Die Dame, die alles im Griff hat

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(dpa)

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Die Wirtschaft in den USA wächst weniger stark als erwartet. Das Zurückfallen in eine Rezession gilt aber als ausgeschlossen, meint Abby Joseph Cohen, eine der mächtigen Finanzdamen in den USA.

Abby Joseph Cohen ist eine ältere Dame, die ihre gegenüber mit ihrer Lebhaftigkeit überrascht. Sie hat natürlichen Charme aber auch eine natürliche Autorität. Wo Abby Joseph Cohen auftaucht, gehört ihr der Respekt. Das kommt nicht von ungefähr. Abby Josph Cohen ist Präsidentin des Global Market Instituts von Goldman Sachs. Ihre Welt ist derzeit die der Politik.

Sie bewegt sich zwischen Demokraten und Republikanern in Washington um zu hören, wie beide Parteien die Haushaltsprobleme mit einem Defizit von um die neun Prozent bewältigen wollen oder wie das Handelsdefizit abegbaut werden soll. Die Dame in der New Yorker Finanzwelt weiß mehr als andere. Sie weiß vor allem, was von ihrem Wissen sie dosiert an die 21 Journalisten aus aller Welt weitergibt, die mit ihr beim Mittagessen zusammensitzen.

Zahlreiche Gründe

Die Finanzdame zeichnet ein ungeschminktes Bild von der Situation. “Es gibt ein langsames Absinken des Wirtschaftswachstums in den USA”, redet sie nicht um den heißen Brei herum. “Die Zyklen des Abschwungs werden deutlicher”, fügt sie an und verweist auf die Energiepreise, die steigen und der Konjunktur einen Dämfer versetzen werden.

Es gibt eine Reihe von Gründen dafür, dass die Wirtschaft in den USA stottert. “Der Winter war schlecht. Das Frühjahr 2011 war schlecht. Wir hatten viele Tornados. Das Wetter insgesamt war nicht gut. Es hat die wirtschaftlichen Aktivitäten im Land gestört, erklärt Frau Cohen. “Hinzu kommt, was in Japan geschehen ist. Die Automobilindustrie hat darunter gelitten, weil viele Komponenten für die US Automobilindustrie in Japan hergestellt werden. Das hat das Wirtschaftswachstum geschädigt. Die USA werden deswegen aber nicht in eine Rezession zurückfallen,” meint sie.

Übersättigter Immobilienmarkt

Nicht begeisternd sei auch der Immobilienmarkt. In Gegenden, in denen es keine Finanzierung für Leute ohne die nötige Sicherhit gegeben habe (Supprime), steige die Nachfrage. In Supprime Gegenden gebe es weiter einen Druck auf den Immobilienmarkt. Abby Cohen: “ Der private Immobilienmarkt in den USA ist übersättigt.”

Am Times Square findet zur selben Zeit einer der wichtigsten Immobilienkongresse des Landes statt. Die Branche hätte wenig Grund zu feiern, aber sie freut sich dennoch. In der Krise von Mitte 2007 bis Ende 2009 haben die USA neun Millionen Arbeitsplätze verloren. Um nur einen Status quo zu erhalten, müssten in den USA Monat für Monat 150.000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Im Mai waren es gerade 50.000. Die Arbeitslosenrate in den USA liegt bei 9,1 Prozent und sie wird eher größer als kleiner. Die Folge: Der Einzelhandel verzeichnet zurückgehenden Konsum. Die Automobilindustrie kommt nicht voran. Im Baubereich gibt es nichts zu tun und im privaten Immobilienbereich drückt ein immenser Zweithand-Markt auf das Neugeschäft.

„American Dream“

Statt Lösungen für Leute zu finden, die in der Finanzkrise Schwierigkeiten mit den Ratenzahlungen bekommen haben, wurden sie radikal auf die Straße gesetzt. Das kannibalisierte den privaten Häusermarkt und machte Häuser großenteils auch wertlos, weil sich niemand mehr um den Erhalt kümmerte. In den USA stehen derzeit zwei Millionen Häuser leer. Das sind 23 Prozent des privaten Hausbestandes.

Der Hauspreisindex ist in den vergangenen acht Monaten stetig gefallen und befindet sich auf Tiefstand. Besonders betroffen sind insbesondere die Sonnenstaaten Florida, Arizona, Kalifornien und Nevada. “Der American Dream besteht darin, dass man sein eigenes Haus hat”, sagt ein Experte, der nicht genannt werden will. Aber insbesondere die hohe Arbeitslosenrate verdirbt bei den Privatleuten das Geschäft.

Gute Geschäfte

Im Bürobereich zieht es insbesondere in New York wieder an. Der Grund: Der Finanzindustrie geht es wieder besser und sie braucht Büros. Auch der Hotelbereich weist wieder gute Geschäfte auf. Selbst ein schwacher Anstieg des Wirtschafttswachstums führt zu einem Ansteigen der Übernachtungen und Hotels werden von Immobilienmaklern wieder am Markt an neue Besitzer vermittelt. Das ist bereits Grund zum Jubel in New York. Die Branche hat gelernt mit wenig auszukommen. Dabei weiß die Branche, dass sich hier die Gefahr einer neuen Blase aufbaut. Investoren hielte sich zurück. Und ein Markt im Werte von vier Billionen US-Dollar befinde sich auf der Intensivstation. Banken, Versicherungen und andere Finanzinstitutionen hätten Geld gehortet und warteten auf die Zeit, in der sich das Investieren wieder lohne.

Abby J. Cohen geht in ihrer Darstellung in eine Analyse des Arbeitsmarktes hinein. Unter den Arbveitslosen befänden sich gerade vier Prozent Menschen, die eine universitäre Ausbildung hätten, aber 16 Prozent ohne ordentliche Bildung. Die Arbeitslosigkeit habe ihre strukturelle Seite, erklärt sie. Zur selben Zeit verlangt Präsident Obama, dass ein Aufschwung auch Arbeitsplätze schaffen müsse. Abby Cohen dazu: “Junge Frauen mit einer guten College-Ausbildung haben am Arbeitsmarkt bessere Aussichten als junge Männer ohne Bildung”.

Offene Frage

Die Krise, so ist ihre Überzeugung, habe man nun endgültig hinter sich. Man könne das daran sehen, dass die Regionalbanken in den USA, die während der Krise sehr stark hätten kämpfen müssen, nun wieder Kredite vergeben würden. Die Zahlen seien positiv. Das Haushaltsdefizit betrage derzeit noch zwischen neun und zehn Prozent des Bruttonationalprodukts. Es werde in drei bis vier jahren auf etwa vier Prozent gedrückt sein. Die Frage, wie das geschehen soll, lässt sie nicht zu. Auch die Exporte verzeichneten ein Plus von sechs bis acht Prozent. Die Realistin hat sich entschieden, die Situation positiv zu sehen.

Für das Gespräch mit der Finnazexpertin von Goldman Sachs sind wir quer durch New York von den Höhen der Columbia Universität hinunter in den Finanzdistrikt gefahren. Hanover Square ist ein kleiner Platz zwischen Wall Street und der See. Es ist der Platz der Briten geworden, die ihn für ihre zahlreichen Solidaritätsbekundungen mit den USA nach dem Attentat des 11. September nutzten. Das “India Haus” ist im Prinzip ein Club für Geschäftsleute. Als solche wurde es gegründet und das ist es geblieben. Wir wirken hier eher als ein Fremdkörper, dem der Zugang wegen Abby Joseph Cohen gestattet wird, die hier zu Hause ist.