Kolumne von Petz LahureDas letzte Spiel … oder doch nicht? 

Kolumne von Petz Lahure / Das letzte Spiel … oder doch nicht? 
Ist es heute das letzte Mal, dass Laurent Jans die FLF-Auswahl aus den Katakomben des Stade Josy Barthel führt? Foto: Editpress/Gerry Schmit

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Petz Lahure über das alte und das neue Stadion

Wenn es läuft wie geplant, wird morgen Dienstag, den 17. November 2020 das letzte offizielle Fußballspiel im Stade Josy Barthel ausgetragen. Das 1931 eingeweihte „Oval an der Arloner Straße“ oder „hauptstädtische Stadion“, wie es bis in die 1990er-Jahre hinein in den Zeitungen genannt wurde, ehe es den Namen des 1.500-m-Olympiasiegers von Helsinki 1952 erhielt, diente dem Luxemburger Fußball (und auch anderen Sportarten) rund 90 Jahre als Spielstätte. Das Stadion erlebte Höhen und Tiefen, wurde zwischendurch immer wieder ausgebessert oder auch teilweise renoviert (1989-90).

Von 16.000 auf 8.000

Anfangs lag die Kapazität der Sportstätte bei rund 16.000 Zuschauern, in Ausnahmefällen (z.B. bei Luxemburg – Frankreich und Jeunesse – Real Madrid) durften sich auch schon mal 20.000 Schaulustige auf den Rängen (und die für besondere Anlässe errichteten Zusatztribünen) quetschen. Nach dem Umbau vor 30 Jahren, als die bei den eingefleischten Fans so beliebten „Gradins“ verschwanden, ging das Fassungsvermögen um die Hälfte auf 8.054 zurück.

Von den paar Hundert Spielen der Nationalmannschaft, die an der Arloner Straße ausgetragen wurden, sei stellvertretend für alle an dasjenige erinnert, das die Luxemburger Bevölkerung wohl am meisten mit „ihrem“ Stadion verbindet. Blicken wir 75 Jahre zurück. Fünf Tage nach der bedingungslosen Kapitulation „aller unter deutschem Befehl stehenden oder von Deutschland beherrschten Streitkräfte auf dem Lande, auf der See und in der Luft“ (Originalzitat aus der Urkunde) fand am 13. Mai 1945 in Luxemburg weltweit das erste Länderspiel nach dem Krieg statt. Gegner waren Luxemburg und Belgien, die seit 1924 freundschaftliche Bande pflegten und sich regelmäßig in sportlichen Wettkämpfen maßen.

Meistens schickten unsere westlichen Nachbarn gegen den vermeintlich „kleinen“ Gegner eine B-Elf aufs Feld. Nur in den Jahren 1928 (Olympische Spiele Amsterdam), 1934 (Freundschaftsspiel) und 1938 (WM-Qualifikation) trat Belgien mit der A-Mannschaft gegen das Großherzogtum an und verbuchte auch drei Erfolge (5:3, 4:1, 3:2). 

89 Jahre lang

Das letzte Spiel der Luxemburger Auswahl vor Ausbruch des Krieges fand am 7. April 1940 in Brüssel gegen Belgiens B-Auswahl statt. Beide Mannschaften trennten sich 1:1. Von da an ruhte der internationale Fußballbetrieb bis zum 13. Mai 1945. Das erste Länderspiel nach dem Krieg hatte für Luxemburg eine besondere Bedeutung. Aus fast allen Ecken und Enden des Landes rollten Sonderzüge in die Hauptstadt, nur aus den Nordkantonen nicht, die man anscheinend „vergessen“ hatte.

Ein Clerfer Vereinsverantwortlicher machte sich Tage danach in einem Leserbrief Luft: „Hunderte und Hunderte Sportsfreunde aus Wiltz, Clerf, Ulflingen, Hosingen usw. hatten sich darauf gefreut, dem ersten Länderspiel nach dem Krieg beiwohnen zu können, als wir feststellen mussten, dass für den Norden kein Extrazug eingelegt war. Für die Öslinger Sportler genügt es anscheinend, wenn sie vor den Trümmern ihrer zerstörten Häuser und Ortschaften stehen.“

Für Luxemburgs Sport sollte es ein ganz großer Tag werden. Es dauerte nicht lange, bis die 12.000 begeisterten Zuschauer, unter ihnen Prinz Felix (der Gemahl von Großherzogin Joséphine-Charlotte) und Erbprinz Jean (der spätere Großherzog Jean), in dem Stadion, das 14 Jahre zuvor sein erstes Spiel erlebt hatte (1.3.1931, Luxemburg – Belgien B 2:3), jubeln durften. Schon in der 5. Minute schoss Léon Mart das 1:0, in der 39. erhöhte Camille Libar zum Pausenstand von 2:0. Das 3:0 besorgte erneut Léon Mart (46.), für das 4:0 war Gusty Kemp verantwortlich (70.). Den belgischen Ehrentreffer erzielte Lambrechts vom FC Malines in der 85. Minute. 

Carreras, Pavarotti …

Ein Dreivierteljahrhundert später kommt nun das Aus für die Sportstätte, die manchmal auch Künstlern wie den Tenören José Carreras (1995) und Luciano Pavarotti (1997) oder aber Rocklegende Tina Turner (1996) als Konzert-Freilichtbühne diente.

Mit etwas Glück könnte der Abschied vom Stade Josy Barthel für den Luxemburger Sport den Beginn einer neuen Ära bedeuten. Sozusagen den Sprung in eine andere Dimension. Doch bleiben wir vorerst mit beiden Füßen auf dem Teppich. Ehe es so weit kommen kann, ist die Luxemburger Mannschaft am letzten Gruppenspieltag in der UEFA Nations League auf die Schützenhilfe der Zyprer angewiesen, gegen die sie am Samstag zum Teil durch unglückliche Umstände verlor.

Falls Zypern auch Montenegro ins Straucheln bringt oder mindestens einen Punkt holt, kann im Treffen gegen Aserbaidschan, das als letztes Spiel in die Annalen des Stade Josy Barthel eingehen soll, auch in sportlicher Hinsicht Geschichte geschrieben werden.

Eigentlich hätte die Spielstätte an der Arloner Straße längst ausgedient haben müssen. In den Planungen der Verantwortlichen war das erste offizielle Spiel im neuen Stadion an der Cloche d’Or schon für September 2020 vorgesehen. So hieß es auf jeden Fall am 3. April 2019 anlässlich einer offiziellen Visite des Baugeländes. Dass daraus nichts wurde, ist zum Teil (aber nur zum Teil) auf die im Frühjahr 2020 ausgebrochene Covid-19-Pandemie zurückzuführen. 

„Stade national“

Am 16. Juli 2020 wurde der neue Termin der offiziellen Inbetriebnahme des schmucken Vierecks an der Autobahn nach Frankreich für März 2021 angekündigt. Das wäre in vier Monaten. Bei derselben Gelegenheit gab Bürgermeisterin Lydie Polfer bekannt, das neue Stadion würde „Stade de Luxembourg“ heißen und es wäre im November nach der Abnahme durch die „Inspection du travail et des mines“ (ITM) betriebsbereit.

Warum eigentlich „Stade de Luxembourg“? Auf Deutsch übersetzt heißt das „Stadion der Stadt Luxemburg“. So weit, so gut. Wenn man aber von einem „Stade national“, einem Nationalstadion, spricht, als das die politisch Verantwortlichen die Sportstätte nach außen hin verkaufen wollen, müsste das Stadion „Stade du Luxembourg“ heißen. Im Namen „Stade du Luxembourg“ wäre das Land Luxemburg (und nicht nur die Stadt), also das gesamte Großherzogtum mit seiner multikulturellen Bevölkerung, miteinbezogen.

Ähnlich verhält es sich in Frankreich oder in der Schweiz. Die dortigen Nationalstadien wurden „Stade de France“ (nicht „Stade de Paris“ oder „Stade de Saint-Denis“) und „Stade de Suisse“ (nicht „Stade de Berne“) genannt. Sieht man von den knappen Äußerungen auf dem FLF-Kongress am 24. Oktober in der Useldinger Sporthalle ab, gab es seit dem „Statement“ vom 16. Juli keine offiziellen Informationen mehr zum neuen Stadion an der Cloche d’Or.

In Useldingen drückte Präsident Paul Philipp seine Hoffnung aus, im Frühjahr 2021, wie von den Instanzen versprochen, über das neue Stadion mit seinen 9.385 Sitzplätzen verfügen zu können, während Sportminister Dan Kersch in seiner Rede die Erfüllung dieses Wunschs in Aussicht stellte.

Der 7. Dezember naht 

So gesehen wäre es an der Zeit, die Öffentlichkeit über den derzeitigen Stand der Dinge in Kenntnis zu setzen. Denn die Zeit drängt.

Am Montag, 7. Dezember, also in genau drei Wochen, werden in Zürich die Europa-Gruppen für die Weltmeisterschaft 2022 in Katar ausgelost. Insgesamt sind 55 Länder gemeldet. Es gibt fünf Töpfe mit zehn Nationen und einen sechsten Topf mit fünf Ländern. Luxemburg, das vor der Niederlage gegen Zypern auf Rang 40 in Europa lag, kommt entweder in Topf 4 oder Topf 5. Ausschlaggebend ist die Weltrangliste vom 26. November 2020. Als Gegner erhält Luxemburg mit Sicherheit eine der Mannschaften aus den „Top Ten“ Europas, eventuell sogar den Weltmeister Frankreich höchstpersönlich. Im selben Topf wie Frankreich befinden sich u.a. auch Belgien, Italien, England, Portugal, Spanien und Deutschland, seit jeher Traumgegner für ein kleines Land wie Luxemburg. Die ersten Qualifikationsspiele sind zwischen dem 25. und dem 30. März 2021 programmiert.

Im Normalfall hat Luxemburg in dieser kurzen Zeitspanne von sechs Tagen ein Heim- und ein Auswärtsspiel zu bestreiten. Bei der Auslosung am 7. Dezember ist die FLF gezwungen, bekannt zu geben, wo sie ihre Heimtreffen austragen wird. Sie muss also spätestens in drei Wochen wissen, wie es um das neue Stadion steht. Im Stade Josy Barthel, das den internationalen Erfordernissen seit Jahren nicht mehr gerecht wird, durften die letzten Begegnungen ohnehin nur dank einer UEFA-Sondergenehmigung ausgetragen werden.

In Zeitnot 

Die Frage ist berechtigt, ob die FLF nicht etwa in Zeitnot gerät. Selbst wenn die „Inspection du travail et des mines“ dem neuen Stadion ihren Segen in Rekordzeit erteilen sollte (Arbeitsministerium und Sportministerium unterstehen übrigens demselben Minister), wäre dieses danach offiziell noch nicht spieltauglich. Ehe die UEFA grünes Licht für internationale Begegnungen gibt, muss die FLF zwei Testtreffen austragen lassen, eines ohne Publikum und eines mit Zuschauern. Wer gegen wen antritt, ist egal, auch spielt die Alterskategorie der Akteure keine Rolle. Dabei wird kontrolliert, ob der ganze Ablauf mit seinem Drumherum in der Praxis auch so funktioniert wie es in den vielen Dossiers niedergeschrieben ist. Damit aber ist es für den Fußballverband nicht getan.

Ist die Auslosung am 7. Dezember vorbei, muss er sich auf einen Ansturm an Abonnentenanträgen gefasst halten. Ob aber im März 2021 überhaupt vor Zuschauern gespielt werden darf, ist fraglich. Laut den derzeitigen UEFA-Vorgaben können die Ränge bis zu einem Drittel mit Fans besetzt werden. Die nationalen Gesetze und Regelungen aber stehen über diesen Bestimmungen. Wenn das neue Stadion heute eröffnet würde, dürften gemäß den Luxemburger Covid-19-Vorschriften nur 100 Zuschauer dabei sein.

Bis Mitte März verbleibt eine kurze Zeitspanne von nur vier Monaten, dazwischen gibt es auch etliche Feier- und Ferientage. Es ist demnach nicht zu früh, um von offizieller Stelle die Bestätigung zu erhalten, dass bis dahin alles, was in Bezug auf die Sportstätte an der Cloche d’Or noch an Arbeit anfällt, bewerkstelligt werden kann. Und sei es auch nur, um die belastenden negativen Gedanken, die Ihrem Kolumnisten immer wieder durch den Kopf jagen, zu zerstreuen, die UEFA-Nations-League-Begegnung von morgen Dienstag gegen Aserbaidschan könnte vielleicht doch nicht das letzte Länderspiel im Stade Josy Barthel sein.

Für hartgesottene Nostalgiker, die sich an kalten Abenden ohne Schirm in den Nieselregen trauen, wäre das vielleicht akzeptabel, für die FLF, die Spieler, den „Staff“ und die echten Fußballfans aber eine bittere Enttäuschung.

Die Nationalspieler verfolgten den Bau ihrer neuen Heimatstätte von Anfang an
Die Nationalspieler verfolgten den Bau ihrer neuen Heimatstätte von Anfang an Foto: Editpress/Alain Rischard
Globi
16. November 2020 - 16.39

Stellt sech dei berechtegt Fro, ob den Letzebuerger Staat, deen Jo 70% vun « sengem » nationalen Stadion finanzéiert, sech et wierklech bidden muss lossen, an engem « Stater » Stadion ze spillen? Daat schéint jiddefalls esouwuel dem Minister wéi den Präsidenten vun den nationalen Féderatiounen esou lang wéi breed ze sinn ...

trotinette josy
16. November 2020 - 9.40

WEshalb nicht die Bezeichnung " Stade Josy Barthel " beibehalten? Etwa weil es ein Fussball- resp. Rugby stadion ist? Leider haben wir in den beiden Sportarten nie olympisches Gold gewonnen. Und was geschieht mit den Leichtathletik Anlagen? Wo werden in Zukunft auf dem Gebiet der Stadt Luxemburg die leichtathletischen Wettbewerbe stattfinden? Auf Fetschenhof?