Christlich-soziale VolksparteiCSV-Fraktion zieht Bilanz: „Das ist keiner Demokratie würdig“

Christlich-soziale Volkspartei / CSV-Fraktion zieht Bilanz: „Das ist keiner Demokratie würdig“
Fraktionspräsidentin Martine Hansen spart im Hof der Brasserie Mansfeld nicht mit Kritik an den Regierungsparteien Foto: Foto/Fabrizio Pizzolante

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Die Worte sind klar, der Ton offensiv. Die CSV-Fraktion zog am Montag Bilanz über ihre parlamentarische Arbeit und sparte nicht mit nachdrücklicher Kritik an der Regierung und den Mehrheitsparteien im Parlament.

Im Hof der Brasserie Mansfeld in Clausen hat die CSV-Fraktion zu ihrer Bilanz vor der Sommerpause eingeladen. Die Abgeordneten der größten Oppositionspartei lassen sich beim Treffen an diesem idyllischen Ort nicht davon abhalten, klare Worte in Richtung der Mehrheitsparteien auszusprechen. Trotz etwas lauterer Kulisse infolge der Renovierungsarbeiten am Gebäude der Brauerei, welche die ersten Minuten des Vortrags der Fraktionspräsidentin akustisch stören, sind die Worte von Martine Hansen offensiv und mit Nachdruck formuliert.

Neben den Pressevertretern haben sich die EU-Abgeordneten Isabel Wisler und Christophe Hansen sowie Parteipräsident Claude Wiseler in der Brasserie eingefunden. Martine Hansen stellt gleich am Anfang klar, dass die Mehrheitsparteien mehr Stimmen im Parlament haben und dass dies auch normal sei. „Aber so wie es nun in der Chamber abläuft, das ist keiner Demokratie würdig“, sagt sie. „Es ist ‚du jamais vu‘, kein Respekt vor der Chamber, vor den Wählern, es ist eine Arroganz, und dann höre ich lieber auf zu reden.“ Eine konstruktive Oppositionsarbeit sei nicht erwünscht, sagt sie.

Hansen illustriert ihre Aussage mit zwei Beispielen. Vergangene Woche habe der Co-Fraktionspräsident Léon Gloden eine Motion über die Sicherheitsdebatte im Parlament eingebracht. Diese sei abgelehnt worden. Das könne man akzeptieren, sagt Hansen. Doch drei Minuten später hätten die Mehrheitsparteien eine andere Motion eingebracht, in der im Prinzip das Gleiche gefordert worden sei. „Das ist ein Theaterspiel. Das kann man nicht verstehen. Bei allem, wo CSV draufsteht, oder eine andere Oppositionspartei, wird im Prinzip einfach Nein dazu gesagt.“ So könne das Parlament nicht funktionieren.

Die Art und Weise von Corinne Cahen

Zum Waringo-Bericht kritisiert Hansen die Art und Weise, wie Corinne Cahen vorgegangen ist. Nach der fünfstündigen Debatte im Parlament hätten die Abgeordneten aller Oppositionsparteien der Familienministerin sowohl Fragen gestellt als auch Vorwürfe erhoben, doch Cahen sei nicht darauf eingegangen. „Kein Wort sagen, das sagt sehr viel aus über das, was sie von unserer Arbeit hält.“

Anschließend hebt die Fraktionsvorsitzende die Kontrollfunktion der Opposition hervor. Die CSV habe 2020/2021 insgesamt 434 parlamentarische Fragen und 23 erweiterte Fragen gestellt, sechs Debatten und zwölf Aktualitätsstunden angefordert. Daneben habe die Fraktion 120 Motionen eingereicht, von denen lediglich 19 akzeptiert wurden, sowie 47 Änderungsanträge, von denen nur zwei genehmigt wurden. Auch habe die CSV-Fraktion zehn Gesetzesvorschläge gemacht. Nur einer sei angenommen worden. „Es wurde noch nie so viel konstruktive Oppositionsarbeit geleistet wie dieses Jahr“, betont Hansen. „Und es wurde noch nie so destruktiv gearbeitet, wie es die Mehrheitsparteien getan haben.“

Es wurde noch nie so viel konstruktive Oppositionsarbeit geleistet wie dieses Jahr und es wurde noch nie so destruktiv gearbeitet, wie es die Mehrheitsparteien getan haben

Martine Hansen

Die Fraktionspräsidentin zählt die Prioritäten des vergangenen Jahres auf. Neben Covid-19 war das die Gesundheitspolitik, der Wohnungsbau, die Sicherheit, der Neustart „Relance“, die Steuergerechtigkeit mit dem Einberufen der „Tripartite“ sowie der Umwelt- und Klimaschutz. Eine Motion zur „Tripartite“ habe der CSV-Abgeordnete Marc Spautz vergangene Woche eingereicht, doch sei sie abgelehnt worden. Die Fraktionspräsidentin spricht sich dafür aus, die Kommissionssitzungen öffentlich zu halten. Der Kritik, dass Diskussionen hinter verschlossenen Türen dann nicht mehr möglich seien, erteilt Hansen eine Abfuhr.

Nicht die Stärke von Claude Meisch

Die Jugend habe in der Pandemie gelitten. Aber nicht nur wegen Covid. Im Herbst will die CSV eine öffentliche Debatte über das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen anstoßen. Zu der Jugend gehöre auch die Bildung. „Wenn wir der Jugend Perspektiven bieten wollen, müssen wir an der Bildung arbeiten.“ Vor allem bräuchte man, so Hansen, einen Minister, der den Leuten zuhöre. Das sei allerdings nicht die Stärke von Bildungsminister Claude Meisch. Dazu brauche es auch viel mehr Lehrkräfte. Hansen hebt die Chancengerechtigkeit hervor, eine Schere, die immer weiter auseinandergehe.

Co-Fraktionspräsident Léon Gloden geht bei seiner Rede auf das Thema Sicherheit ein. „Wir brauchen keine grüne Kuschelpolitik in diesem Bereich, sondern eine effiziente Sicherheitspolitik“, so Gloden. Die CSV stehe ganz klar für Prävention, insbesondere was die Drogenpolitik angehe. Schlage die Prävention allerdings fehl, müsse der Staat reagieren und den Rechtsstaat respektieren. Gloden weist auf die Aussagen von Henri Kox, Minister für Innere Sicherheit, hin, der jüngst angekündigt hat, die Polizeipräsenz aufzustocken. Doch seien die Zahlen des Ministers zu relativieren, da gleichzeitig zur Rekrutierung auch viele Polizisten in Rente gehen oder aufgrund von Elternurlaub ausfallen würden.

Am Montag zog die CSV-Fraktion Bilanz über ihre parlamentarische Arbeit
Am Montag zog die CSV-Fraktion Bilanz über ihre parlamentarische Arbeit Foto: Fabrizio Pizzolante

Vize-Fraktionspräsident Gilles Roth führt das Beispiel von Corinne Cahen an, um zu unterstreichen, dass das Benehmen der Ministerin nicht im Einklang mit Artikel 51 der Verfassung sei, welcher besagt, dass Luxemburg in der Staatsform der parlamentarischen Demokratie funktioniert. Am Ende hätten die gewählten Volksvertreter zu entscheiden, unter welcher Form ein Gesetz angenommen werde oder nicht. Die vier Oppositionsparteien, die unterschiedliche politische Ansichten haben, seien sich einig über die Nonchalance der Familienministerin im Umgang mit den Minderheitsparteien, so der Vizepräsident.

Corona-, Spekulations- und Erbschaftssteuer

Roth spricht die Sachprobleme des Landes an. Der Luxemburger Staat habe die größten Schulden und das höchste Armutsrisiko seit 20 Jahren. Auch die Krise des Wohnungsbaus sowie die Besteuerung der Mittelschicht habe ihren Höchststand seit zwei Jahrzehnten erreicht. Kritik äußert Roth auch an der Aussage des LSAP-Fraktionspräsidenten Georges Engel, der sich für eine Corona-Steuer starkmacht. Bei einem Treffen am Montagmorgen mit Vertretern der Staatsbeamtengewerkschaft CGFP habe sich diese nicht vorstellen können, wie man dies umsetzen sollte. „Ich verstehe nicht, wie man per Gesetz rückwirkend der Cargolux im Gegensatz zur Luxair für 2020 und 2021 höhere Steuersätze aufbrummen kann.“ Auch wenn eine solche Steuer aus Sicht der LSAP hilfreich erscheine, stelle sich die CSV dagegen. Die gleiche Position habe auch die DP eingenommen. Die Grünen sollen sich dazu nicht geäußert haben.

Roth spricht sich zudem gegen eine Erbschaftssteuer in direkter Linie aus und plädiert andererseits für eine Spekulationssteuer auf Bauland. Für die direkten Nachkommen sollte es allerdings eine Ausnahme geben, sagt er. In einem solchen Falle sollte es laut CSV möglich sein, ein Grundstück „auf die Seite zu legen“, ohne dafür bezahlen zu müssen.

CSV-Parteipräsident Claude Wiseler erinnert an das vergangene Jahr, welches ein kompliziertes gewesen sei. Insbesondere gelte dies für die Beziehung zwischen der Fraktion und der Partei. „Wir haben seit drei Monaten willentlich andere Wege eingeschlagen“, sagt er. Es seien Wege, die durch die gemeinsame Entscheidungsfindung geprägt seien. Alle großen Entscheidungen und Diskussionen würden nun zwischen Partei, Nationalkomitee und Fraktion gemeinsam getroffen werden. Auch die Kommunikation solle gemeinsam stattfinden. 

Am 25. September sollen laut Wisler bei einem Parteikongress die Statuten angepasst und Themen festgelegt werden, die man mehr in der Tiefe behandelt wolle. Nicht im Rahmen der Fraktionsarbeit, sondern als gemeinsame Themenbereiche für die Zukunftsgestaltung von Partei und Fraktion, so der CSV-Präsident.

HTK
20. Juli 2021 - 17.26

Als Regierungspartei waren wir die Besten und als Oppositionspartei....auch. Na dann bleibt am besten in der Opposition. Wie war das mit dem Splitter und dem Balken im Auge? In Gleichnissen kennt ihr euch doch aus.

Babs
20. Juli 2021 - 13.37

Viel eidel Stiehl bei der Brasserie Mansfeld !! ausser Spesen an hier éigen Politiker nix gewesen, daat ass net méi no ze lauschteren, CSV muss grad vun Iewerhiewlegkéit schwätzen ??, dën Artikel aus dem Spiegel muss wëh doen wann ën sou em sech schlädt , dir sied ganz schlecht Verléirer, Merci onser ganzer Regierung an der Santé fir hier gudd Aarbecht ???

Brandenbourger
20. Juli 2021 - 12.38

Der CSV schmecken ihre eigenen Methoden nicht? Wer hätte das gedacht.

Wieder Mann
20. Juli 2021 - 10.34

@Santos:Man muss nicht zur CSV stehen, aber leider hat das Demokratieverständnis unserer Politik enorm eingebüßt . Eine nach der Verfassung gegebene Rede- und Antwort- Pflicht die von einer Frau Minister ignoriert , von den Mehrheitsparteien geduldet , ist nicht nur Missachtung des Parlamentes, sondern die Demokratie mit Füßen getreten.Was wiegt mehr , Verfassung und Parlament oder Lokalpolitik?

SamB
20. Juli 2021 - 10.11

Jahrzehntelang hat die CSV ihrem jeweiligem Koalitionspartner gezeigt was sie von dessen Meinung und Vorschlägen hält, nämlich nichts. Immer mit der Drohung im Hintergrund dass der Juniorpartner die CSV nicht nerven soll , nach den nächsten Wahlen nehmen wir uns halt einen anderen. Und jetzt beklagen sie sich dass niemand ihre Meinung respektiert. Hoffentlich bleibt das auch noch einige Jahrzehnte so.

Georgius Santos
20. Juli 2021 - 8.02

Aber so wie es in dem CSV-Esch abläuft , das ist auch keiner Demokratie würdig. Kein Respekt vor den meist vulnerablen alten Wähler u.a.m. aus der Pierre Claude Strasse, nur Arroganz des CSV Meister der Bürger gegen letztere ! Von Sankt Wally , dem Schutzengel dieser alten Leutchen , nicht dem der alten Hüttenmaschinen , ganz zu schweigen...... Hoffentlich wird auf dem nächsten CSV-Parteikongresses die Zukunftgestaltug von dieser Escher Kriesenfrsktion lm Kontext mit der o.g. Wählerbehandlung seitens des dortigen Schultheiß mal gründlich unter die Lupe genommen und ein würdiger Ersatz für ihn und den Schutzengel gefunden.....