FußballEine 34-jährige Liebesgeschichte: Das „huis clos“ aus dem Blickwinkel eines hartgesottenen Mondorf-Fans

Fußball / Eine 34-jährige Liebesgeschichte: Das „huis clos“ aus dem Blickwinkel eines hartgesottenen Mondorf-Fans
Die „Angry Goats“, mit ihrem Präsidenten Daniel Soares (M./ein Bild aus Zeiten vor Covid-19), hoffen auf bessere Zeiten Foto: privat

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Er ist eigentlich selbst ein richtiges Stück Mondorf – und genauso sehr hängt sein Herz am Verein: Daniel Soares, Präsident der „Angry Goats“, leidet wie alle Fußballfanatiker unter dem aktuellen „huis clos“. Welche Gedanken sich Schlachtenbummler im Moment machen und wer die beiden Tore am Sonntag gegen die Fola machen soll – ein Gespräch aus Sicht der Tribüne (oder eben nicht …).

Eigentlich hat Daniel Soares klare Vorstellungen vom optimalen Sonntagnachmittag. Zwei Stunden vor dem Anpfiff steigt auch beim Chef der „Angry Goats“ normalerweise die Anspannung. „Da beginne ich normalerweise damit, im Stadion alles vorzubereiten.“ Diese Routine, zwischen Trommeln, Gesängen und einem kalten Bier, wurde durch Corona komplett vernichtet. Das hat, zumindest äußerlich, Spuren hinterlassen, wie der 34-Jährige scherzhaft erklärte: „Ich bin jetzt öfter zu Hause bei meiner Familie. Es ist schön, mehr Zeit daheim zu verbringen, aber ich merke, dass ich davon auch graue Haare bekomme … Ich brauche den Fußball als Gleichgewicht. Klar nagt es auch an den Nerven, wenn man verliert, aber es wäre auch langweilig, immer nur zu gewinnen.“

Der hartgesottene US-Mondorf-Fan wird in zwei Monaten Vater – auch das spielt in Covid-Zeiten eine große Rolle: „Ich hoffe für meine Kollegen, dass sich bald etwas an der Situation ändern wird. Ich selbst würde aber ohnehin noch etwas abwarten, denn ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn ich das Virus irgendwie mit nach Hause schleppen würde. Die Gesundheit geht vor, aber ich vermisse dieses Gefühl.“ Der ehemalige USM-Spieler glaubt selbst nicht an eine baldige Veränderung. „Das ist weder gut für die Mannschaft noch für den Verein, der monatelang keine Einnahmen macht.“

So also bleibt den eingeschweißten Fans in den kommenden Wochen nichts anderes übrig, als sich auf Liveticker der Vorstandsmitglieder zu verlassen, da nicht alle BGL-Ligue-Vereine ihre Spiele übertragen werden. Und das, obschon man auch außerhalb des Stade John Grün eigentlich eine perfekte Sicht auf das Spielfeld hätte. „Das wollen wir absolut vermeiden“, betonte Soares. „Wenn es heißt, dass jeder zu Hause bleiben soll, möchten wir kein schlechtes Bild abgeben und mit gutem Beispiel vorangehen.“ 

20 Kumpels

Aufgrund der sanitären Krise haben die Fans diesmal auch noch keine Möglichkeit erhalten, die beiden Neuzugänge Julien Cétout und Marvin Geran kennenzulernen. „Das ist wirklich komisch. Sonst haben wir meist vorher beim Training vorbeigeschaut und sie willkommen geheißen.“ Doch nicht nur der Kontakt zu den Spielern hat sich während die Pandemie verändert. Durch Covid-19 haben sich die Zuschauer anpassen müssen. Niemand lag sich im Herbst bei einem Torjubel in den Armen, keiner durfte den Kickern in der Kabine gratulieren. „Mit einer Maske zu singen ist nicht optimal, aber es geht“, meinte Soares. 

Das tun die „wütenden Ziegen“ übrigens seit 2016. Gemeinsam mit dem ersten Präsidenten Daniel de Sousa entstand die Idee, einen Fanklub zu gründen. Der harte Kern, rund 20 „Kumpels, die ich bereits 34 Jahre kenne“, steht auch heute noch hinter der Mannschaft – ob bei den Heimspielen oder bei der „Nëssdrëpp“ während des Pokalspiels in Vianden. „Wir haben damals schon gemeinsam bei den Poussins gespielt.“ Soares selbst beendete seine Laufbahn in der ersten Mannschaft, als diese gerade in die 1. Division aufgestiegen war – und der waschechte Mondorfer einen Job im Casino annahm. „Der Charme, den Mondorf ausstrahlt, ist einzigartig“, schwärmte er. „Wir haben das einzige Thermalbad, das einzige Casino, die US Mondorf und ein Stadion, das nach dem stärksten Mann benannt wurde. Was will man mehr?“

Eine etwas andere Meinung hatte im Sommer 2019 sein Cousin Cédric Soares, der die Grünen in Richtung Jeunesse verließ. „Da war ich traurig“, gab der Präsident zu. „Es ist eine andere Mannschaft – eben fast so, als würde mir meine Frau fremdgehen.“ Besonders, da die Soares-Dynastie in Mondorf schon ein Vorgänger aufgebaut hat: „Mein Vater Luis, von dem heute noch einige sagen, er sei damals einer der besten Spieler gewesen.“ 

Daniel Soares (l.) und sein Vater Luis standen im vergangenen Jahr erstmals gemeinsam bei den Veteranen auf dem Platz
Daniel Soares (l.) und sein Vater Luis standen im vergangenen Jahr erstmals gemeinsam bei den Veteranen auf dem Platz Foto: privat

Diesen Job haben inzwischen andere Leute in der ersten Garde der Thermalstadt übernommen. Besonders stolz ist Soares auf den Einheimischen Alessandro Scanzano. Sehr geschätzt werden bei den Fans ebenfalls zwei Urgesteine: „Ahmed Benhemine und Amine Nabli. Die kommen nach jeder Partie zu uns, um sich für die Unterstützung zu bedanken. Vor Jahren war das auch bei Patrick Worré oder Glenn Marques der Fall, die gemeinsam immer noch etwas mit uns getrunken haben. Das liegt wohl daran, dass Torhüter weniger laufen müssen … Auf jeden Fall tragen wir beide tief im Herzen.“

8:0

Zusammenhalt und familiäre Atmosphäre gibt es bei der USM aber auch auf einer anderer Ebene. Sowohl Vereinspräsident Christian Strasser als auch Bürgermeister Steve Reckel genießen wegen der großen Unterstützung hohes Ansehen bei den „Angry Goats“: „Der Präsident setzt sich permanent für uns ein. Von der Gemeinde haben wir ein Podest bekommen, damit wir den nötigen Abstand zu den anderen Zuschauern einhalten konnten.“ 

Das Podest wird am Sonntag beim Heimspiel gegen die Escher Fola allerdings leerstehen. Wann Trommeln, Fangesänge und der Geruch von Grillwürsten wieder der Normalität angehören werden, ist nicht absehbar. Für Soares sind die aktuellen Einschränkungen nachvollziehbar: „Wenn sich jeder daran hält, kommen wir besser durch die Krise und man braucht keine Angst mehr vor einem Stadionbesuch zu haben. Es bringt niemandem etwas, wenn zu früh gelockert wird und dann wieder alles über den Haufen geworfen werden muss.“

Zumindest hat man bei Fangruppe klare Vorstellungen von dem, was am Sonntag ohne sie ablaufen sollte: „Früher, als Jeff Strasser noch Trainer der Fola war, haben wir immer von einem 8:0-Sieg geredet. Ich denke mal, dass ein Sieg möglich ist, aber wir würden uns auch mit einem Punkt zufriedengeben.“ Liebling Scanzano, der „Munnerefer Bouf“, ist laut Soares der beste Kandidat für das erste Tor – gefolgt von einem Treffer des ehemaligen Benfica-Profis João Coimbra. Mit acht Punkten aus neun Spielen käme Mondorf sicher jeder Zähler gerade recht. „Ich bin Optimist, wir werden den Klassenerhalt schaffen. Ich habe das Gefühl, dass wir diesen Druck irgendwie brauchen. Das war zumindest in den letzten Jahren immer so.“ Diesmal muss die Mannschaft das aber ohne ihre Schlachtenbummler hinbekommen.