ImpfkonventionDie Grenzen der ersten Impfphase: „Auch Informatiker mischen sich unter Patienten“

Impfkonvention / Die Grenzen der ersten Impfphase: „Auch Informatiker mischen sich unter Patienten“
Laut Konvention mit dem Gesundheitsministerium sollte nur das „personnel hospitalier“ geimpft werden. Doch nicht alle Krankenhäuser gingen während der ersten Impfphase gleich vor. Foto: AFP

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Welche Mitarbeiter wurden während der ersten Phase geimpft? An wen gingen die Einladungen? Was sagt die Konvention? Fragen über mögliche Impfdrängler reißen nicht ab. Man habe sich an die Konvention gehalten, heißt es aus den Krankenhäusern. Unregelmäßigkeiten habe es kaum gegeben. Details aus dem entsprechenden Schriftstück dringen indessen nur langsam an die Öffentlichkeit. Das Gesundheitsministerium versteckt sich hinter dem Ermittlungsgeheimnis.

In der ersten Phase der Impfkampagne war es das erklärte Ziel der Behörden, das Personal an der Front im Kampf gegen Covid-19 schnell und umfassend gegen Infektionen zu schützen. Prioritär sollten demnach Mitarbeiter aus der Gesundheits- und Pflegebranche die neu entwickelten Impfstoffe erhalten. Dabei war es den Krankenhäusern überlassen, ihre Angestellten gegen die Lungenkrankheit zu immunisieren.

Inzwischen ist aber bekannt, dass es bei der Auslegung der entsprechenden Konvention zu gewissen Interpretationsdivergenzen gekommen ist. In anderen Worten: Nicht alle Krankenhäuser hatten die gleiche Herangehensweise in Sachen Impfstrategie. Von geimpften Familienangehörigen geht inzwischen die Rede und von Ärzten im Ruhestand, die seit Jahren nicht mehr in den Krankenhäusern praktiziert haben.

So sollen am Escher „Centre hospitalier Emile Mayrisch“ (CHEM) und am „Centre hospitalier du Nord“ (CHdN) in Ettelbrück bereits im Januar pensionierte Mediziner in den Genuss des Impfstoffes gekommen sein. Das haben die Kollegen von Radio 100,7 am Wochenende gemeldet. In Ettelbrück seien dies ehemalige Mitarbeiter gewesen, die zwar noch aktiv seien, im Krankenhaus selbst aber keinen Dienst mehr verrichten. Gleiches gelte für einen Arzt in Esch, der zwar nicht mehr am CHEM arbeite, jedoch immer noch Aufgaben im Gesundheitswesen übernehme.

Zuvor hatte bereits die Meldung für Aufregung gesorgt, wonach im Januar drei Verwaltungsratsmitglieder der Robert-Schuman-Gruppe geimpft worden seien. Im Zuge dieser Enthüllungen hatte das Gesundheitsministerium sämtliche Kliniken aufgefordert, die Impflisten nochmals zu überprüfen.

Anzeige gegen unbekannt

Wegen „möglicher Unregelmäßigkeiten bei der internen Impfkampagne“ hat das Ettelbrücker CHdN inzwischen Anzeige gegen unbekannt erstattet. In einer Pressemitteilung versprach das Krankenhaus am Montag, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um zukünftige Unregelmäßigkeiten bei der Impfstoffverwaltung auszuschließen und die strikte Einhaltung der Anweisungen des Gesundheitsministeriums sicherzustellen.

Konkrete Gründe für die Anzeige wurden keine genannt. Und auch sonst hielt sich die Führung des CHdN weitestgehend bedeckt, was die Impfkampagne angeht. Man habe sich an die Konvention mit dem Gesundheitsministerium gehalten. „Global konnten sich all unsere Mitarbeiter impfen lassen“, so eine Sprecherin des Krankenhauses gegenüber dem Tageblatt. 971 Angestellte hätten das Angebot angenommen. Dazu gehörten beispielsweise auch Reinigungskräfte und Mitarbeiter in der Verwaltung. Aber keine Mitglieder des Verwaltungsrates, wie die Sprecherin unterstreicht.

Tatsächlich weiß man in der Öffentlichkeit bislang nur wenig über den genauen Inhalt der Konvention. Inwiefern diese überhaupt Interpretationsmöglichkeiten zulässt, ist auch nicht bekannt. Die unterschiedliche Herangehensweise der Krankenhäuser lässt aber zumindest die Vermutung zu, dass bestimmte Punkte verschiedene Auslegungen zulassen.

Bestimmte Job-Profile wurden nicht in der Konvention festgehalten. Vielmehr geht von „personnel salarié“ die Rede, das wie folgt definiert wird: „le terme personnel hospitalier désigne dans cette convention tant les salariés que tout autre professionel de santé lié contractuellement“.

Keine Abweichungen und Unregelmäßigkeiten

Genau an diese Vorgabe habe sich das „Centre hospitalier du Luxembourg“ gehalten, unterstreicht CHL-Direktor Dr. Romain Nati. Abweichungen und Unregelmäßigkeiten habe es bei der Impfkampagne im hauptstädtischen Krankenhaus keine gegeben. „Bei uns wurden weder Vorstandsmitglieder noch Familienangehörige oder Ärzte im Ruhestand geimpft“, so Dr. Nati. Er habe die Listen gleich zweimal nachprüfen lassen.

Für ihn seien die Vorgaben der Konvention deutlich: Mit Krankenhauspersonal seien sämtliche Angestellte gemeint sowie Mitarbeiter aus Gesundheitsberufen, die beim CHL unter Vertrag stehen. Davon seien auch Subunternehmer betroffen, die auf dem Areal des Krankenhauses ihrer Arbeit nachgehen. „In unserem Fall sind das vor allem Reinigungskräfte, Sicherheitsleute und Zulieferer im Küchenbereich“, erklärt der CHL-Chef.

Selbst habe man die Vorgabe nur um eine einzige „Ausnahme“ erweitert: „Wir haben auch Freiwillige hinzugezogen, die sich regelmäßig in den Abteilungen des Krankenhauses engagieren, vor allem in der Kinderklinik“, so Dr. Nati: „Etwa Mitglieder der ‚Île aux Clowns’ oder der ‚Fondation Kriibskrank Kanner’ sowie Freiwillige auf der Palliativstation. Dabei handelt es sich aber um eine begrenzte Anzahl von Personen, die wir ausnahmslos kennen und die regelmäßig mit Patienten in Kontakt kommen.“

Eine Unterscheidung, die bei den Angestellten selbst aber nicht vorgenommen wurde. Bewusst, wie Dr. Nati betont. Jobprofile haben dabei keine Rolle gespielt: „Auch Informatiker mischen sich unter Patienten, etwa wenn es um einen defekten Drucker auf einer Station geht. Und die Verwaltung hat regelmäßig mit Patienten zu tun“, unterstreicht der Direktor des CHL. Die Führung des Krankenhauses habe eine Sorgfaltspflicht ihren Angestellten gegenüber. „Ich kann nicht anfangen, das Personal in zwei Klassen zu teilen und verschiedenen Angestellten den Impfstoff zu verweigern“, so Dr. Nati.

Als Arbeitgeber zeigt sich der Direktor denn auch zufrieden, was den Anklang der Impfkampagne beim Personal angeht. Zwei von drei Angestellten seien der Einladung zur Impfung nachgekommen. Bei 2.500 Mitarbeitern wären dies knapp 1.700 Personen. Darüber hinaus wurden rund 300 Angestellte, die in den letzten Monaten an Covid-19 erkrankt waren, dazu aufgerufen, anderen den Vortritt zu lassen. Schließlich verfügten diese Mitarbeiter aller Wahrscheinlichkeit nach über Antikörper. Außerdem gebe es Hinweise darauf, dass das Risiko der Nebenwirkungen bei rezenten Covid-Patienten höher sei. Die Betroffenen sollen deshalb zu einem späteren Zeitpunkt geimpft werden.

Der Direktor geht deshalb von einer stattlichen Anzahl von Angestellten aus, die sich gegen das Virus haben impfen lassen. „Und wir geben nicht auf: Unsere Informationskampagne wird fortgesetzt“, so Dr. Nati. Unter den Personen jedoch, die sich nicht haben impfen lassen, seien relativ viele junge Frauen, die Gesundheitsschäden befürchten. Im Fall einer Schwangerschaft etwa, die nach der ersten Impfung erfolgt. „Sie glauben, dass von der Impfung eine größere Gefahr ausgeht als vom Virus. Was natürlich nicht stimmt“, betont der Mediziner.

Druck dürfe man nicht auf das Personal ausüben: Die Impfung ist freiwillig. Dennoch habe das Krankenhaus eine Verantwortung dem Patienten gegenüber. „Deshalb werden wir unsere Mitarbeiter weiter aufklären“, verspricht Dr. Nati. Sollte sich in den kommenden Wochen und Monaten aber bestätigen, dass von geimpften Personen weniger Gefahr ausgeht als von nicht geimpften Mitarbeitern, müsse man dieser Entwicklung Rechnung tragen.

Zwei Fälle unter der Lupe

Mit einer Informationskampagne wollen auch die Krankenhäuser der Robert-Schuman-Gruppe die Impfmuffel in den eigenen Reihen noch überzeugen. Auch hier hätten „gewisse Vorbehalte gegenüber den verschiedenen Impfstoffen“ etliche Angestellte davon abgehalten, der Einladung zur Impfung nachzukommen, so ein Sprecher der Gruppe. Ansonsten sei man aber zufrieden mit dem Zuspruch beim eigenen Personal: „Im Dezember deuteten in einer internen Umfrage nur 57 Prozent unserer Mitarbeiter an, sich impfen lassen zu wollen. Im Endeffekt sind aber 2.433 Angestellte zur Impfung erschienen“, betont der Sprecher. Bei rund 3.000 Einladungen seien dies 70 Prozent.

Geimpft wurden in der Zitha-Klinik und im Krankenhaus Kirchberg „sämtliche Personen, die auf professioneller Ebene eine Verbindung zu unseren Strukturen haben“, so der Sprecher weiter. Nähere Angaben zu den Jobprofilen aber wurden keine gemacht. Die Impflisten seien zuletzt nochmals nachgeprüft worden. Dabei hätten sich zwei Fälle herauskristallisiert, die zurzeit näher unter die Lupe genommen werden. Details wurden aber keine genannt.

Eine weiße Weste stellt sich indessen das „Centre hospitalier Emile Mayrisch“ aus, was mögliche Unregelmäßigkeiten bei der Impfkampagne angeht. Tageblatt-Informationen zufolge seien die internen Impflisten gleich mehrmals überprüft worden. „Relevantes“ sei dabei aber nicht herausgekommen, wie aus dem Umfeld des CHEM verlautet. Keine Reaktion gab es unterdessen zum Vorwurf, ein ehemaliger Mitarbeiter im Ruhestand sei auch geimpft worden. Wegen der ärztlichen Schweigepflicht könne man dazu keine Angaben machen.

Auch das Gesundheitsministerium hielt sich am Dienstag weiter bedeckt. Zu möglichen Unregelmäßigkeiten wollte sich das Ministerium nicht äußern. Gleiches gilt auch für die Kontrollen der Impflisten und Meldungen der Krankenhäuser. „Wegen der Anzeige bei der Staatsanwaltschaft können wir zu diesem Zeitpunkt keine weitere Details preisgeben“, so eine Sprecherin der „Santé“. Eine Anfrage zur Einsicht der entsprechenden Konvention blieb ganz unbeantwortet.

Auch was das Echo der Impfkampagne beim Krankenhauspersonal angeht, kann das Gesundheitsministerium aktuell (noch) keine Angaben machen: Endgültige Zahlen liegen den Behörden noch nicht vor. Über Web-Seminare, Lunchtalks und Podcasts habe man im Vorfeld aber versucht, Ärzte sowie das Gesundheits- und Pflegepersonal bestmöglich zu informieren und deren Fragen so gut es geht zu beantworten, so die Sprecherin weiter.

Peter G.
4. März 2021 - 0.16

Klar wurden Nicht-Berechtigte geimpft. Viele von uns kennen Leute die schon geimpft sind, obwohl sie nicht an der Reihe waren. Oft handelte es sich um sogenannte Restdosen. Als kleines Land hätten wir die Klassenbesten in Europa, sogar in der Welt sein müssen. Dann würde keiner von den Fällen reden. Aber das Ministerium hat die Impfkampagne extrem schlecht vorbereitet. Amateurhaft und blauäugig. Leider.

Goofy
3. März 2021 - 21.35

Kann d'Tageblatt da mol bei der Regierung nofroen, wien vun hire Memberen sech da schon huet impfe loossen, obwuel en nach net um Tour war? Ka jo net schweier sin daat rauszefannen, viirausgesaat sie sin eierlech....

E Lëtzeboier
3. März 2021 - 14.24

Beim CHEM wonnert mëttlerweil naischt méi... A sech dann nach feig hannert de secret médical ze verstoppen ass schon dreist a beweist, wéi manipuléiert gëtt! En Armutszeugnis!

Fernand
3. März 2021 - 13.30

"Bei rund 3.000 Einladungen seien dies 70 Prozent." Na dann werden wohl bald 30% Arbeitsplätze frei.