ZukunftDyson-Sphäre: Wie man einen ganzen Stern erntet

Zukunft / Dyson-Sphäre: Wie man einen ganzen Stern erntet
Freeman Dyson Foto: ioerror/CC BY-SA 2.0

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Der Energiehunger der Menschheit steigt stetig. Bislang nutzen wir allerdings nur einen winzigen Teil der Energie, die uns im Sonnensystem zur Verfügung steht. Vor 60 Jahren spekulierte Freeman Dyson, dass eine Zivilisation, die so fortschrittlich ist, dass sie einen ganzen Planeten zerlegen kann, dazu in der Lage ist, eine Hülle um ihren Stern zu bauen, um seine Energie aufzufangen. In diesem Artikel beschäftigen wir uns mit dieser fantastischen Idee.

Eine weit entfernte Zukunft. Ein Raumschiff nähert sich einem kleinen Stern im Orion-Arm der Milchstraße. Bei dem Stern handelt es sich um die Sonne. Routinemäßig hält das Schiff Ausschau nach Gefahren. Doch da ist nichts. Keine Asteroiden, die ihm gefährlich werden könnten. Sie wurden längst restlos abgebaut – genau wie der innere Planet Merkur. Das Schiff sieht sich weiter um. Für Menschen wäre die Sonne nicht zu sehen. Lediglich Infrarotstrahlung kommt aus dem Zentrum des Sonnensystems. Die Gravitation verrät jedoch, dass der Stern nach wie vor an seinem Platz ist. Er ist fast komplett umgeben von einer Schale, die alle Energie, die von der Sonnenoberfläche ausgeht, auffängt.

Eine solche Konstruktion ist mit den heutigen Mitteln freilich nicht machbar. Sie ist rein hypothetisch. Dennoch hat das kürzlich verstorbene Universalgenie Freeman Dyson genau diese Idee 1960 in einem Aufsatz im Wissenschaftsmagazin Science vorgestellt. Dyson schlug vor, bei der Suche nach intelligentem Leben im Weltall nach solchen Gebilden Ausschau zu halten. Er schrieb: „Ich behaupte nicht, dass dies in unserem System passieren wird; ich sage lediglich, dass dies in anderen Systemen passiert sein könnte.“ (Artikel: „Search for Artificial Stellar Sources of Infrared Radiation“, in Science, Juni 1960)

Dyson verteidigte seine Idee mit Zahlen, die belegen sollen, dass ein solches Projekt nicht komplett absurd ist. Zum einen führt er das exponentielle Wachstum der Bevölkerung und der Industrie ins Feld. Selbst kleine Wachstumsraten von einem Prozent führen über 3.000 Jahre zu einer gewaltigen Bevölkerungsexplosion um das Tausendmilliardenfache. Zum anderen werde, um einen Planeten wie Jupiter in seine Bestandteile zu zerlegen und neu zusammenzusetzen, lediglich so viel Energie benötigt, wie die Sonne in 800 Jahren abgibt. Und drittens, so Dyson, reicht das Material des Gasriesen Jupiter, um eine Schale um die Sonne zu bauen, deren Radius die zweifache Distanz der Erde zur Sonne beträgt und die, je nach Dichte, zwei bis drei Meter dick ist.

Stufe 0,73

Eine solche Schale würde die gesamte Sonnenstrahlung auffangen, die dann ihren Bewohnern zur Verfügung steht. Die verwendete Energie würde dann in Form von langwelliger Infrarotstrahlung abgeben. Dyson schlägt vor, bei der Suche nach Aliens nach genau dieser Strahlung zu suchen. Kein Wunder, dass Dyson-Sphären ein beliebtes Klischee der Science-Fiction geworden sind. Ein solches Projekt würde alle Projekte, die die Menschheit jemals angegangen ist, in den Schatten stellen.

Wenn Astronomen und Physiker über Zivilisationen sprechen, dann sprechen sie gerne über den Energieverbrauch, um zu messen, wie „fortschrittlich“ eine solche Zivilisation ist. Die einzige uns bekannte Spezies im Universum, die Technik benutzt, also der Mensch, nimmt stetig mehr Energie für sich in Anspruch. Von den ersten Schmelzöfen über Dampfmaschinen und fossile Brennstoffe bis hin zu Atomkraftwerken und dem Ausbau erneuerbarer Energiequellen: Der Energiehunger der Menschen ist über die Jahrhunderte kräftig angestiegen. Tatsächlich benutzen wir aber nur einen winzigen Prozentsatz der Energie im Sonnensystem. Der überwältigende Großteil der von der Sonne emittierten Energie verschwindet einfach ungenutzt im Weltraum.

Nikolai Kardaschow schlug 1964 drei Kategorien für Zivilisationen vor, die sich nach ihrem Energieverbrauch richten. Eine Zivilisation vom Typ 1 nutzt die gesamte Energie, die ihr auf ihrem Planeten zur Verfügung steht. Eine Zivilisation vom Typ 2 nutzt jede Energie ihres Sonnensystems. Eine Zivilisation vom Typ 3 wäre so mächtig, dass sie die Leistung einer kompletten Galaxie benutzen könnte. Der Astronom Carl Sagan hat eine Methode vorgeschlagen, mit der berechnet werden kann, wo die Menschheit heute steht. Dieser Methode zufolge erreicht die Menschheit auf der Kardaschow-Skala einen Wert von 0,73. Der Physiker Michio Kaku glaubt, dass die Menschheit Typ 1 in 100 bis 200 Jahren erreichen wird, wenn der Energieverbrauch jedes Jahr um durchschnittlich 3 Prozent steigt.

Amüsant, aber fragwürdig

Die schiere Größe und Komplexität einer Dyson-Sphäre lässt viele an der Machbarkeit eines solchen Projektes zweifeln. Einige haben deshalb Varianten vorgeschlagen, die sich wahrscheinlich einfacher durchführen lassen. So zum Beispiel sogenannte Dyson-Schwärme. Dabei handelt es sich um einen riesigen Schwarm von Satelliten, der die Sonne zum Teil einhüllt und Sonnenenergie abfängt. Als 2015 seltsame Fluktuationen in der Helligkeit von Tabbys Stern beobachtet wurden, vermuteten einige Enthusiasten dahinter einen solchen Dyson-Schwarm (oder aber die Überreste einer Sphäre). Tatsächlich erscheinen andere (natürliche) Erklärungen aber viel plausibler.

Genauso gut könnte eine Zivilisation, deren Heimatplanet zu eng geworden ist, ihren Alltag in riesige Raumstationen verlegen, die durch Rotation das Gefühl von Gravitation erzeugen. Diese walzenförmigen Gebilde – sogenannte O’Neil-Zylinder – könnten durch Solarkraft angetrieben sein und böten jeglichen Komfort, den man sich vorstellen kann.

Bislang benutzen wir nur einen winzigen Bruchteil des Sonnensystems. Derzeit gibt es mehrere Projekte, feste Siedlungen auf dem Mond und dem Mars aufzubauen. Abgesehen von der Sonnenenergie liegen auch noch weitere Energiequellen im Sonnensystem brach. So etwa die Gezeitenkräfte auf den Jupitermonden und die riesigen Wasserstoffvorkommen in der Jupiteratmosphäre.

Hinzu kommt, dass derzeit fieberhaft an Fusionsenergie geforscht wird. In Frankreich entsteht mit ITER eine riesige Versuchsanlage, die diese Energiequelle voranbringen soll. Befürworter dieser Technologie versichern, dass, anders als bei der Kernspaltung, keine unkontrollierbare Kettenreaktion entstehen kann. Die kommerzielle Nutzung der Kernfusion wird allerdings bereits lange in Aussicht gestellt. Ein alter Scherz besagt deshalb, dass die Reife dieser Technologie zu jedem Zeitpunkt um 30 Jahre in der Zukunft liegt.

Forscher am Fermi-Lab haben die Ideen von Dyson aufgegriffen, um nach Leben im Weltraum Ausschau zu halten. Dabei fanden sie 17 mögliche Kandidaten. Vier davon wurden von den Forschern als „ein wenig amüsant, aber immer noch zweideutig und fragwürdig“ eingestuft.

Turmalin
26. September 2020 - 18.27

Zu teuer, die Ringwelt ist viel billiger. ?