicht synchronisiert war. Besitzer des kleinen Zweizylinders benötigten unendlich viel Geduld mit dem Gefährt und seinem 602 Kubikzentimeter großen Motor. An mechanische Pannen musste man sich gewöhnen. Dafür ist die 2CV Gemeinde eine verschworene Gemeinschaft. Wer auf einer großen Kreuzung einer rheinischen Großstadt mitten im Berufsverkehr stehen bleibt, kann sicher sein, schnell von Leidensgenossen umgeben zu sein, die sachkundig etwa das Gasgestänge wieder einrichten.

Fan des Autos, das später in einer größeren Version als Dyane produziert wurde, haben ihr Auto häufig verschönert, mit Mercedes-Kühler, oder mit angeschweißten Kofferräumen. In Frankreich bauen Fans ihre eigenen 2CV, wie jener Normanne, der sich die Bauteile für seinen Wagen mühsam zusammensuchte und einen „neuen“ 2CV aus Bauteilen von Autos des Jahres 1958 erstellte, es durch die französische Zulassungskontrolle brachte und nun über einen 2 CV Baujahr 1958/2011 verfügt. Mit „la deusch“, wie man in Frankreich auch sagt, verbinden sich viele nostalgische Gefühle, aber auch Späße. So ziemlich jeder Besitzer versuchte irgendwann darin, in Kurven das Auto auf nur noch zwei Räder zu fahren. Umgekippt ist es fast nie. Und einen „Elchtest“ bestand er immer, ohne dass der Test damals schon eingeführt und so benannt worden wäre.

Was macht das Auto heute noch so begehrlich? Man begeht schwerlich Geschwindigkeitsübertretungen mit ihm. Es ist auf die Gundelemente eines Autos zurückgeführt und braucht keinen Computer in der Werkstatt, um einen Fehler zu finden. Und schließlich: Das Auto erinnert in Frankreich an die „gute, alte Zeit“, in der das Leben ein wenig gemütlicher und weniger hektisch verlief. Ein 2CV entschleunigt das Leben.