LuxLettersEin Versuch, Klarheit zu schaffen: Beweise fehlen und Regierung redet am Problem vorbei

LuxLetters / Ein Versuch, Klarheit zu schaffen: Beweise fehlen und Regierung redet am Problem vorbei
Die LuxLetters-Affäre hat bis jetzt nicht viel Aufmerksamkeit bekommen – das könnte an der unklaren Beweislage liegen Montage: Cédric Feyereisen

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LuxLetters: Findige Unternehmen können in Luxemburg durch sogenannte Informationsschreiben wesentlich weniger Steuern bezahlen. Das haben verschiedene Medien vergangene Woche geschrieben. Das Problem: Den Journalisten fehlt es an eindeutigen Beweisen und die Regierung streitet ab – aber was genau? Die Steuerverwaltung zeigt sich unkooperativ und redet am eigentlichen Problem vorbei. Ein Versuch, Klarheit zu schaffen.

Die Openlux-Affäre hat im Februar hohe Wellen geschlagen – bei LuxLetters herrscht bis jetzt Ebbe. Durch sogenannte Informationsbriefe soll es für Unternehmen in Luxemburg möglich sein, wesentlich weniger Steuern zu bezahlen – und das ohne andere Länder informieren zu müssen. Das besagen die LuxLetters-Vorwürfe mehrerer Medienportale am vergangenen Donnerstag. Laut Medienberichten der Süddeutsche Zeitung, Le Monde und Woxx informieren Steuerberater die luxemburgischen Behörden in solch einem Brief über geplante Steuervermeidungskonstrukte. Wenn die Steuerverwaltung sich daraufhin nicht melde, bedeute dies grünes Licht. Das Problem: Dadurch sei die Regierung nicht verpflichtet, diese Information mit anderen Ländern zu teilen.

Die Regierung hat – wie auch schon für Openlux – eine spezielle Internetseite erstellt und die Vorwürfe abgestritten. Laut einem Artikel der Onlinezeitung Luxembourg Times, der am Dienstag veröffentlicht wurde,  sagen Menschen, die für ihre Kunden regelmäßig mit den luxemburgischen Steuerbehörden arbeiten, dass sich die Berichte der vergangenen Woche von ihren eigenen Erfahrungen unterscheiden.

„Ich glaube nicht, dass ein von einer Anwaltskanzlei oder einem Steuerberater verfasster Brief ohne formelle Bestätigung der Steuerbehörden dem Kunden die gleiche Sicherheit geben kann wie die Bescheide, die in der Vergangenheit ausgestellt wurden“, erzählt ein Unternehmenssteueranwalt einer internationalen Kanzlei in Luxemburg der Onlinezeitung.

Reicht das?

Also Fall abgeschlossen? Das Thema hat zumindest in der Öffentlichkeit kaum Aufmerksamkeit erregt. Für Sven Giegold, deutsches Mitglied der Grünen/EFA-Fraktion im Europaparlament, reicht die Reaktion der Luxemburger Regierung nicht aus. Für ihn gibt es zwei Gründe, warum die LuxLetters-Affäre in der Öffentlichkeit nicht so breit thematisiert worden ist. Zum einen haben sich am Tag der Veröffentlichung auch 130 Länder auf eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent für Großkonzerne geeinigt. „Dadurch haben alle Steuer-interessierten Journalisten über diese Einigung berichtet“, sagt Giegold. Der andere Grund: fehlende eindeutige Beweise. „Wegen des Quellenschutzes konnte nicht genauer darüber geschrieben werden“, sagt der Politiker.

Die Nachricht hatte also in der Öffentlichkeit nicht unbedingt den gewünschten Effekt. Laut Giegold haben die europäischen Behörden die neue Problematik allerdings durchaus wahrgenommen. „In den Institutionen bedeutet das für Luxemburg einen weiteren Reputationsverlust“, sagt Giegold. Die Luxemburger Behörden würden versuchen, sich auf Kosten der Nachbarn durchzumogeln.

„Wir werden dieses Thema sicherlich durch ein Hearing im Europaparlament weiterverfolgen – und ich bin auch sehr dafür, dass die EU-Kommission das untersucht“, sagt der grüne Politiker. Er kritisiert auch die „halbseidenen Aussagen“ der Luxemburger Regierung, die die Vorwürfe in der Substanz nicht beantworten würde. Die Antwort der Luxemburger Regierung sei nämlich spitzfindig formuliert. Die Existenz der Praxis wird laut Giegold in der Antwort nicht bestritten. Es werde nur gesagt: Das habe keine rechtsverbindliche Wirkung. „Da wird geschildert, was das alles nicht ist – das bestätigt ja, dass es das in anderer Form gab“, sagt der Politiker.

Auf der Suche nach dem rechtlichen Rahmen

Die Passage, auf die Sven Giegold seine Aussagen basiert, steht in der FAQ der Regierung: „Die Autoren der jüngsten Artikel scheinen sich auf Briefe zu beziehen, die vom Steuerzahler an die Steuerbehörde geschickt werden. Solche Schreiben liegen in der alleinigen Verantwortung des Steuerzahlers und haben keine bindende Wirkung für die Steuerbehörde.“ Was genau mit diesen Briefen passiert und ob die Steuerbehörde solche Informationsbriefe schon erhalten hat, steht allerdings nicht in dem Schreiben. 

„Die Regierung hat, unseren Kenntnissen nach, keine Briefe dieser Art erhalten“, schreibt ein Sprecher des Finanzministeriums auf Tageblatt-Nachfrage. Doch was passiert theoretisch, wenn so ein Informationsbrief an ein Ministerium geschickt wird? Welche Prozeduren müssen rechtlich eingehalten werden? Darf dieser Brief unbeantwortet bleiben? Die Antwort des Staatsministeriums: Es gebe keine „generellen gesetzlichen Regeln“ darüber, wie Briefe gehandhabt werden müssen. „Briefe an ein Ministerium werden je nach Zuständigkeit und Art des Briefes behandelt“, sagt ein Sprecher des Staatsministeriums dem Tageblatt gegenüber. Auf erneute Nachfrage zum genauen Beispiel der Informationsbriefe heißt es: „Das müssen sie beim Finanzministerium nachfragen.“

Das Finanzministerium sieht sich hingegen nicht zuständig für individuelle Steuerfälle. „Der Steuerzahler würde an die Steuerverwaltung weitergeleitet werden“, schreibt ein Sprecher des Ministeriums. Die Luxemburger Steuerbehörde antwortet auf eine erste Nachfrage vom Dienstagabend eher indirekt: „Wenn ein Steuerzahler einen Informationsbrief an die Steuerverwaltung schickt, hat so ein Schreiben keine bindende Wirkung für das Steuerbüro, das dadurch zu nichts verpflichtet ist“, schreibt Pascale Toussing, Direktorin der Luxemburger Steuerverwaltung, als Antwort auf eine Tageblatt-E-Mail. Was genau mit so einem Informationsbrief geschieht, erklärt Toussing allerdings nicht.

Die Behörden reden am Problem vorbei

Jeder Steuerpflichtige muss sich laut Toussing an dieselbe Gesetzgebung halten. Es gebe keine günstige Steuerregelung, die ein Steuerzahler anfragen könne. Toussing erklärt in der Mail auch noch einmal, dass Steuervorbescheide – also Tax Rulings – schriftlich beantwortet werden und diese Antworten dann auch verbindlich sind. Doch das ist nicht das Problem. Der Vorwurf heißt: Diese Informationsbriefe sind keine offiziellen Tax Rulings und unterliegen somit nicht denselben Regeln.

Das Finanzministerium wurde laut Sprecher des Ministeriums schon im März 2021 mit diesen Vorwürfen konfrontiert – und habe dann den Kontakt mit der Steuerverwaltung aufgenommen. „Die Schlussfolgerung war, dass diese Vorwürfe nicht gerechtfertigt sind – das wurde den Journalisten zu diesem Zeitpunkt auch erklärt“, schreibt der Sprecher auf Tageblatt-Nachfrage.

Das Tageblatt hat am Mittwochabend – kurz nach der ersten Antwort der Steuerverwaltung – eine weitere E-Mail an die Behörde geschickt. Die Frage: Hat die Steuerverwaltung schon einmal einen solchen Informationsbrief erhalten und wenn ja, wie ging die Behörde mit diesen Briefen um? Pascale Toussing antwortete bis Redaktionsschluss am Donnerstagabend nicht.

Auf Telefonnachfrage am Donnerstagmorgen hieß es, dass das „Programm ziemlich voll“ sei und „man versuche sein Bestes, noch heute zu antworten“. Am Donnerstagnachmittag hat sich der Ton am Telefon dann verändert: „Ich habe nachgefragt und das wird heute nichts mehr“, so die Frau am Telefon. Es sei auch wahrscheinlich nicht möglich, bis Freitag eine Aussage zu bekommen. „Ich kann momentan gar nichts garantieren“, sagt die Frau, die die Anrufe entgegennimmt. Die Steuerverwaltung hat auf die vorige Anfrage innerhalb eines Tages geantwortet.

Schwierigkeiten der investigativen Journalisten

Ein Problem, das das Kollektiv der Journalisten, die für die LuxLetters-Artikel recherchiert haben, nur zu gut kennt. „An diesem Fall erkennt man sehr gut, warum das Luxemburger Pressegesetz nicht so gut funktioniert wie das deutsche – dort sind die Behörden verpflichtet, den Journalisten die Information zu geben“, sagt einer dieser investigativen Journalisten dem Tageblatt gegenüber.

„Tatsache ist: Solche Briefe existieren“, betont die Person. Ihre Quellen hätten diese Methode selbst miterlebt und hätten gesagt, dass das nicht so weiterlaufen dürfe. Mehr könne der Journalist zu diesen Personen nicht sagen. Schlagwort: Quellenschutz. „Unser Problem ist, dass wir keine harten Beweise haben“, so der Journalist. Die Artikel seien trotzdem veröffentlicht worden, um zu schauen, ob vielleicht jemand hervorkomme, um die Existenz der LuxLetters zu bestätigen.

„Wir wussten, dass die Auswirkungen dieses Mal nicht so groß sein würden wie bei OpenLux oder LuxLeaks“, meint der Journalist. Trotzdem habe das Kollektiv alle Ressourcen benutzt, um weitere Menschen zu finden, die öffentlich darüber reden würden. „Aber so weit wollte niemand gehen, weil sie sich dann in Gefahr bringen würden.“

Rad le bol
10. Juli 2021 - 5.34

Steuerpraktiken an den Pranger stellen und die Hand aufhalten für Pressehilfen die mit diesen Steuerpraktiken finanziert werden. Mitgegangen - Mitgehangen

Nomi
9. Juli 2021 - 13.48

@ Marc S. Daat kennt vun subventionei'erten Journalismus. Keng eegen Recherche mei' !

Marc S.
9. Juli 2021 - 10.13

Da setzt jemand, ganz ohne Beweise, Gerüchte in die Welt ... und das Tageblatt verbreitet sie munter weiter ... traurig