Spanien„Die zweite Welle ist da“: Madrid braucht Militär-Hilfe, 2.800 Schulklassen in Quarantäne

Spanien / „Die zweite Welle ist da“: Madrid braucht Militär-Hilfe, 2.800 Schulklassen in Quarantäne
In Teilen Spaniens braucht es wieder einen Grund, um vor die Tür zu dürfen: Ein Polizist spricht mit einer Frau an einem Kontrollpunkt in Vallecas, einem ärmeren Madrider Viertel, das abgesperrt ist Foto: dpa/Manu Fernandez

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Madrid, der schlimmste spanische und auch europäische Viren-Brennpunkt, steuert erneut auf einen Corona-Albtraum zu: mit vollen Intensivstationen und langen Warteschlangen vor den Gesundheitszentren. Mit Feldlazaretten, die jetzt wieder vom Militär aufgebaut werden. Und mit verzweifelten Hilferufen von Ärzten und Krankenschwestern.

„Wir fühlen uns vom Staat verlassen“, sagt Sergio Fernández, Krankenpfleger im Hospital Infanta Leonor im Stadtteil Vallecas. Die Mitarbeiter seien angesichts des großen Personalmangels „am Limit“. Die Lage in dem Krankenhaus im Madrider Süden, aus dessen Einzugsgebiet die höchsten Ansteckungsraten ganz Spaniens gemeldet werden, sei kritisch. Auf der Intensivstation gebe es schon jetzt keinen Platz mehr.

Nicht viel besser sieht es in etlichen anderen Hospitälern der Stadt aus: Ein Drittel aller Madrider Krankenhäuser sei bereits nahezu bis auf das letzte Bett belegt, meldet die Online-Zeitung El Diario. Madrids Regionalregierung rief wegen der sich täglich verschärfenden Notlage nun Spaniens Armee zu Hilfe. Die Soldaten sollen Behandlungszelte aufbauen, bei der Desinfektion von Gebäuden helfen und auch dem medizinischen Personal unter die Arme greifen.

Die Entwicklung in der spanischen Hauptstadt weckt Erinnerungen an jene traumatischen Bilder, die im März und April, auf dem Höhepunkt der ersten großen Viruswelle, um die Welt gingen. Damals mussten Covid-19-Patienten mangels Betten auf dem Fußboden mancher Krankenhausflure gelagert werden. In Sporthallen stapelten sich Särge von Corona-Opfern.

Noch ist die Lage in Spanien nicht so dramatisch wie im Frühjahr. Damals starben an manchen Tagen innerhalb von 24 Stunden landesweit mehr als 900 Menschen im Zusammenhang mit dem Virus Sars-CoV-2. Aber angesichts des steilen Anstiegs von Infektionen und Todeszahlen schließen Experten nicht mehr aus, dass das Land in diesem Herbst eine ähnliche Tragödie erleben könnte.

Wenig Hoffnung auf Besserung

Aus den aktuellen Zahlen lässt sich wenig Hoffnung auf Besserung ableiten: Rund 1.400 Corona-Patienten kämpfen momentan auf den Intensivstationen um ihr Leben – Tendenz steigend. Die spanischen Gesundheitsbehörden melden täglich schon wieder 100 bis 200 Corona-Tote. Am Dienstag dieser Woche waren es sogar 241 Todesopfer an einem Tag. Etwa ein Drittel aller Verstorbenen werden in Madrid registriert.

In etlichen spanischen Städten und Gemeinden gelten wegen der hohen Infektionsraten erneut drastische Ausgangsbeschränkungen. Allein im Großraum Madrid wurden bisher 37 südliche Stadtteile und Vororte abgesperrt, in denen fast eine Million Menschen leben. Nur zum Arbeiten dürfen die Betroffenen ihre Wohngebiete verlassen.

Angesichts der ungebremsten Ausbreitung des Virus sollen in den kommenden Tagen weitere Madrider Wohnbezirke isoliert werden. Auch ein kompletter Lockdown der ganzen Hauptstadtregion, in der insgesamt 6,7 Millionen Menschen leben, ist nicht mehr ausgeschlossen.

„Die Lage ist besorgniserregend“, sagte Spaniens Gesundheitsminister Salvador Illa. Er forderte alle Bewohner Madrids auf, möglichst zu Hause zu bleiben. Regierungschef Pedro Sánchez räumte ein: „Die zweite Welle ist da.“ Er stimmte die Bevölkerung der Metropole darauf ein, dass wieder „sehr harte Wochen“ bevorstehen.

In der Hauptstadtregion kletterte die 7-Tage-Inzidenz am Donnerstag auf 331 Infektionsfälle pro 100.000 Einwohner. In den südlichen Stadtteilen, in denen viele ärmere Familien und Einwanderer auf engem Raum zusammenleben, liegt dieser Referenzwert sogar bei über 600.

Spaniens sich verschärfende Corona-Krise macht übrigens auch vor den Schulen nicht halt: Zwei Wochen nach Schulstart befinden sich 2.800 Schulklassen mit insgesamt etwa 40.000 Schülern wegen Infektionsfällen in Quarantäne. Allein in Madrid sind 832 Klassen komplett nach Hause geschickt worden, weil sich Schüler oder Lehrer angesteckt hatten.

Coronavirus hält Europa in Atem

Die Angst vor einem erneuten massiven Anstieg der Ansteckungs- und Todeszahlen durch das Coronavirus hält Europa in Atem. Während die Fallzahlen nahezu überall weiter stiegen, zeigte sich die EU-Krankheitsbekämpfungsbehörde ECDC am Donnerstag besonders besorgt über die Situation in sieben mehrheitlich östlichen EU-Ländern, aber auch in Spanien. Die EU-Kommission rief alle Mitgliedstaaten auf, entschieden zu handeln. Vielerorts wurden die Restriktionen zur Eindämmung der Pandemie erneut deutlich verschärft.
„Dies könnte unsere letzte Chance sein, um eine Wiederholung des letzten Frühjahrs zu verhindern“, sagte Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides in Brüssel. Es sei bereits fast zu spät, „in einigen Mitgliedstaaten ist die Situation bereits schlimmer als im März.“ Einem aktuellen ECDC-Bericht zufolge ist der Anteil von schweren Krankheitsverläufen und Krankenhauseinweisungen in Spanien, Rumänien, Bulgarien, Kroatien, Ungarn, Tschechien und Malta besorgniserregend. In einigen dieser Länder sei deshalb bereits eine steigende Zahl von Corona-Toten zu beklagen, in den anderen sei dies zu erwarten. In zwölf weiteren EU-Ländern, darunter Frankreich, Österreich und Belgien, sowie in Großbritannien steigen die Ansteckungszahlen laut ECDC ebenfalls rasant. Bislang seien dort allerdings eher jüngere Menschen betroffen und schwere Krankheitsverläufe seltener. In den restlichen Ländern ist die Lage demnach stabil. Insgesamt verzeichnet Europa mittlerweile über fünf Millionen bestätigte Ansteckungen. (afp)

HTK
25. September 2020 - 9.03

Man sollte doch meinen,dass eine Regierung in einem halben Jahr die Notsituation in Krankenhäusern,wenn nicht abschaffen so doch mildern hätte können.